Die Post-Privacy-Falle
Michael Seemann – aka mspro – ist seit Jahren einer der Protagonisten der Post-Privacy-Debatte. Seine nicht ganz neuen Thesen durfte er aktuell im Lichte der NSA-Affäre für ZEIT-Online wieder einmal aufwärmen. Warum die Verfechter einer Post-Privacy-Gesellschaft zwar in Teilen eine zutreffende Zustandsbeschreibung liefern, aber im Ergebnis zu falschen und gefährlichen Schlussfolgerung gelangen, habe ich vor zweieinhalb Jahren bereits einmal ausführlich erläutert. Der Titel meines damaligen Beitrags lautete „Von der informationellen Selbstbestimmung zur informationellen Fremdbestimmung“. An den Argumenten hat sich auch durch die NSA-Affäre nichts verändert, ganz im Gegenteil.
Man kann die Zustandsbeschreibung Seemanns teilen, wonach Privatheit oder informationelle Selbstbestimmung für viele Menschen keinen Wert mehr darstellt und ihnen auch nicht klar ist, warum dieser Grundwert, der durch ein Grundrecht geschützt ist, in der modernen Gesellschaft überhaupt noch von Relevanz sein sollte. Die NSA-Affäre bewegt die Menschen deshalb nicht, weil die Rechtsverletzung die dort stattfindet, den meisten Menschen zu abstrakt ist und viele auch meinen, sie seien davon nicht betroffen. Das Manko besteht also darin, dass es der Netzgemeinde und den Bürgerrechtlern bisher nicht gelungen ist, die Rechtsverletzungen durch Geheimdienste zu illustrieren, sie ausreichend zu veranschaulichen.
Wer wie Seemann das Ende des Privatsphärenbegriffs postuliert, um dann im selben Atemzug zu erklären, dass die NSA die Demokratie bedroht, eröffnet damit nur ein neues Paradoxon und gibt zu erkennen, dass sein Denken von einem tiefen Unverständnis des Wesens der Freiheitsrechte geprägt ist. Würde etwa jemand ernsthaft behaupten wollen, die Versammlungsfreiheit sei am Ende, nur weil sich die Gesellschaft gerade in einer Phase befindet, in der immer weniger Menschen bereit sind, für ihre Überzeugung auf die Straße zu gehen? Wohl kaum. Ebensowenig wird man das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung für beendet erklären, nur weil viele Menschen sich daran gewöhnt haben, ihre Daten bereitwillig preiszugeben.
Es gilt zu erkennen, dass das was Seemann als Privatsphäre oder Privacy betrachtet, nur einen Baustein im Gesamtkonzept der Freiheitsrechte darstellt. Allen Freiheitsgrundrechten gemeinsam ist der Ansatz, dass man als Bürger das Recht hat, vom Staat möglichst in Ruhe gelassen zu werden. Wenn dieses Recht am Ende ist, dann gibt es gar keine Handhabe mehr gegen Überwachung. Wer Privatheit für erledigt erklärt, der erklärt damit das Konzept der Freiheitsrechte insgesamt für gescheitert.
Das Gegenteil von Privacy ist die Transparenz aller Daten. Transparenz bedeutet Kontrolle. Aus diesem Grunde muss der freiheitlich-demokratische Staat, der vom Spannungsverhältnis Staat-Bürger geprägt ist, dafür sorgen, dass die öffentliche Gewalt transparent agiert und maximal kontrolliert wird, während dem Bürger die größtmögliche Intransparenz zuzubilligen ist. Wer das Ende der Privatheit propagiert, ermöglicht damit den gläsernen und transparenten Bürger. Diese Forderung steht deshalb in der Tradition der Unfreiheit. Die Vorstellung von einer Gesellschaft, die keine Privatssphäre mehr kennt, atmet den Geist des Totalitarismus.
