Anhörung im Bundestag belegt: Praxis der deutschen Geheimdienste teilweise verfassungswidrig
Gestern hat der NSA-Untersuchungsausschuss den früheren Präsidenten des BVerfG Hans-Jürgen Papier, den ehemaligen Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem sowie Matthias Bäcker von der Universität Mannheim als Sachverständige angehört.
Es ging hierbei um die Frage, welche rechtlichen Vorgaben sich aus dem Grundgesetz bezüglich der Überwachung von Kommunikation und Computern ableiten lassen und welche Grundrechte durch die Praxis der Geheimdienste verletzt werden.
Die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen sind mittlerweile online:
Stellungnahme Hoffmann-Riem
Stellungnahme Matthias Bäcker
Stellungnahme Hans-Jürgen Papier
In der mündlichen Anhörung haben die Verfassungsrechtler übereinstimmend geäußert, dass der Staat verpflichtet sei, seine Bürger vor Überwachung zu schützen und beispielsweise auch eine konkrete Pflicht besteht, gegen Abhöranlagen ausländischer Staaten auf deutschem Boden vorzugehen. Papier hat u.a. darauf hingewiesen, dass die Beschränkungen, die das BVerfG für eine Vorratsdatenspeicherung vorsieht, grundsätzlich auch für Geheimdienste gelten würde. Hoffmann-Riem hat bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme ausführlich dargelegt, dass eine Pflicht zu staatlichen Schutzvorkehrungen besteht.
Bäcker hat schließlich deutlich gemacht, dass er die strategische Auslandsaufklärung des BND für rechtswidrig hält und, dass diese in ihrer jetzigen Form gestoppt werden müsse. Darüber hinaus artikulierte der Sachverständige erhebliche Zweifel an der Verfassungsgemäßheit verschiedener Vorschriften des G10-Gesetzes, u.a. an § 3 Abs. 1 und § 5 G10-Gesetz, das die sog. strategische Fernmeldekontrolle ermöglicht. Bäcker weist in seiner Stellungnahme zudem darauf hin, dass die Ermächtigung des Verfassungsschutzes in § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG nur dann verfassungskonform ist, wenn sie restriktiv am polizeirechtlichen Gefahrbegriff orientiert wird. Gerade das dürfte aber kaum der Praxis des Bundesamts für Verfassungsschutz entsprechen.
Auch die Datenübermittlung an ausländische Stellen haben die Sachverständigen als kritisch bewertet. Rohdaten dürfen nicht übermittelt werden und § 4 Abs. 4 G10-Gesetz bietet nach Ansicht Bäckers überhaupt keine rechtliche Grundlage für eine Datenübermittlung an ausländische Stellen. Bäcker weist insoweit darauf hin, dass sich einer Stellungnahme der Bundesregierung entnehmen lässt, dass die Nachrichtendienste des Bundes Datenübermittlungen ins Ausland auf der Grundlage von § 4 Abs. 4 G10-Gesetz für zulässig halten und diese auch praktizieren.
Diese Anhörung von drei der renommiertesten Verfassungsrechtlern macht deutlich, dass die aktuelle Praxis des BND und des Verfassungsschutzes in Teilen rechtswidrig ist und es dringend geboten ist, die tatsächliche Praxis der Dienste einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen.
Schön, mal wieder darüber gehört zu haben, die Bundesregierung ist taub.
So what?
Comment by Fredi — 23.05, 2014 @ 16:14
Nachsatz: Wenn wir in einem Rechtsstaat leben würden, könnte Änderung sofort herbeigeführt werden.
Deutschland ist aber kein Rechtsstaat. Da kann der Deutsche Bundestag heute 65 Jahre Grundgesetz feiern und ständig betonen, die Würde des Menschen sei unantastbar. Ein HOHN!!!
Diese Würde wird in diesem Land täglich angegriffen!
Comment by Fredi — 23.05, 2014 @ 16:24
Jetzt bräuchten wir eigentlich nur noch einen Beschwerdebefugten oder ein Organ, der die aktuellen Verfassungsrichter befasst. Oder?
Comment by Regierungs4tel — 23.05, 2014 @ 20:48
Zu meinem Eintrag unter Nr. 3: Ups, er hat sich gerade bei uns gemeldet http://m.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/der-bnd-macht-nichts-anderes-als-die-nsa/r-mitteldeutschland-a-239858.html
Comment by Regierungs4tel — 23.05, 2014 @ 20:52
Vielen Dank für die Links zu den Gutachten.
