Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.11.14

Bewertungsportale verstoßen nicht gegen den Datenschutz

Die Entscheidung des BGH nach der es ein Arzt grundsätzlich dulden muss, dass seine Leistung im Internet – auf jameda.de – bewertet wird, ist nunmehr im Volltext online (Urteil vom 23.09.2014, Az.: VI ZR 358/13). Auf die Entscheidung wurde hier bereits hingewiesen.

Der BGH prüft die zugrundeliegende Frage ausschließlich anhand der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und weist zunächst darauf hin, dass das sog. Medienprivileg (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag, § 41 Abs. 1 BDSG) für Bewertungsportale nicht gilt, solange keine journalistisch-redaktionelle Bearbeitung stattfindet. Das wirft – de lege ferenda – weiterhin die Frage auf, ob es nicht notwendig ist, in das Datenschutzrecht ein wesentlich weitergehendes Privileg für Äußerungen im Allgemeinen zu implementieren.

Der BGH prüft die Zulässigkeit der Veröffentlichung der personenbezogenen Ärztebewertung im Internet sodann anhand der Gestattungsvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG. Im Rahmen dieser Vorschrift führt der BGH eine Abwägung zwischen den Rechten des klagenden Arztes und den Interessen der Nutzer an der Bewertung durch. In grundrechtlicher Hinsicht bedeutet dies eine Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf der einen und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit auf der anderen Seite, wobei laut BGH auch die mittelbare Drittwirkung des beiden Parteien zustehenden Grundrechts der Berufsfreiheit zu berücksichtigen ist. Der BGH erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die einschlägigen Grundrechte nach dem GG und der EMRK.

Der BGH betont dann u.a., dass die Bewertung nur die berufliche Tätigkeit des Arztes betrifft und sich der Einzelne im Bereich der Sozialsphäre wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen müsse. Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen laut BGH allerdings nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung droht.

Der BGH äußerst sich dann auch zu dem Aspekt, dass die Bewertung anonym vorgenommen werden kann und führt hierzu aus:

Dass Bewertungen im von der Beklagten betriebenen Portal – abgesehen von der Angabe einer E-Mail-Adresse – anonym abgegeben werden können, führt nicht dazu, dass das Interesse des Klägers an der Löschung der Daten dasjenige der Beklagten an der Speicherung überwöge. Wie oben dargestellt, sind die bewerteten Ärzte und damit auch der Kläger hierdurch nicht schutzlos gestellt. Die anonyme Nutzung ist dem Internet zudem immanent. Dementsprechende Regelungen zum Schutz der Nutzerdaten gegenüber dem Diensteanbieter finden sich in den §§ 12 ff. TMG (vgl. insbesondere § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG und Senatsurteil vom 1. Juli 2014 – VI ZR 345/13, NJW 2014, 2651 Rn. 8 ff.). Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar (Senatsurteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 38). Die Möglichkeit, Bewertungen auch anonym abgeben zu können, erlangt im Falle eines Ärztebewertungsportals im Übrigen ganz besonderes Gewicht. Denn häufig wird die Bewertung eines Arztes mit der Mitteilung sensibler Gesundheitsinformationen, etwa über den Grund der Behandlung oder die Art der Therapie, verbunden sein. Wäre die Abgabe einer Bewertung nur unter Offenlegung der Identität möglich, bestünde deshalb hier ganz besonders die Gefahr, dass eigentlich bewertungswillige Patienten im Hinblick darauf von der Abgabe einer Bewertung absehen.

Der BGH führt also in Kenntnis des Google-Urteils des EuGH, das in den Urteilsgründen sogar ausdrücklich Erwähnung findet, im Rahmen des § 29 BDSG eine klassische und ergebnisoffene Grundrechtsabwägung durch.

posted by Stadler at 09:29  

3.11.14

Unwirksame Klauseln in Mobilfunk-AGB

Der BGH hat mit Urteil vom 9.10.2014 (Az.: III ZR 32/14) das heute veröffentlicht wurde, zwei gängige Klauseln aus AGB von Mobilfunkanbietern für unwirksam erachtet. Es geht dabei um Pfandklauseln für die SIM-Karte und zusätzliche Gebühren für die Zusendung einer Rechnung in Papierform.

