Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.5.14

Nicht auf Augenhöhe

Ein Bundesgericht in New York hat unlängst entschieden, dass Microsoft verpflichtet werden kann, auch E-Mails und andere Inhalte die außerhalb der USA – beispielsweise auf europäischen Servern – gespeichert werden, an amerikanische Behörden herauszugeben.

Zu diesem Thema findet man ein lesenswertes Interview mit der Datenschutzrechtlerin Indra Spiecker in der FAZ. Spiecker weist auf den bislang wenig beachteten Aspekt hin, dass diese Entscheidung nicht nur amerikanische Anbieter betrifft, sondern auch europäische Anbieter die eine US-Niederlassung unterhalten. Die Reichweite des Urteils ist daher deutlich weiter, als bislang berichtet.

Spiecker merkt außerdem zurecht an, dass dieses Thema eigentlich auf die Tagesordnung des transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) gehört, das gerade zwischen den USA und der EU verhandelt wird. Offenbar hat man aber datenschutzrechtliche Fragen ebenso gezielt ausgeklammert, wie sämtliche Fragen im Zusammenhang mit den Aktivitäten der NSA. Diese Fragen gehörten freilich wegen ihrer erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung und des Potentials, den Handel zwischen der EU und den USA zu beeinträchtigen, zwingend auf die Agenda des Abkommens. Weder die EU-Kommission, noch die EU-Mitgliedsstaaten scheinen allerdings ein gesteigertes Interesse daran zu haben, auch solche Themen, die evident im Interesse der Bürger sind, auf die Tagesordnung zu bringen. Ist das Verhandlungsungleichgewicht zwischen der EU und den USA tatsächlich derart groß? Es hat fast den Anschein.

Angela Merkel jedenfalls hat in den letzten Monaten ziemlich viel Kreide gefressen. Während die Bundesregierung vor einiger Zeit noch ein No-Spy-Abkommen gefordert und empört darauf reagiert hat, dass die US-Dienste Merkels Handy abgehört haben, scheint das alles aktuell kein Thema mehr zu sein. Diese Chronologie des Scheiterns der Bundesregierung hat Constanze Kurz – ebenfalls für die FAZ – gerade nachgezeichnet. Und alle diejenigen, die ein kurzes Gedächtnis haben, sollten den Artikel von Constanze aufmerksam lesen. Man wird nach der Lektüre nämlich nicht um die Frage herumkommen, warum weder eine deutsche Regierungschefin noch eine EU-Kommission dazu in der Lage sind, auf Augenhöhe mit den Amerikanern zu verhandeln.

Das Satiremagazin Postillon titelte: „Merkel reist in USA, um sich bei Obama für NSA-Skandal zu entschuldigen“. Selten war Satire so bitter nah an der Wahrheit.

posted by Stadler at 21:36  

8 Comments

  1. Dank DE-CIX ist das Ganze doch sowieso schon irrelevant:

    http://mikespeier.cwsurf.de/wordpress/2013/09/20/writinghelps-prism-de-cix-ein-baerendienst-fuer-die-nsa/

    Das sollte einem zu denken geben, wurde aber im Großen und Ganzen von den Medien verschwiegen!

    Comment by TmoWizard — 3.05, 2014 @ 23:46

  2. Datenschutz ist aus gutem Grund nicht Teil des Handelsabkommens TTIP. Seit dem GATS-Abkommen der WTO (Artikel XIV) werden Datenschutzregeln nicht als nicht-tarifäres Handelshemmnis gewertet, und das muss auch so bleiben. So steht es auch im Verhandlungsmandat der EU-Kommission. Die USA dagen drängen auf eine Inklusion von Datenschutz in TTIP. Jegliche „gegenseitige Anerkennung“ oder auch nur ein Kompromiss kann EU-Datenschutzstandars nur absenken. Wir haben dazu im März eine Anhörung gemacht. Gute Schlussfolgerungen daraus von Ante Wessels von FFII hier.

