Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.12.13

Das zweifelhafte Geschäftsmodell der Abmahnkanzleien

Dass das Prinzip der Massenabmahnungen im Bereich des Filesharing und neurdings auch Streaming mit den Vorgaben des anwaltlichem Berufs- und Gebührenrechts schwerlich vereinbar ist, habe ich schon vor längerer Zeit in verschiedenen Blogposts am Beispiel der Kanzlei Kornmeier und auch der Kanzlei U&C erläutert. Die Kanzlei Kornmeier ist in einem Einzelfall sogar einmal beim Amtsgericht Frankfurt mit einer Klage auf Erstattung von Anwaltskosten gescheitert, weil sie mit ihrem Mandanten nicht auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abgerechnet hatte.

Diese Diskussion erhält aktuell gerade neue Nahrung durch Veröffentlichungen der Piratenpartei und durch ein Interview mit Rechtsanwalt Urmann bei ZEIT-Online, in dem er meines Erachtens relativ entlarvend von der Zulässigkeit von Erfolgshonoraren spricht. Das deutsche Recht lässt Erfolgshonorare allerdings nur mit deutlichen Einschränkungen zu.

Das grundlegende Problem ist dennoch ein anderes. Denn von dem Abgemahnten kann nur dasjenige Anwaltshonorar erstattet verlangt werden, das zwischen der Abmahnkanzlei und ihrem Mandanten tatsächlich vereinbart ist. Wenn die Zahlung des (vollen) Honorars nach RVG nicht vereinbart ist, dann besteht auch kein entsprechender Erstattungsanspruch gegenüber dem Abgemahnten.

Der BGH hat mit Urteil vom 05.10.2010 (AZ: VI ZR 152/09) zum wiederholten Male entschieden, dass es Voraussetzung eines Anspruches auf Erstattung von Anwaltskosten ist, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zu seinem Anwalt tatsächlich zur Zahlung der Anwaltskosten verpflichtet ist (so bereits BGH, NJW 2000, 3712, 3715). Der BGH hat in der genannten Entscheidung vom 05.10.2010 insbesondere darauf hingewiesen, dass das Gericht insoweit Feststellungen zum Inhalt des dem Anwalt der Klägerin erteilten Auftrags zu treffen hat. Der BGH betont in der genannten Entscheidung ausdrücklich, dass es sich bei der Frage der Erstattung der Kosten im Außenverhältnis um eine echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzung handelt. Der klagende Rechteinhaber müsste folglich darlegen und beweisen, auf welcher Basis seine Rechtsanwälte im Innenverhältnis mit ihm abrechnen.

Wenn also beispielsweise auf Grundlage von Pauschalvergütungsvereinbarungen oder auf Basis von Erfolgshonorar abgerechnet wird, scheidet ein (voller) Kostenerstattungsanspruch, der sich nach den Gebühren des RVG bemisst, aus.

Man muss also den mit Filesharing-Klagen befassten Gerichten Einseitigkeit vorhalten und vor allem, dass sie die Vorgaben der BGH-Rechtsprechung ignorieren. Während den Beklagten regelmäßig eine überzogene Darlegungslast aufgebürdet wird, müssen die Rechteinhaber nicht einmal dasjenige darlegen, was nach der Rechtsprechung des BGH geboten ist.

posted by Stadler at 10:54  

14 Comments

  1. Wir hatten im Mittelalter auch schon einmal eine überzogene Darlegungslast, z.B. bei der Hexenverfolgung.
    Scheints ist man bei den deutschen Gerichten nur soweit gekommen, dass man keine „Hexen“ mehr verbrennt, aber die Denunzierungslast ist geblieben.

    Comment by Frank — 19.12, 2013 @ 11:05

  2. Die mir gemailte Meinung eines Experten, die ich auf Richtigkweit nicht überprüft habe:

    Die Presse dürfte diesem Urmann nicht die Plattform geben, sich äussern zu dürfen.

    Er ist ein A. und ein Verbrecher. Die Richter in Köln sind getäuscht worden! Es gibt keine Firma, die Rechte hat, es gibt keine Firma, die die IUP-Adressen auswerten kann. Das Ganze ist Computerbetrug. Die Nutzer waren nie auf Redtube!

    Die sind mit Manipulationen von Webseiten, die die Betrüger extra eingerichtet haben, auf Seiten umgeleitet worden. Ohne ihr Zutun und
    ohne ihr Wollen, wurde eine betrügerische Verlinkung auf einzelne bei Redtube gelagerte Pornofilme hergestellt. Nutzer, die ihren Browserverlauf nachvollziehen konnten, landeten
    ungewollt auf retdube.com !!!

    Ein schöner Buchstabendreher!!