John F. Nebel hat in einer lesenswerten Replik auf die Thesen Michael Seemanns darauf hingewiesen, dass das Postulat vom Ende der Privatheit nichts an den Machtverhältnissen ändert. Die Mächtigen werden nach dem Ende der Privatheit nicht nur weiter überwachen, sondern sie werden dies sogar noch unbeschwerter und exzessiver tun können. Denn das Abwehrrecht des Bürgers, das wir in Deutschland als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kennen, gibt es als Korrektiv dann ja nicht mehr. Der These, wonach der Begriff der Privatsphäre nicht mehr als Argument gegen Überwachung taugt, ist daher vehement zu widersprechen. Das Recht auf Privatsphäre ist vielmehr das Einzige, was wirklich als Argument gegen staatliche Überwachung taugt. Das Bundesverfassungsgericht hat die informationelle Selbstbestimmung aus gutem Grund auch aus der Menschenwürde hergeleitet. Jeder Mensch muss nämlich das Recht haben, sich als Individiuum in Freiheit selbst zu verwirklichen und er muss sich keiner Behandlung aussetzen, die ihn zum bloßen Objekt von Machtinteressen degradiert. Und genau darum geht es sowohl in der Überwachungs- als auch in der Privacy-Debatte. Wir müssen die Bedeutung von Privatheit besser und vor allen Dingen anschaulicher erklären. Es gibt keine anderen geeigneten „Narrative“ und auch Michael Seemann erklärt nicht, wie er die Debatte anders führen will. Es wäre für Seemann jetzt endlich an der Zeit gewesen, einen konstruktiven Ausweg aus der „Privatsphären-Falle“ aufzuzeigen. Aber einen solchen Vorschlag bleibt er einmal mehr schuldig.
Post privacy und informationelle Selbstbestimmung schließen sich auf keinen Fall aus. Die Entscheidung in vielen Dingen keine Privatsphäre mehr haben zu wollen, gehört nun mal zur Selbstbestimmung. Zudem steht außer Frage, dass die Publikation aus der Privatsphäre heraus selten 100% ist und auch nie werden wird.
Daher sind die (vielleicht wenigen) Bestandteile, die man tatsächlich privat halten will, um so schützenswerter.
Comment by Aljoscha Rittner — 15.10, 2013 @ 12:45
Es ist sicher richtig, dass die Behauptung, Transparenz würde etwas an den Herrschaftsverhältnissen ändern (Macht ist nochmal etwas anderes), völlig naiv ist. Gleichwohl hat Seemann recht, wenn er den Finger in eine bestimmte Wunde legt: Seit den 1980ern wird die Öffentlichkeit seitens datentechnikaffiner Bürgerrechtler mit Überwachungs-, Bedrohungs-, Kontroll- und sonstwas-Szenarien bombadiert. Ununterbrochen finden Aufklärungsversuche statt: Von einem Wau Holland in den tagesthemen der 1980er bis hin zu Kryptopartys und Parteigründungen heute. Der Effekt auf den öffentlichen Diskurs ist zu vernachlässigen und wird bestenfalls in den Feuilletons größerer Zeitungen ausgetragen, ohne von hier aus einen nennenswerten Effekt zu erzeugen.
Diese Diagnose, die Seemann und Konsorten ja stellen, einfach zu negieren, indem dem durchaus „problematischen“ Post-Privacy-Diskurszusammenhang die eigenen Schwächen vordekliniert wird, entlastet aber nur scheinbar davon, die eigenen Voraussetzungen zu hinterfragen. Dass es überhaupt sinnvoll möglich ist, eine Post-Privacy-Position zu vertreten, zeigt, dass dem Privatsphären-Argument die Selbstverständlichkeit abhanden gekommen ist, die dessen Vertreter_innen ihm noch immer andichten wollen. Es bekümmert mich, dass dieses Problems seitens der einschlägigen Aktivisten trotz grandiosen Engagements nicht einfach einmal reflektiert wird.
Kurz: Sicher ist Seemanns Beitrag, trotz richtiger Diagnose, nicht konstruktiv, aber das entlastet nicht seine Gegner davon, konstruktiv mit seiner Diagnose umzugehen. Mir scheint, man möchte Seemann und Konsorten nicht einmal einen kleinen Sieg gönnen und beraubt sich selbst damit des Potentials für kritische Fragen:
Wenn Privatheit so wichtig ist, wieso zur Hölle juckt die NSA dann keine Sau?
Comment by Kai Denker — 15.10, 2013 @ 12:48
Sehr weitgehende Zustimmung! Mir fehlt in der Debatte allerdings ein Schlüsselbegriff und ein entscheidender Akteur: „Vertrauen“ und „Wirtschaft“. Dass man staatliche Strukturen mittels Transparenzregeln vollständig kontrollieren kann, ist eine m. E. unzutreffende Suggestion des Digitalzeitalters. Evgeny Morozov würde dies vermutlich „Solucionism“ nennen. Kontrolle kann Vertrauen nicht ersetzen, Lenin hin oder her. Eine Demokratie braucht verlässliche Institutionen, denen man den Public Value anvertrauen kann, ohne sich immer abends die Sitzungsprotokolle durchlesen zu müssen. Außerdem kommt mir die datenhungrige, weitgehend deruglierte Rolle der Digital-Ökonmie häufig zu kurz. Es ginge vielleicht etwas weniger polemisch als bei Schirrmacher. Aber der globalisierte Informationskapitalismus bedroht ebenfalls die Grundrechte des Einzelnen.