    Gegen die Zugriffe der US-Behörden und -Gerichte auf Daten in der EU wird nur ein entsprechender Gegendruck auf EU-Seite helfen, z.B. Artikel 43a der geplanten Datenschutzverordnung und die Strafen in Höhe von 5% des Jahresumsatzes. Nur wenn die Unternehmen so unter Druck geraten, werden auch sie sich in Washington für eine Änderung einsetzen.

    Comment by Ralf Bendrath — 4.05, 2014 @ 02:00

  3. Das mit dem „Nicht auf Augenhöhe“ ist so, wie es den Ostblockländern gegenüber der Sowjetunion ging.

    Jugoslawien hatte es geschafft. Das Ergebnis ist bekannt.

    Genauso gut bekannt ist das Ergebnis des „Nicht auf Augenhöhe“ mit der Sowjetunion für die Sowjetunion.

    Es dürfte ein Irrtum ein, davon auszugehen, dass es diesmal besser wird, weil wir es mit den USA zu tun haben.

    Es gibt gewissen Naturgesetzte, die auch für die menschliche Gesellschaft gelten. Weshalb nur gegenüber der damaligen Sowjetunion, den damaligen Comecon-Ländern?

    Nicht vergessen, es gibt noch China, Indien, Pakistan, Indonesien, Afrika und viele andere Länder, deren Interessen nicht den der USA entgsprechen.

    Comment by Rolf Schälike — 4.05, 2014 @ 09:17

  4. Sachlich gehören Regelungen zum Datenschutz natürlich in so ein Handelsabkommen. An einer Absenkung europäischer Datenschutzstandards wird ohnehin kein Weg vorbeiführen. Das könnte aber den Vorteil haben, dass dieses Niveau dann auch eingehalten und nicht wie jetzt weitgehend ignoriert wird. Wir haben faktisch auch aktuell kein hohes europäisches Datenschutzniveau. Zumindest nicht im Verhältnis zu US-Anbietern.

    Comment by Stadler — 4.05, 2014 @ 10:23

  5. Bei Megaupload wurde sogar argumentiert das die .com domain ausreicht.

    Comment by mark — 4.05, 2014 @ 14:27

  6. „An einer Absenkung europäischer Datenschutzstandards wird ohnehin kein Weg vorbeiführen“ – genau so wird das nichts mit der Augenhöhe.

    Comment by Ralf Bendrath — 4.05, 2014 @ 14:56

  7. Hat sich eigentlich schon mal irgendjemand gefragt, warum die US-Geheimdienste die gesamte Welt überwachen?

    Was würden Sie machen, wenn Sie im Zuge der Terrorismusbekämpfung rein zufällig und ungewollt, als Beifang sozusagen, die vertraulichen und geheimen Informationen aus Regierungsorganisationen fremder Länder erhalten?

    Wie würden Sie das Wissen um die Verhandlungsstrategie fremder Länder auf internationalem Parkett einsetzen?

    Selbst wenn Sie in keiner Weise böswillig wären, würden Sie nicht in Versuchung kommen, den Informationsvorsprung zu Ihren Gunsten zu nutzen?

    Würden Sie nicht in Versuchung geraten, das Wissen um die vielen kleinen schmutzigen Geheimnisse von Führungspersönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz zu Ihren Gunsten zu nutzen?

    Die eine oder andere Erinnerung an ausländische Amts- und Würdenträger?

    Ein paar schöne Leichen haben Sie da in Ihrem Keller, wäre doch zu schade, wenn jemand davon erfahren würde…

    Comment by Mafia — 4.05, 2014 @ 15:03

  8. Ein echter Ausweg wäre die absolute Transparenz. Mit der heutigen Gesetzgebung, Ethik und Moral unvereinbar.

    Deswegen die vielen Verbrechen, das immer noch währende Zeitalter der Barberei.

    Es bedarf noch viele Katastrophen, Milliarden von Toten bis sich was grundsätzlich ändert.

    Das wird allerdigs eher geschehen als das Erlöschen der Sonne.

    Comment by Rolf Schälike — 4.05, 2014 @ 16:46

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