    Das ist ein gross angelegter Betrug, Urmann ist nur das letzte A. in der Kette, dem wird nix passieren, auch wenn er von Anfang an daran
    beteiligt wäre. Da müsste die Kripo schon ewig die Handies abgehört haben…

    streaming = urheberrechtsverletzung? Völlig hirnrissig.

    Tatsache ist: Der A-ANwalt Urmannb gibt selber zu, mit p2p ist kein Geld mehr zu machen. Also will er ein neues fass Aufmachen, er testet….

    Ich hoffe, die kriegen richtig Ärger, bezweifele aber, dass man die Hintermänner erwischt! Die haben Strohmänner und diese kriegen
    möglicherweise richtig Ärger, wenn Spezialisten ermitteln würden.

    Das Ganze ist eine Bande um Digiprotect und Moses Pelham, Xavier Naidoo, und wie sie alle heissen.

    Die sind schon mit Digiprotect pleite gegangen, das wird hier genauso passieren. Viel heisse Luft um nix.

    Jeder Abgemahnte sollte negative Feststellungsklage machen, dann wäre
    die A-Anwalt Urmann platt: -)

    Comment by Rolf Schälike — 19.12, 2013 @ 11:20

  3. Das ist alles schön und richtig was hier steht. Dennoch gehe ich davon aus, dass man mit diesem Argument auch auf Dauer nicht wirklich erfolgreich sein wird. Letztlich ist es einfach nicht zu verhindern, dass die Gelder zwischen dem Abmahnanwalt und seinem Mandanten in wirtschaftlicher Sicht „aufgeteilt“ werden.

    Selbst wenn die Instanzgerichte die vom BGH geforderten Voraussetzungen überprüfen würden, wäre es für die Abmahner mit Sicherheit kein Problem, entsprechende Vereinbarungen (nach RVG) vorzulegen und ggf. auch entsprechende Zahlungen nachzuweisen.

    Im Nachgang benötigen die Beteiligten dann nur ein bisschen Phantasie, um im Rahmen anderer Geschäfte (Beraterverträge, andersartige Beteiligungen etc.) Gelder an die Mandanten zurückfließen zu lassen. Und Phantasie haben die Jungs ja, das zeigen sie immer wieder.

    Comment by Lutz — 19.12, 2013 @ 12:13

  4. U+C Rechtsanwälte wehren sich gegen eine falsche Pressemitteilung des Landgerichts Köln
    vom 17.12.2013 – 15.53 Uhr.
    Die von Herrn Oberstaatsanwalt Bremer gemachte Feststellung, U+C Rechtsanwälte stehe im
    Verdachte, eine falsche eidesstattliche Versicherung gegenüber dem Landgericht Köln abgegeben
    zu haben ist offensichtlich falsch, da U+C Rechtsanwälte an dem Verfahren des Komplexes
    (Redtube.com) beim Landgericht Köln nicht beteiligt waren.
    U+C Rechtsanwälte haben daher die Staatsanwaltschaft Köln aufgefordert, bis spätestens
    heute 19.12.2013 – 14.00 Uhr eine Richtigstellung dieser falschen Presseerklärung zu veranlassen,
    andernfalls wird U+C Rechtsanwälte rechtlich gegen diese verleumderische Behauptung
    vorgehen.
    Thomas Urmann
    Rechtsanwalt
    Nachfrage für die Presse:
    Rechtsanwalt Thomas Urmann
    Telefon: 0941- 899 648-0
    presse@urmann.com
    …..@gmx.de

    Comment by beobachter — 19.12, 2013 @ 13:51

  5. @ Stadler:
    Das ist doch das alte Problem bei den Abmahnungen, vorallem im Urheberrecht, denn dort trifft es „Konsumenten“, also interessiert es keinen, anders als im Wettbewerbsrecht, wo man vielleicht mal als Richter, denken mag oh, das könnte auch den „Händler meines Vertrauens“ treffen und dann ist der pleite.

    Aber was interessiert es einen Amtsrichter, von mir aus in München, ob irgendeine Privatperson in Emden oder sonst so in Deutschland, ein paar hundert oder tausend €uros auch einen Rechtsanwalt zahlen muss?

    Der Richter freut sich, dass er durch diese Klagen eine R1 / R2 Stelle hat und die bringt 3.700 € und mehr im Monat.

    Da wird sich der Amtsrichter oder die Kasmmer am LG sicher nicht den Kopp drum machen, ob der RA auch sauber abgerechnet hat.

    Das wäre wenn eine Sache für Staatsanwaltschaften und die Steuerfahndung.

    Comment by Anonymous — 19.12, 2013 @ 14:54

  6. @4

    Mist, ist ja schon 15:30. Frist verpasst… :-)

    Comedy at its best!

