Von der informationellen Selbstbestimmung zur informationellen Fremdbestimmung?
Während man vor einigen Jahrzehnten die sog. informationelle Selbstbestimmung in Deutschland und Europa als (neues) zentrales Bürgerrecht definiert hat, formieren sich in letzter Zeit auch hierzulande die Post-Privacy-Propheten, deren Postulat lautet, dass wir die Kontrolle über unsere persönlichen Daten ohnehin längst verloren haben und dies nun auch endlich einsehen müssten. Sie nennen sich selbst die „datenschutzkritische Spackeria“ und hängen den Ideen von Marshall McLuhan an. Man gibt sich progressiv und bezeichnet die Datenschützer als konservativ und ideologisch.
Wer den Datenschutz als Ideologie betrachtet und gleichzeitig eine „Utopie“ als neues Modell verkaufen will, muss zumindest bei mir zunächst mit Skepsis rechnen.
Die Post-Privacy-Utopie leidet bei näherer Betrachtung auch unter einem kaum auflösbaren inneren Widerspruch, der sich sehr anschaulich anhand eines Interviews von Julia Schramm – sie ist eine der Protagonstinnen der Datenschutz-Spackos – verdeutlichen lässt. Gegenüber SPON erklärt Schramm wörtlich:
„Im Internet ist es eben vorbei mit der Privatsphäre, darüber sollte man sich klar sein. Schon der Begriff Datenschutz gaukelt eine falsche Sicherheit vor, die es praktisch nicht mehr gibt. Die einzige Alternative ist, anonym zu surfen.“
Hierin zeigt sich das Dilemma der Post-Privacy-Apologeten. Denn sie betrachten die Möglichkeit sich im Netz anonym zu bewegen als Selbstverständlichkeit, ohne zu erkennen, dass gerade dies bereits einen unmittelbaren Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Wer für sich das Recht reklamiert, anonym zu surfen, hat damit bereits anerkannt, dass es ohne die informationelle Selbstbestimmung nicht geht. Wer sie nicht mehr will, der muss auch auf die Möglichkeit verzichten, anonym zu surfen. Der Vorbehalt von Anonymität und die Vorstellung von absoluter Transparenz aller Daten sind nicht miteinander in Einklang zu bringen. Die Vorstellung von einer Gesellschaft, die keine Privatssphäre mehr kennt, atmet den Geist des Totalitarismus. Transparenz bedeutet Kontrolle. Aus diesem Grund muss der freiheitlich-demokratische Staat, der vom Spannungsverhältnis Staat-Bürger geprägt ist, dafür sorgen, dass die öffentliche Gewalt transparent agiert, während dem Bürger die größtmögliche Intransparenz zuzubilligen ist. Wer den gläsernen und transparenten Bürger fordert, steht deshalb in der Tradition der Unfreiheit, wie sie den Überwachungsstaaten eigen ist.
In letzter Konsequenz geht es um die uralte Frage, was der Mensch ist und was ihn ausmacht. Eine Werteordnung, die sich zu unveräußerlichen Menschenrechten bekennt, erkennt damit zugleich an, dass jeder Mensch das Recht haben muss, sich als Individiuum in Freiheit selbst zu verwirklichen. Unser Grundgesetz bezeichnet dies als Menschenwürde. Deren oberste Prämisse lautet, dass der Mensch keiner Behandlung ausgesetzt werden darf, die ihn zum bloßen Objekt degradiert. Aber genau darauf läuft die Forderung der datenschutzkritischen Spackeria hinaus. Wie viele andere zum Scheitern verurteilte Utopien davor, verkennt die Post-Privacy-Ideologie das Wesen des Menschen.
Man muss den Verfechtern von Post-Privacy allerdings eine in weiten Teilen zutreffende Zustandsbeschreibung zugute halten. Die derzeit geltenden Regeln des Datenschutzes werden im Netz fast zwangsläufig gebrochen, weil eine konsequente und enge Anwendung unseres jetzigen Datenschutzregimes mit der üblichen und allgemein praktizierten Nutzung des Internets nicht in Einklang zu bringen ist. Die berufsmäßigen Datenschützer haben in ihrem Elfenbeinturm weitgehend den Bezug zur Realität verloren. Ihre Ansätze, wie die unterschiedslose und unbedingte Qualifizierung von IP-Adressen als personenbezogende Daten oder die Vorstellung vom Hosting als eine den Anforderungen des § 11 BDSG unterliegende Auftragsdatenverarbeitung, sind nicht internetkonform. Würden sich diese Vorstellungen durchsetzen, dann würde dies das Ende des Netzes wie wir es kennen, bedeuten.