Comment by Dirk Hansen — 15.10, 2013 @ 12:59
@2: Auch hier noch mal der Hinweis auf die Diskussionsansätze aus den 80er Jahren, die endlich mal wieder aufgegriffen werden sollten:
http://kritikresistenz.blogsport.de/2013/10/12/post-privacy-ist-sowas-von-eighties/
Comment by V. — 15.10, 2013 @ 13:34
Ich habe einmal das Thema „Überwachung bzw. Internet“ im – nicht repräsentativen – Freundes- und Bekanntenkreis (von Jung bis „Alt) andiskutiert. Hier lose zusammengefasst:
a) Ich habe eine „Feuerwall“, mir kann nichts passieren..“
b) Was für einen browser benutzt Du?= Gar keinen, ich nehme meinen explorer.
c) Meine Fingerabdrücke können die haben. Ich bin dafür,
dass jeder sie abgeben soll, und die DNA gleich mit.
Erleichtert die Arbeit der Polizei, endlich können
Verbrecher gezielt gefangen werden.
d) Wir können doch keine Verbrecher schützen.
e) Meine Daten kann jeder haben. Ich habe nichts zu
verbergen.
f) Facebook ist klasse.
g) Kennst Du cookies und tracker im internet?=Ne, so
etwas benutze ich nicht.
h) Hast Du das Passwort in Deinem router schon mal ge-
ändert?=Verstehe die Frage nicht. Muss man das? Ich
glaube nicht, dass ich soetwas überhaupt habe.
i) Ich mag Geheimdienste auch nicht. Aber wie sollen die
denn ohne Überwachungsinstrumente Verbrecher und
Terroristen fangen? Die sollen dies ruhig tun. Ich bin
für die ohnehin völlig uninteressant?
j) Die Politiker mach doch so wie so was sie wollen!
Ich breche ab, war frustiert. Für mich klar: niemand
fühlte sich betroffen, das Thema war zu komplex. Deshalb
auch keine breite Besorgnis, was Bürgerrechte betrifft.
Comment by GustavMahler — 15.10, 2013 @ 14:01
Ausreichend veranschaulichen?
Bieten wir dem Bürger doch ein kostenloses Servicepaket an:
– Alle Vorhänge abhängen und entsorgen
– Türschlösser ausbauen
– Steuer- und Rentenbescheide sowie Liebesbriefe öffentlich aushängen
– monatliche Mitteilung an Arbeitgeber und Krankenkasse/Versicherer: Welche Medikamente wurden genommen, wieviel Alkohol/Nikotin/etc wurde konsumiert, welche Speisen wurden verzehrt, welche Risikosportarten wurden ausgeübt
Dazu fallen einem sicher noch weitere Nettigkeiten ein. Was würden denn die im Kommentar #5 genannten Bekannten darauf antworten?
Comment by Roland Köhler — 15.10, 2013 @ 14:44
man könnte die diskussion mit der weitverbreiteten eigenart, grosse fenster in hauswände zu integrieren, vergleichen. glas ist nicht einbruchsicher, jeder kann mich, vor allem wenn es draussen dunkel und drinnen hell ist, in meiner unmittelbaren privatsphäre beobachten. jeder, der interesse und zwei augen hat, weiss, was ich esse, mit wem ich schlafe, wann ich zu hause bin und wann nicht usw.
trotzdem, ist die mehrheit der meinung, dass grosse fenster die lebensqualität deutlich steigern und diese sache ist nicht tot zu kriegen. wer es nicht ganz so öffentlich mag hat vorhänge oder eine geschickte beleuchtung. wer angst hat, dass jemand einfach die scheibe einschlägt und hineinspaziert, hat läden oder panzerglas installiert usw.
wenn ich all das, was smartphones und internet so bieten, einfach so nutze, hat jeder, der die technischen mittel hat, detaillierten zugriff auf mein privatleben. wenn mich das stört, kann ich es ihm schwieriger machen (verschlüsselung, vpn, datensparsamkeit usw.).
in der aktuellen debatte wird gern der blick für die verhältnismässigkeit vergessen. tatsächlich handelt es sich wie beim fensterglas um abgestufte wahrscheinlichkeiten von unsicherheit. diesen bin ich eben gerade nicht bedingungslos ausgeliefert, sondern ich kann meinem individuellen risikoempfinden gerecht werden, in dem ich mit all diesen dingen entsprechend umgehe.
dazu brauche ich kein hysterisches warngeschrei und auch nicht schon wieder mutti staat, die alles mit tollen gesetzen regelt. das einzige, was sich auf diesem gebiet zu diskutieren lohnte, wäre das prinzip der „fruit of the poisonous tree“, aber auch das geht im empörten warngeschrei leider völlig unter.
