Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.4.14

Durfte Jan Delay Heino als Nazi bezeichnen?

Jan Delay hat Heino in einem Interview als Nazi bezeichnet. In der östereichischen Zeitung „Die Presse“ sagte der Musiker auf die Frage, was er von dem Cover-Album Heinos hält, folgendes:

Das war wirklich schlimm. Wir haben extra nichts gesagt, weil wir ihm kein Forum geben wollten. Alle sagten plötzlich: Ist doch lustig, ist doch Heino. Nee, das ist ein Nazi. Das vergessen die meisten Leute, wenn die Leute über Heino reden. Der Typ hat in Südafrika während der Apartheid im Sun City gesungen. Und sein Repertoire: „Schwarzbraun ist die Haselnuß“, Soldatenlieder… Es ist schrecklich, wenn so jemand einen Song von dir singt.

Die Einschätzung Heino sei ein Nazi, stützt sich also auf den Umstand, dass Heino während des Apartheid-Regimes in Südafrika in dem Vergnügungspark Sun City aufgetreten ist sowie auf die Songtexte Heinos.

Das will sich der blonde Barde nicht gefallen lassen und hat Jan Delay zur Unterlassung aufgefordert und Strafanzeige erstattet.

Nachdem es sich bei dieser Aussage um ein Werturteil handelt, lautet die entscheidende Frage, ob die Grenze zur sog. Schmähkritik überschritten ist. Eine Schmähkritik ist nach der Rechtsprechung des BVerfG dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Bezeichnung eines Rechtsanwalt als rechtsradikal hat das BVerfG in einem entsprechenden Kontext als von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen.

Jan Delay beruft sich u.a. auf den Auftritt Heinos in Sun City und die Texte der von ihm interpretierten Lieder. Man kann also schon der Auffassung sein, dass es Jan Delay hierbei um eine Auseinandersetzung mit dem Verhalten und Wirken Heinos geht und nicht lediglich um die Diffamierung der Person. Andererseits ist die Bezeichnung Nazi nach allgemeinem Verständnis schwerwiegender als „rechtsradikal“. Man darf also durchaus gespannt sein, ob und wie die Gerichte entscheiden.

Auch wenn der Fall grenzwertig ist, tendiere ich zu einer noch zulässigen Meinungsäußerung. Man kann hier außerdem auch die Auffassung vertreten, dass es sich um eine Debatte von öffentlichem Interesse handelt, wobei Heino für eine derart scharfe Formulierung andererseits keinen konkreten Anlass gegeben hat. Der Sachverhalt ist juristisch unterschiedlich bewertbar.

posted by Stadler at 16:36  

7 Comments

  1. Ich sehe das eher nicht als geschützte Meinungsäußerung. Das Interview an sich dient letztlich geschäftlichen Zwecken und dazu passt gut, wenn man anderen, die in der eigenen Zielgruppe wildern, „kein Forum geben“ will und dann entsprechend nachlegt. Es mag durchaus sein, dass er Heino wirklich so einschätzt – und vielleicht wirklich damit Recht hat, aber nach meiner Meinung ist das nicht unbewusst dahergeredet und deswegen nicht schützenswert, sondern Kalkül, um die eigene Zielgruppe, jung, links, zufriedenzustellen – völlig in Ordnung, aber nicht auf Kosten anderer.

    Comment by Hm — 25.04, 2014 @ 20:34

  2. Auch wenn der Fall grenzwertig ist, tendiere ich zu einer noch zulässigen Meinungsäußerung.

    Absolut. Ich vertrete die gleiche Ansicht.
    Es kann auch allein schon aus dem Grund gar keine „Beleidigung“ sein (Sorry, aber für den Begriff „Schmähkritik“ finde ich einfach keine eindeutige Definition finden, weswegen ich diesen Begriff auch nicht in meinen Wortschatz aufnehmen möchte), weil es schlicht und einfach keine Nazis mehr gibt. Gott sei Dank! Bzw.: Die hand voll Nazis, die es noch gib (also die noch lebendig unter uns weilen), dürften mittlerweile so um die 90 sein…
    Für mich persönlich ist das also ungefähr so, als hätte der Typ zum Beispiel gesagt, Heino sei ein Außerirdischer…
    Ich weiß, daß das für viele jetzt als bloße Wortklauberei rüberkommen mag, aber beim Thema Meinungsäußerung darf man m.E. ruhig etwas genauer sein…i.S.v. pro „Freedom of speech“.
    Wäre ich persönlich also der entscheidende Staatsanwalt, würde ich die Strafanzeige einstellen.
    Damit zu der Frage, was denn wäre wenn der Typ z.B. gesagt hätte Heino sei ein Neo-Nazi. Diese Leute gibt es ja leider auch noch heute, also im Jahre 2014. Für mich persönlich wäre das zwar eine Beleidigung, allerdings im Bagatellbereich.

    Bitte nicht falsch verstehen: Selbstverständlich muss man sich nicht alles gefallen lassen und als vermeintlicher (Neo-Nazi) bezeichnet zu werden ist natürlich unterste Schublade. Mich persönlich kotzt das eh an, daß in vielen Diskussionen viel zu oft direkt diese „Karte“ gezogen wird.
    Gleichzeitig verstehe ich aber auch nicht, weshalb so viele Menschen wegen jedem Scheiß direkt zum Anwalt rennen um irgendein gesprochenes Wort sowohl strafrechtlich (!) in Form einer Strafanzeige als auch zivilrechtlich in Form einer Unterlassungserklärung ahnden zu lassen. Insbesondere im vorliegenden Fall, bei dem einem Heino in Deutschland eine riesige (Medien-)Plattform zur Verfügung steht, auf der er sich effektiver wehren könnte. Ein „Normale“ hat diese Möglichkeiten nicht.