    Naja, jetzt wo die Staatsanwaltschaft Köln eh schon mal im Aktenkeller vom LG Köln rumkramt, können die in Einem ja ein paar filesharing-Akten vom Hr. Urmann mitnehmen. Da sind bestimmt genug falsche eidesstattliche Versicherungen dabei und Betrug verjährt m.W.n. erst nach 5 Jahren.
    (Oh je… der arme Herr Florian B. z.B. … doch noch nicht zu Ende, Junge!)

    Comment by Baxter — 19.12, 2013 @ 15:40

  7. Das ist eine wirklich widerlicher Fall. Und dann noch die Dreistigkeit besitzen in den Medien weiter Angst zu schüren und sich selbst darstellen…

    Traurigerweise weiß man in unserem Rechtssystem nicht, ob der nicht doch damit durchkommt…

    Comment by Mike — 19.12, 2013 @ 16:18

  8. Kann man eigentlich (als Bürger, der selbst kein Jurist ist) auch Abmahnkanzleien abmahnen (lassen)? Das wäre u. U. ein interessantes und lukratives „Gegen-Geschäftsmodell“.

    Comment by tux — 19.12, 2013 @ 19:13

  9. Die Angst ließe sich nicht doch gar nicht erst schüren, wenn die Journaille endlich mal ihren Job machen würde! Im Zeit-Interview wurde bspw. nicht nachgehakt, wie Urmanns auf die abstruse Idee kam, den §44 in diesen Fällen als nicht anwendbar zu betrachten. Genau dieser gilt hier, weil eben KEIN UPLOAD stattfindet. Da kann er sich drehen wie er will. Und meines Wissen nach stützt sich die herrschende Meinung auch nicht auf die Interpretationen irgendwelche Abzockanwälte.

    Comment by Moon — 20.12, 2013 @ 08:45

  10. Lieber Herr Stadler,

    passend zum Thema hier eine Infografik/Mindmap der an der RedTube Abmahnwelle beteiligten Personen und Firmen und ihrer mutmaßlichen Verstrickungen:

    http://goo.gl/1EVukA

    Comment by Lucas — 20.12, 2013 @ 11:56

  11. Es könnte sein, dass Urmanns die hier angeprangerten Dinge vollkommen egal sind. Ich schätze, sie rechnen mit negativen Feststellungsklagen. Dem Anwalt kann das vollkommen am A**** vorbei gehen. In gewisser Weise ist Urmann bzw. seine Hintermänner genial…

    a) ist die Konstruktion aus Firmen, Rechteinhabern und Umleitungsseiten so, dass niemand wirksam gerichtlich angreifbar ist.

    Siehe http://img1.picload.org/image/owoglli/infografik-strea.png

    b) Ein Verdienst der Anwälte ist durch bezahlte Abmahnungen sicher schon erfolgt.

    c) ist nicht die Abmahnung das konkrete Ziel. Ziel ist es, dem Urheberrecht – so wie die Medienindustrie das versteht – mit allen Mitteln durchzusetzen. Internetnutzer sollen Angst haben, sich auf Seiten außerhalb der Medienindustrie begeben.

    d) verhelfen die Medien der Industrie dazu, in den Köpfen zu verbleiben und das Problem „am Kochen zu halten“. Die Medien haben ein gewisses eigenes Interesse daran. Damit wird nicht zuletzt Druck auf die Politik ausgeübt.

    Schuld ist der Gesetzeswusel aus Zivilrecht, Abmahnrecht mit einer unzureichenden Definition von Geschäftsmäßigkeit, das mangelhafte Urheberrecht und selbstverständlich auch die „Einseitigkeit“ oder besser Überforderung der Gerichte.

    Schuld ist der Gesetzgeber. Das gibt sogar Urmann ganz selbstverständlich zu. Bevor sich da nicht etwas ändert ist nicht viel mehr zu machen als aufzuklären.

    Comment by Joachim — 20.12, 2013 @ 15:26

  12. Die Richter zücken die rote Karte

    http://www.lawblog.de/index.php/archives/2013/12/20/redtube-richter-zuecken-die-rote-karte/

    Comment by Franzy — 20.12, 2013 @ 16:12

  13. Pressemiteilung von heute Landgericht Köln

    http://www.lg-koeln.nrw.de/Presse/Pressemitteilungen/

    Comment by Franzy — 20.12, 2013 @ 17:34

  14. Urmann scheint auch mal (anscheinend erfolglos) Würstchen produziert
    zu haben:

    http://www.myheimat.de/dillingen/politik/rettung-der-arbeitsplaetze-bei-der-firma-schwarz-in-gundelfingen-d49139.html

    http://www.augsburger-allgemeine.de/guenzburg/Schwarz-schliesst-Filialen-id6836221.html

    http://www.augsburger-allgemeine.de/dillingen/Schwarzer-Tag-fuer-die-Gundelfinger-Wurstfabrik-id8599161.html

    Comment by Andreas — 21.12, 2013 @ 09:49

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