Man sollte sich allerdings davor hüten, aus einer zunächst (in Teilen) zutreffenden Zustandsbeschreibung vorschnell die falschen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Lösung kann nicht in einer Preisgabe des Datenschutzes bestehen, sondern nur in seiner Neudefinition. Das Recht des Individuums sich frei entfalten zu können, muss dabei erhalten bleiben. Auch denjenigen, die das Internet überhaupt nicht nutzen wollen und denjenigen, die es nur absolut anonym nutzen wollen und es ablehnen, irgendwelche personenbezogenen Daten, sei es bei Facebook oder anderso, im Netz zu hinterlassen, darf man keine Ordnung aufzwingen, die keine Privatheit mehr kennt. Ihr Recht, in Ruhe gelassen zu werden und sich so zu entfalten, wie sie es sich selbt vorstellen, ist zu respektieren und muss um jeden Preis geschützt werden. Und zu diesem Schutz ist der Gesetzgeber berufen.
Die Forderung der Datenschutz-Spackeria würde demgegenüber den Weg hin zu einer informationellen Fremdbestimmung ebnen. Sie ist deshalb Ausfluss einer illiberalen Geisteshaltung, der es entgegen zu treten gilt.
Gut geschrieben!
Im Moment stehen sich zwei Extreme gegenüber: Die kompromisslosen Datenschützer und die kompromisslosen Datensammler.
Die Mitte dazwischen hat nichts zu sagen, möchte eigentlich weder das eine noch das andere Extrem.
Die „Gefällt Mir“ Buttons sind absolut nicht lustig, und „Internet“ wird tatsächlich Geschichte sein, wenn die Datenschützer sich durchsetzen.
Was das bedeutet, können vielleicht welche am besten erahnen, denen es damals verboten war, Radio des Feindes zu hören.
Comment by Frank — 11.03, 2011 @ 22:52
Danke, trifft es genau! Schade, dass die Spackeria da nicht selbst drauf kommt, so schwer ist diese Schlussfolgerug ja nun wirklich nicht!
Comment by Matthias Pfützner — 11.03, 2011 @ 23:00
Der Artikel geht am Kern der Kritik der Spackeria vollkommen vorbei. Natürlich ergibt sich das Recht auf Anonymität aus dem Schutzraum der aus Datenschutz und Informationeller Selbstbestimmung aufgespannt wird.
Das Problem ist nur dass dieser positive Aspekt dazu führt dass man die Macht des Datenschutzes überschätzt (und diese Überschätzung findet dann in solchen Auswüchsen wie digitales Radiergummie Ihren Höhepunkt).
Ansonsten etwas das beim Verständniss hilft: die Forderungen in Ihr extrem zu treiben (und der Name) haben einen Sinn – und der besteht nicht darin Lösungen zu diktieren sondern den Diskurs anzuregen.
Gruss
Bernd
Comment by Bernd — 11.03, 2011 @ 23:45
Danke. Sehr guter Text.
Gäbe es einen Flattr-Button, ich hätte sofort zugeschlagen.
Comment by Tannador — 12.03, 2011 @ 00:46
Sehr schön :-)
Wollen Sie nicht versuchen, ob SpOn das als Gast-Beitrag veröffentlicht?
Gute Nacht ;-)
Comment by Andreas Mehltretter — 12.03, 2011 @ 02:14
erstmal freut es mich, dass wir uns beim Teil „Datenschutzkritik“ ziemlich einig sind. Die jüngsten Entwicklungen im Datenschutz waren der Kristallationspunkt zur Gründung der Spackeria und ist auch das Hauptanliegen vieler die mitmachen.
Der „Post-Privacy“-Teil ist schwerer zu vermitteln, besonders in so einer Interviewsituation. Das Missverständniss hier ist, dass Post-Privacy keine Forderung von uns ist, sondern eine Konsequenz die sich aus der Vernetzung ergibt (Deswegen auch die Referenz auf McLuhan). Also, einen Zwang zur Offenlegegung privater Angelegenheiten darf es nicht geben, ist auch keine Forderung der Spackeria. Wir betonen aber gerne Vorteile und Chancen und hinterfragen angeführte Risiken, nicht zuletzt um auszuloten, wo und unter welchen Vorraussetzungen ein Schutz nötig ist. Das „Spannungsverhältnis Staat-Bürger“ ist ein klarer Fall wo ein Schutz nötig ist. Durch Gewaltmonopol und Zugriff auf nicht-öffentliche, qualifizierte Datenbestände entsteht allein schon eine gewaltige Macht-Asymetrie. Dazu kommen noch die öffentlich verfügbaren Daten. Wie gehen wir damit um? Wie halten wir den Staat im Zaum? Das sind Fragen die ich in der Debatte gerne sehen würde.