    Außerdem: Das Ganze ist m.E. sowieso nicht im verfolgungswerten öffentlichen Interesse.

    Naja, das aber nur meine persönliche MEINUNG.

    LG, Baxter

    Comment by Baxter — 25.04, 2014 @ 23:30

  3. Nachtrag (Persönliche Begründung zur persönlichen Meinungsäußerung):

    Außerdem: Das Ganze ist m.E. sowieso nicht im verfolgungswerten öffentlichen Interesse.

    Nicht alles, das Menschen betrifft die man evtl. aus den Medien kennen mag ist meiner Meinung nach automatisch von öffentlichem Interesse. Nur weil sich aktuell 2 Menschen zanken, die irgendwelche Liedchen trällern welche ab und zu in Funk und Fern gespielt werden, muss der Ausgang dieser Zankerei noch lange nicht für +80 Millionen Bürgern von Interesse sein. Inwiefern ist die Allgemeinheit denn hier betroffen?
    Im Gegenteil sogar: Ich persönlich sehe keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb hierfür Steuergelder für eine etwaige staatsanwaltschaftliche Tätigkeit verschwendet werden sollten.
    Ob Jan Delay seine Behauptung in dem Interview aus PR-Gründen oder aus Überzeugung kund getan hat ist genauso spekulativ, wie die Frage ob Heino tatsächlich die Ansichten der Nationalsozialisten teilt oder ob dem nicht so ist. Zumindest gibt es meines Wissens nach weder für das Eine noch für das Andere irgendwelche handfesten Belege.
    Bei aller persönlichen Abneigung gegenüber Neo-Nazis, sind für mich jedenfalls die vorgebrachten Argumente seitens Jan Delay etwas zu dürftig um als etwaiger Beleg durchzugehen. Von daher im Zweifel für den Angeklagten sozusagen…
    Somit wäre die Meinung von Herrn Delay im Grunde zwar als unbewiesene Tatsachenbehauptung zu werten, welche m.E. aber durchaus noch als freie Meinungsäußerung durchgehen kann (s.o.).

    Ein öffentliches Interesse, welches unter anderem auch strafrechtlich relevante Ermittlungen rechtfertigen würde, kann ich persönlich bei aller Liebe jedoch nicht erkennen. Ich bin allerdings auch kein Anwalt, also kein diesbezüglicher Fachmann, sondern äußere lediglich meine persönliche Meinung als „normaler“ Bürger.
    Zudem kommentiere ich diesen blog-Beitrag wegen der Sache, also wegen des Themas „Meinungsäußerung“ und nicht etwa wegen der Personen Jan Delay bzw. Heino.
    Die gehen mir -mit Verlaub- am Arsch vorbei und deren öffentlich in den Medien ausgetragene Zankerei erinnert mich eher an Kleinkinder die sich wegen des berühmten Förmchens streiten welches der eine dem anderen weggenommen hat…

    Comment by Baxter — 26.04, 2014 @ 01:29

  4. „Nazi“ ist nun mal leider in der Umgangssprache immer öfter die Kurzform von „Rechtsradikal“ – auch wenn es nicht korrekt ist, aber „ey der is voll der Nazi“ bedeutet idR nichts weiter als: Rechtsradikal. Genauso: „ey voll der Fascho!!!“. Wenngleich die eigentlichen Begriffe (Nationalsozialist, Faschist, Rechtsradikal) nicht wirklich die gleiche Bedeutung haben (laut Lexikon usw), so werden sie in der Umgangssprache vermengt. D.h. wenn jemand „Nazi“ sagt, dann muss man das im gesellschaftlichen und sprachlichen Kontext betrachten und sollte zu dem Schluss kommen, dass „Nazi“ nicht schlimmer ist als „Rechtsradikal“.

    Ansonsten wurde Bezug auf Auftritte und Songtexte genommen und damit ein objektiver Hintergrund geschaffen, der auch eine solche Ausdrucksweise rechtfertigt.

    Ich wäre irritiert wenn der Heino mit der Klage eine Chance haben sollte… es sei denn der Richter hört seine Musik…

    Comment by maSu — 26.04, 2014 @ 02:37

  5. Wahrscheinlich leben Juristen noch in der Vergangenheit, aber Nazi heißt heute einfach nur rechtsextrem, genauso wie Zecke linksextrem bedeutet.

    Die vermeintlich „besondere Bedeutung“ des Wortes Nazi ist schon lange verflogen, die Robenwachteln bekommen vieles nicht mit.

    Zeitgeist zum Beispiel.

    Comment by Linus — 5.05, 2014 @ 17:47

  6. Info: Heino ist auch nicht rechtsradikal, sondern konservativ mit einer guten Portion Humor.

    Comment by Linus — 5.05, 2014 @ 17:50

  7. Heino sollte so etwas an sich abprallen lassen. Man sollte Begriffe wie „Ehre, Ehrverletzung“ u.a. neu überdenken und in der Erziehung darauf hinarbeiten, diese altertümlichen Begriffe in den gleichen Sarg zu verfrachten, wie „gottlos“ oder „Heide“.

    Comment by Dr.Klusenbreuker — 7.05, 2014 @ 12:48

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