Comment by fernetpunker — 24.05, 2014 @ 03:28
Das mit der staatlichen Schutzpflicht dachte ich mir schon seit letzten Sommer. Schön, dass jetzt mal eine Einschätzung von so renommierten Staatsrechtlern dazu existiert.
Ist derzeit eigentlich eine Verfassungsbeschwerde anhängig?
Comment by Phil Master — 24.05, 2014 @ 19:46
Verfassungen sind überall auf der Welt letztlich nur bedrucktes Papier. Vor Zellulose haben Geheimdienste keine Angst.
Comment by Tim — 26.05, 2014 @ 10:09
Wie kann es eigentlich sein, daß mal wieder nur der größte Schrott zum Grimmepreis nominiert wurde und diese Blogs nicht???
23 Nominierte, davon Bildung/Politik und Co. der letzte Scheiß!
Lesen die Entscheider nicht, wenn sich hier und anderswo jemand den Arsch aufreißt, um zu informieren und zu hinterfragen? Gilt der juristische Blogger nicht? Ist ein Puber auf Datenkrake youtube nützlicher? Hat jemand die Seiten der Nominierten mal angesehen? Warum sitzt da eigentlich eine Bohlen-Jury aus Greisen und Kindern? Es soll auch noch Menschen dazwischen geben!
Mir reichts!
Comment by Silan — 26.05, 2014 @ 16:17
Die Dödel sind folgende:
Die Nominierungskommission
Die Nominierungskommission sichtet alle eingereichten Vorschläge und trifft die Entscheidung über die nominierten Internet-Angebote, die zur Preisfindung an die Jury weitergereicht werden. Die Kommission setzt sich ebenso wie die Jury aus Fachleuten zusammen, welche die unterschiedlichen Bereiche Journalismus, Wissenschaft, Gestaltung sowie die Online-Branche allgemein vertreten. Die Mitglieder der Nominierungskommission 2014 sind:
Brigitte Baetz, Jahrgang 1964, kam zum Studium der Geschichte, Politik und Romanistik von Würzburg an den Rhein nach Köln. Seit rund 15 Jahren arbeitet sie hier als Freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Medien und Politik. Sie ist u.a. feste freie Mitarbeiterin des Deutschlandfunks und betreut regelmäßig dort redaktionell die Sendung „Markt und Medien“, die sie auch moderiert. Gemeinsam mit dem Redakteur Andreas Stopp und ihren Kolleginnen Bettina Köster und Bettina Schmieding wurde sie dafür 2012 mit dem Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik ausgezeichnet. 2005 wurde sie für ein Hörfunkfeature über die Macht von Interessengruppen mit dem Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet.
Marc Bürger verantwortet das Digital Business Development der Egmont Publishing Digital A/S innerhalb des Egmont Konzerns. Egmont Publishing Digital entwickelt und betreibt digitale Produkte in den Bereichen E-Publishing, Playing & Learning und E-Commerce. Als Leiter Digital verantwortete er zuvor die Bereiche E-Commerce, Websites und Apps des Egmont Ehapa Verlags. Vor seiner Zeit bei Egmont war er als Consultant und Projektmanager unter anderem bei AM | Communications und am Adolf-Grimme-Institut für On- und Offline-Projekte tätig. Der studierte Kommunikationsdesigner startete Ende der 90er mit Projekten rund um Digital, u.a. mit digitalen Fotografie-, CD-ROM und Onlineproduktionen
Daniel Fiene (geboren 1982) ist seit 2006 bei Antenne Düsseldorf. Zunächst freie Mitarbeit, Volontariat und anschließend Redakteur im Hörfunk mit der Betreuung der Online-Aktivitäten. Zwischen 2002 und 2007 bei Radio Q, dem Campusradio für Münster und Steinfurt – in dieser Zeit war er u.a. Chefredakteur Online sowie Chefredakteur Hörfunk. Parallel dazu studierte er an der Uni Münster Neue und Neuste Geschichte. Seit 2004 produziert er zusammen mit Herrn Pähler den wöchentlichen Medienpodcast „Was mit Medien“. Hierfür sind sie von der Landesanstalt für Medien mit dem Campusradiopreis ausgezeichnet worden (2005) und wurden als Hörfunkjournalisten des Jahres beim Goldenen Prometheus (2008) sowie beim Grimme Online Award (2011) nominiert. Inzwischen läuft die Sendung wöchentlich bei DRadio Wissen. Das Team produziert zudem für das Radio Eins Medienmagazin (RBB) und Töne, Texte, Bilder (WDR 5).