Comment by golda meir — 15.10, 2013 @ 15:54
Ich vermute, die unausgesprochene zentrale These von Post Privacy ist, dass wenn jeder alles von jedem wüsste, keiner Macht über den anderen haben könnte. Wenn A zu B sagt, „Hey, ich möchte dich erpressen, wegen deiner Affäre mit C“, dann sagt B „Versuch es doch! Weiss doch eh schon jeder, steht ja bei Twitter, ausserdem bist du ein Steuerhinterzieher, ätsch!“. Der Umkehrschluss zu Eric Schmidts „Wenn du nicht willst, dass man X über dich weiss, solltest du X unterlassen“ hiesse im Umkehrschluss „Wenn jeder alles weiss, dann ist alles normal und nichts mehr schlimm.“
Vergessen wird dabei, dass wir eine Gesellschaftsform haben, deren Werte von Menschen bestimmt werden, die mehrheitlich nicht liberal sind. Die Vorlieben der Minderheiten kämen deshalb unter die Räder. Es gibt massive Asymmetrien der Macht, die man vorher abschaffen müsste, um als Minderheit die Freiheit zu haben, sich einen Dreck um die Meinung der Mehrheit scheren zu können.
Comment by Ein Mensch — 15.10, 2013 @ 16:46
Vorweg, ich bin beruflich im Geheimen tätig.
Für uns in der Intelligence Community könnte es derzeit nicht besser laufen. Sicherlich hat Edward Snowden mit seinen Enthüllungen etwas Unruhe bei uns ausgelöst und wir mussten die Desinformationsaktivität signifikant erhöhen. Aber letztendlich sind Edward Snowdens Enthüllungen langfristig ein Geschenk für unser Metier.
Nun wissen wir endgültig, dass wir mit keinem nennenswerten Widerstand aus dem Volk rechnen müssen. Die kleine Minderheit von Bürgerrechtlern und Datenschützern haben wir dank elektronischer Aufklärung, verdeckter Agenten und Zersetzungsmaßnahmen sehr gut im Griff.
Die große Masse der Menschen ist Gott sei Dank derart naiv, unkritisch und obrigkeitshörig, dass uns das die Arbeit sehr erleichert. Wir können uns darauf verlassen, dass einfachste Propaganda zuverlässig Wirkung zeigt. Ob Terrorgefahr, OK, KiPo oder Ausländerkriminalität, in jeder Situation funktioniert eine dieser Rechtfertigungen, um unsere Macht zu sichern und immer weiter auszubauen.
Zum Abschluss möchte ich den Diskutanten hier noch etwas mit auf den Weg geben:
Jeder von Ihnen sollte sich rechtzeitig überlegen, wie weit er mit seinem Widerstand oder Ungehorsam gehen will. Jeder sollte sich entscheiden, auf welcher Seite er stehen will.
Denn jeder von Ihnen hat etwas zu verlieren. Im unwahrscheinlichen Fall, dass wir nichts Kompromittierendes bei Ihnen finden, um Sie bei Bedarf zu erpressen oder zu diskreditieren, dann schieben wir Ihnen entsprechendes Belastungsmaterial unter. Ihre Existenz ist dann ruiniert.
Sie haben keinen Einfluss darauf, wie Ihre Datenspuren interpretiert werden und Sie werden keine echte Chance haben, sich erfolgreich zu verteidigen.
Ihre Aufgabe als einfacher Bürger ist es, zu funktionieren: Arbeiten, Konsumieren, Gehorchen.
So sieht es aus. Wir haben gewonnen. Es wird kein neues 1989 geben. Das haben wir aus der Geschichte gelernt. Die moderne Technik hilft uns dabei.
Comment by Matthias Müller — 15.10, 2013 @ 17:44
Vorweg, ich bin beruflich im Geheimen tätig .