Die amtlichen Leitsätze des BGH hierzu lauten:

a) Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mobilfunkanbieters, nach der für die Überlassung der SIM-Karte ein „Pfand“ in Höhe von 29,65 € erhoben wird, das als „pauschalierter Schadensersatz“ einbehalten wird, sofern der Kunde die Karte nicht innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der Gültigkeitsdauer und Beendigung des Kundenverhältnisses in einwandfreiem Zustand zurücksendet, ist unwirksam.

b) Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mobilfunkanbieters, nach der für die Zusendung einer Rechnung in Papierform (zusätzlich zur Bereitstellung in einem Internetkundenportal) ein gesondertes Entgelt anfällt, ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Anbieter sein Produkt nicht allein über das Internet vertreibt.

posted by Stadler at 09:30  

1.11.14

Beeindruckender neuer Überwachungscoup der Bundesregierung: Das Maut-Gesetz

Die Ankündigung des Verkehrsministeriums, dass die umstrittene Maut nun doch über eine elektronische Kennzeichenerfassung erfolgen soll, kam überraschend. Und man darf die Frage stellen, warum das sog. Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen in dieser Form konzipiert worden ist.

Nach dem Gesetzesentwurf dürfen u.a. folgende Daten erhoben, gespeichert und benutzt werden:

1. Bild des Kraftfahrzeugs,
2. Name und Anschrift der Person, die das Kraftfahrzeug führt,
3. Ort und Zeit der Benutzung von Straßen im Sinne des § 1 Absatz 1,
4. Kennzeichen des Kraftfahrzeugs,
5. für die Abgabenhöhe maßgebliche Merkmale des Kraftfahrzeugs

Warum müssen diese Daten eigentlich elektronisch erfasst und gespeichert werden? Weil das Gesetz in § 9 einen Erstattungsanspruch vorsieht und zur Prüfung der Frage, ob die Erstattungsvoraussetzungen vorliegen, diese Daten verwendet werden sollen. Daran anknüpfend sieht § 12 Abs. 3 InfrAG die Löschung der oben genannten Daten vor, sobald feststeht, dass die Infrastrukturabgabe entrichtet worden ist und ein Erstattungsverlangen nicht zulässig ist oder ein Erstattungsverlangen nicht fristgerecht gestellt worden ist oder sobald ein eingeleitetes Erstattungsverfahren abgeschlossen ist.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Nur um nachträglich einen Erstattungsanspruch prüfen zu können, werden alle Orten und Zeiten zu denen ein jedes KFZ das in Deutschland eine mautpflichtige Straße benutzt hat, für die Dauer von deutlich über einem Jahr gespeichert, einschließlich von Fotos des Fahrzeugs (und des Fahrers) sowie der dazugehörigen Halterdaten. Das heißt, dass das Gesetz anordnet, vollständige Bewegungsprofile eines jedes deutschen Autofahrers zu erstellen und für einen längeren Zeitraum zu speichern.

Es handelt sich hierbei um eine Vorratsdatenspeicherung von enormem Ausmaß, bei der man im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits die Erforderlichkeit verneinen muss. Für den Fall, dass das Fahrzeug während des Jahres abgemeldet wird, braucht man die Datenspeicherung nicht. Es reicht aus, wenn man dann einfach eine Regelung über die zeitanteilige Erstattung der Maut schafft. Dass man eine Erstattungsmöglichkeit für den Fall schafft, dass das Fahrzeug nachweislich das ganze Jahr über nicht auf mautpflichtigen Straßen bewegt wurde und dieser Nachweis dann gerade durch die umfangreiche Aufzeichnung der Daten aller Verkehrsteilnehmer erbracht wird, erscheint nahezu grotesk. Ein solcher Erstattungsanspruch kann ja überhaupt nur dann entstehen, wenn man mit dem Fahrzeug im ganzen Jahr überhaupt nicht auf Bundesstraßen oder Autobahnen gefahren ist. Auf diese Nachweismöglichkeit könnte mit Sicherheit gänzlich verzichtet werden, zumal vor dem Hintergrund, dass der vom Gesetz vorgesehene Nachweis eine massenhafte Vorratsdatenspeicherung erfordert und damit einen Eingriff in die Grundrechte aller deutschen Autohalter und -fahrer. Alternativ könnte man auch bei der erstmaligen elektronischen Erfassung eines deutschen Kennzeichens die Mautvoraussetzungen als erfüllt ansehen und demzufolge im Gesetz eine anschließende sofortige Datenlöschung anordnen. Das würde zumindest die Speicherdauer erheblich reduzieren.

Nach meinem ersten Eindruck ist das Gesetz verfassungswidrig. Es gibt andere, weniger eingriffsintensive Möglichkeiten um dasselbe Ziel und Ergebnis zu erreichen. Man kann sich daher des Eindrucks nicht erwehren, dass hier schlicht ein Überwachungssystem geschaffen werden soll, für das es  – jedenfalls wenn es um Zwecke der Maut geht – noch nicht einmal eine naheliegende Notwendigkeit gibt.

posted by Stadler at 21:41  
« Vorherige Seite