Alexander Houben, Jahrgang 1975, ist seit 2005 Chef vom Dienst und Mitglied der Chefredaktion beim Trierischen Volksfreund. Zudem ist er Online-Verantwortlicher für das Medienhaus Trierischer Volksfreund. Er studierte an der Universität Trier Politologie, Anglistik und Medienwissenschaft. Während seines Studiums hat er als freier Mitarbeiter für Zeitungen, Radio und Agenturen gearbeitet. Nach dem Studium volontierte er beim Trierischen Volksfreund und hat im Anschluss zwei Jahre als Assistent der Chefredaktion gearbeitet.
Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer, Jahrgang 1956, unterrichtet Journalismus an der Hochschule Darmstadt. Nach seiner Promotion in einem kognitionswissenschaftlichen Graduiertenkolleg an der Universität Hamburg arbeitete er von 1996-1999 als Redakteur bei Spiegel Online und leitete von 2000 bis 2001 die Internet-Redaktion der ZEIT. Im Anschluss war er als Berater in Internetprojekten für die Bundeszentrale für politische Bildung und die Deutsche Welle tätig. Seit 2004 ist er Professor für Online-Journalismus in Darmstadt, mit den Schwerpunkten Multimediaproduktion und Social Media.
Esther Meier arbeitete unter anderem in der Redaktion des Kölner Stadtmagazins Kölner Illustrierte und absolvierte im Anschluss an der FH Köln den Studiengang Online-Redakteur. Dort entdeckte sie ihre Liebe für Gestaltung, Usability und Konzeption. Seit 2010 arbeitet sie gemäß dem Motto „Don’t make something unless it’s both: necessary and useful. But if it is both necessary and useful, don’t hesitate to make it beautiful.“ (Josh Porter) in international agierenden Digital- und Werbeagenturen wie denkwerk, GreyWorldwide und aktuell bei Ogilvy in Frankfurt am Main als Konzepterin für digitale Medien und User Experience Designerin. Ihre Arbeiten wurden bisher mit IF Communication Awards, dem red dot award und dem One Show Interactive Pencil ausgezeichnet.
Friederike Sobiech ist seit Mitte der 1990er Jahre im Internet kommunikativ, schreibend und gestaltend unterwegs. Nach Streifzügen in die Belletristik, Onlineliteratur-Kritik und PR-Arbeit für Christopher-Street-Days kombinierte sie dieses Erfahrungsspektrum mit ihrem Diplomstudium Architektur und Städtebau: Sie wurde Webredakteurin im Hochschulmarketing und u.a. für ihr Konzept zur onlinegestützten Kommunikation mit internationalen Gastwissenschaftlern von der Humboldt-Stiftung belobigt. Zwischen 2006 und 2011 arbeitete Friederike Sobiech als freiberufliche (Web-)Designerin und Texterin, seit 2011 als Öffentlichkeitsarbeiterin für den Berufsverband Allianz deutscher Designer (AGD).
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Diese Leute erdreisten sich, der Gemeinde vorzuschreiben, wer im Netz das beste Angebot liefert. Diese Ausgeburt des Schreckens meint, die beste Wahl zu treffen.
Ich weiß nicht, wo sich diese Leute im Netz rumtreiben, aber eines haben sie alle gemeinsam: Keine Ahnung, doch davon reichlich.
Comment by Conradius — 26.05, 2014 @ 17:38
Den Dödeln habe ich schriftlich mitgeteilt, daß der Juristen-Award an internet-law.de geht.
Aufgrund des Mutes, des Einsatzes, der Aufklärung, der guten Recherche, der Geduld mit den Foristi, des freien Zugangs zu den Blogs, für Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit.
Herrn Thomas Stadler werden daher sofort drei Awards zuerkannt:
Einen in Silber, einen in Gold und einen in Platin.
Wir danken ihm für alles, was er bisher geleistet hat, seine Mühen, Zeit und Schaffenskraft.
Hoffentlich werden wir auch weiterhin durch seine Blogs bestens informiert.
Vielen Dank.
Comment by Conradius — 26.05, 2014 @ 18:06
Dem Lob möchte ich mich anschließen. Eine Freude, diese Blogs online zu wissen.
Comment by Wolfgang Schneider — 26.05, 2014 @ 19:19
@C
Wie süß. Fundermental wichtig!! Fundermental! CCC! ;-)
Comment by Silke — 26.05, 2014 @ 19:34
Über eine Zusammenarbeit mit dem Freiheitskämpfer, fachlich versierten Juristen und Datenschützer Herrn Stadler würde sich jeder Verein freuen. Auch der CCC.
Alles Gute.
Comment by Conradius — 26.05, 2014 @ 19:50