Für uns in der Intelligence Community könnte es derzeit nicht besser laufen. Sicherlich hat Edward Snowden mit seinen Enthüllungen etwas Unruhe bei uns ausgelöst und wir mussten die Desinformationsaktivität signifikant erhöhen. Aber letztendlich sind Edward Snowdens Enthüllungen langfristig ein Geschenk für unser Metier.
Nun wissen wir endgültig, dass wir mit keinem nennenswerten Widerstand aus dem Volk rechnen müssen. Die kleine Minderheit von Bürgerrechtlern und Datenschützern haben wir dank elektronischer Aufklärung, verdeckter Agenten und Zersetzungsmaßnahmen sehr gut im Griff.
Die große Masse der Menschen ist Gott sei Dank derart naiv, unkritisch und obrigkeitshörig, dass uns das die Arbeit sehr erleichert. Wir können uns darauf verlassen, dass einfachste Propaganda zuverlässig Wirkung zeigt. Ob Terrorgefahr, OK, KiPo oder Ausländerkriminalität, in jeder Situation funktioniert eine dieser Rechtfertigungen, um unsere Macht zu sichern und immer weiter auszubauen.
Zum Abschluss möchte ich den Diskutanten hier noch etwas mit auf den Weg geben:
Jeder von Ihnen sollte sich rechtzeitig überlegen, wie weit er mit seinem Widerstand oder Ungehorsam gehen will. Jeder sollte sich entscheiden, auf welcher Seite er stehen will.
Denn jeder von Ihnen hat etwas zu verlieren. Im unwahrscheinlichen Fall, dass wir nichts Kompromittierendes bei Ihnen finden, um Sie bei Bedarf zu erpressen oder zu diskreditieren, dann schieben wir Ihnen entsprechendes Belastungsmaterial unter. Ihre Existenz ist dann ruiniert.
Sie haben keinen Einfluss darauf, wie Ihre Datenspuren interpretiert werden und Sie werden keine echte Chance haben, sich erfolgreich zu verteidigen.
Ihre Aufgabe als einfacher Bürger ist es, zu funktionieren: Arbeiten, Konsumieren, Gehorchen. Scheren Sich nicht aus der Reihe. Passen Sie sich an.
So sieht es aus. Wir haben gewonnen. Es wird kein neues 1989 geben. Das haben wir aus der Geschichte gelernt. Die moderne Technik hilft uns dabei.
Comment by Stefan Müller — 15.10, 2013 @ 17:47
Der Mensch ist in der Masse dumm und ein Biedermann (siehe Max Frisch), Schwarmintelligenz gibt es nicht bei Menschen.
Einzelne richten da kaum etwas aus.
Die Zeit ist noch nicht reif, die „alte“ Generation sitzt noch im Sattel.
Es muss erst wieder so richtig weh tun, jedem einzelnen der Masse, damit sich etwas ändert.
Solange es nur wenige betrifft, sind es immer „die Anderen“ und man kann sich wieder seinem Bier und der Zeitung widmen.
Comment by Frank — 15.10, 2013 @ 18:09
ad 8:
oho judge dred ist zurück … für dieses szenario braucht man weder internet und smartphones. die diktaturen, die wir kennen, haben das alles auch so hinbekommen. auch die tatsache, dass das volk nicht gleich eine revolution entfacht, nur weil ein paar intellektuelle hysterisch ventilieren, ist absolut nicht neu. vielleicht hat die masse einfach mehr sinn für ein gesundes augenmass als der durchschnittliche studienrat oder assessor so glaubt.
Comment by golda meir — 15.10, 2013 @ 20:21
Was in meinen Augen und bezüglich meiner Person privat ist, bestimme immer noch ich. Ich bin nicht andere, ich bin ich. Was Andere machen, ist mir egal. Werden meine Grenzen von diesen überschritten, kenne ich kein Pardon. Wo meine Privatheit anfängt, wo die Grenze ist, MEINE Grenze, das werden ANDERE anhand des Echos schnell feststellen, noch vor dem Grenzzaun.
Wenn alle Ufer im Wasser versinken, es ausufert im wahrsten Sinne, dann ist es an der Zeit, Dämme zu bauen.
Comment by Forensiker — 15.10, 2013 @ 21:38
@Matthias / Stefan alles Müller oder was:
Doppelposting und dann auch noch unter zwei verschiedenen Namen… na da bin ich aber froh, daß sie uns vor den bösen Raubmordterroristen beschützen ;-)… oder um mit Fefe zu sprechen:
„Die Besten, der Besten, der Besten!“ ;-)
Comment by Musenrössle — 16.10, 2013 @ 22:06
Ich möchte Seemann gern verteidigen. Denn ob wir das, was wir schützen, nun Privatsphäre nennen oder uns von dem Begriff verabschieden, ist letztlich ein Streit um Worte. In seiner entscheidenden These hat Seemann nämlich Recht: Warum die Privatsphäre wichtig ist, hat in den letzten 30 Jahren offensichtlich niemand so zu erklären vermocht, dass die breite Masse der Bevölkerung es verstanden hat. Das liegt daran, dass zwar oft wiederholt wird, wie wichtig die Privatsphäre ist, die Begründung aber häufig ebenso wie der Begriff der Privatsphäre sehr vage bleibt. Mit Verlaub, Herr Stadler, Ihr Artikel ist da keine Ausnahme. Es ist auch kein Wunder, wenn man den Schutz vor Cookies, personalisierter Werbung und Payback-Punkten, NSA, BND und VDS in einen Topf wirft. Denn wie Seemann zu Recht sagt, sind nicht alle diese Datenverarbeitungen und alle gleichermaßen eine „Behandlung (…), die ihn zum bloßen Objekt von Machtinteressen degradiert“. Wenn man sie alle unter dem Begriff „Privatsphäre“ zusammenfasst und vor ihnen warnt, besteht die Gefahr, nicht mehr ernst genommen zu werden. Denn wenn schon der Experte nicht differenziert, wie soll es dann der Laie? Und für den sind die Datenverarbeitungen, die er selbst wahrnimmt, eher vorteilhaft (z.B. personalisierte Werbung bei Amazon). Daher muss ein Verständnis dafür entwickelt und vermittelt werden, warum die Vorratsdatenspeicherung anders beurteilt werden muss als die Amazon-Werbung. Hierfür liefert Seemann Ansätze. Nicht mehr als das, aber es schließlich nur ein Online-Artikel und kein Buch.
Comment by opheler — 16.10, 2013 @ 23:15
@opheler:
Ihre Kritik geht schon deshalb an der Sache vorbei, weil ich noch nie „den Schutz vor Cookies, personalisierter Werbung und Payback-Punkten, NSA, BND und VDS“ in einen Topf geworfen habe. Ganz im Gegenteil.
Comment by Stadler — 17.10, 2013 @ 12:04
@ Stadler: Dann spricht m.E. nichts dagegen, all dies nicht mehr unter dem Stichwort „Privatsphäre“ zu diskutieren, sondern jeweils zu reflektieren, in welches Schutzgut bestimmte Datenverarbeitungen eingreifen, wie beispielsweise Demokratie, Selbstdarstellung oder Verhaltensfreiheit. Wenn sich keins findet – aber auch nur dann – ist die Datenverarbeitung zulässig, ohne dass es einer Bewertung der kollidierenden Interessen bedarf. Insofern gibt es einen weiten Spielraum zwischen einer umfassenden Prima-facie-Privatsphäre, in die nach der Konzeption informationeller Selbstbestimmung alle diese Datenverarbeitungen eingreifen, und einer völligen Transparenz persönlicher Daten. Die Frage ist die nach dem gedanklichen Ausgangspunkt. Und da scheint mir Seemanns Ansatz tatsächlich zu einer Versachlichung der Debatte beizutragen, weil er dazu zwingt, sich konkret damit auseinanderzusetzen, ob und warum eine konkrete Datenverarbeitung in schützenswerte Interessen des Einzelnen oder der Allgemeinheit eingreift.
Comment by opheler — 18.10, 2013 @ 10:53
@opheler: Ich empfehle dazu, das Interview mit Horst Herold (Vater der Rasterfahndung) in Cilip Nr. 16 und Nr. 18 zu lesen. Er war darin der Meinung, dass seine „Negativ-Rasterfahndung“ in gar kein Schutzgut eingreift. Solche Dinge reflektiert Seemann auch überhaupt nicht; vermutlich weil er sich zum Lesen in eine Bibliothek begeben müsste.
Comment by V. — 18.10, 2013 @ 11:42
Kekse, Datensparsamkeit und Co. kann ich selber beeinflussen, NSA, BND, BKA, VDS (vor allem) nicht. DAS ist der Unterschied, meine Damen und Herren!
Es geht nicht darum, wer was freiwillig preisgibt, es geht darum, was ohne Wissen und Willen über einen erhoben und gespeichert wird.
Da hört der Spaß auf! Genau da ist die Grenze!
Comment by Jonas Schneider — 19.10, 2013 @ 12:26