Noch ein Punkt: Echte Anonymität halte ich für unmöglich. Wenn man im Netz sozial Interagieren will, wird es sogar schon schwer Pseudonymität und Identitätstrennung aufrecht zu halten, geht aktuell noch aber nur mit viel Aufwand. Daher würde ich also nicht, wie Julia, schlussfolgern, dass anonymes Surfen eine Lösung ist.
Aber die Kritik der „falschen Sicherheit“ halte ich für valide. Jegliche Kommunikation im Internet ist öffentlich (ausser sie ist Ende-zu-Ende verschlüsselt). Irgendein Admin kann immer mitlesen, oder der Staat, potenziell sogar alle. Wenn man jetzt sagt, es gäbe einen fundamentalen Datenschutz im Internet, erzeugt man die Illusion einer Privatsphäre im Internet, die es so aber nicht gibt und der Nutzer wiegt sich in falscher Sicherheit. Das ist der kaum auflösbare Widerspruch, den ich auf Datenschützerseite sehe, um den Ball mal zurückzuspielen.
Zu den Punkten der Grundrechte und Objekt-/Menschwerdung im Netz hätte ich auch gerne noch was geschrieben, sind wichtige Aspekte. Aber der Text ist lang genug und ich bin müde genug
Comment by fasel — 12.03, 2011 @ 02:29
Harhar, fasel macht seinem Namen alle Ehre. Er/sie/es sollte einfach mal McLuhan lesen, bevor er als gewaehrsmann fuer diese geschichtsvergessene spackeria herhalten muss.
Ich denke manchmal, dass die heutige netzjugend irgendwie zu behuetet und friedlich, auch wohl zu demokratisch aufgewachsen ist, um noch zu verstehen, welches machtmissbrauchspotential sie da eröffnen. Nicht nur in letzter Konsequenz ist dieses spackeria-Ansinnen gefährlich. Sie werden schon in kurzer Zeit von den politischen Akteuren, auch von den wirtschaftlich profitierenden als argumentationskeule benutzt werden. Grade weil ihre Gedankenwelt so schlicht gestrickt ist.
Comment by Tharben — 12.03, 2011 @ 03:14
Tharben: fang mal damit an das Spackeria Ansinnen zu bennen. Wenn du ins stocken gerätst ist das gut – wenn du meinst eines bennen zu können – nicht so gut.
Comment by Bernd — 12.03, 2011 @ 11:56
@Bernd: Die Spackeria steht also gar nicht für Post-Privacy, sondern doch für informationelle Selbstbestimmung? Anders ergibt Ihr Kommentar irgendwie keinen Sinn.
Irgendwie hatte ich auf Gegenargumente gehofft.
Comment by Stadler — 12.03, 2011 @ 14:23
Man mag zur Spackeria im Detail stehen wie man will, ihr Verdienst ist, dass die Diskussion endlich weg von der Schattenboxerei des Datenschutzes, die ihren Höhepunkt in der Streetview-Debatte hatte, zur erfahrbaren Realität des Nutzers gelenkt wird.
Vielleicht ist es wichtiger, dass ich mich im Netz anonym bewegen kann, wenn ich das will, dass der Staat nicht Filter installiert, dass meine Verbindungsdaten nicht verdachtsunabhängig aufgezeichnet werden, dass meine Datenpakete nicht im Stau stehen, während die gut zahlender Kunden zügig daran vorbeigelenkt werden, dass der Upload von zu Hause die gleiche breite Bandbreite hat wie der Download und dass mich als Privatier nicht jeder Winkeladvokat abmahnen kann nur weil er Geld braucht.(*)
Darüber könnte man nachhaltig beeinflussen, wie selbstbestimmt und unabhängig der einzelne sich im Netz bewegen kann. Der Datenschutz wie er derzeit auch in diesem immer wieder lesenswerten Blog diskutiert wird hat mit der Realität schon lang nichts mehr zu tun. Keiner hat es gemerkt, aber der Senf ist längst aus der Tube und niemand wird ihn dorthin zurückbringen.
Auch mag man keinen „kaum aufzulösenden Widerspruch“ erkennen. Denn das trügerische an der bisherigen Debatte war, dass vermittelt wurde, allein durch die „richtige“ gesetzliche Datenschutzregelung sei informelle Selbstbestimmung möglich. Dass dies eine Phantasterei alter Männer ist, entlarvt das Interview mit Julia Schramm bei Spiegel Online auf recht unterhaltsame Art.
Der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Absichten gepflastert. Und so braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie gutgemeinte Datenschutzgesetze neue Abmahnwellen in Gang setzen und Privatleute und Dotcoms das Fegefeuer spüren lassen.
Derzeit erinnern die Datenschützer an Seefahrer, die versuchen mit einer Karte der antiken Welt Amerika zu entdecken, während die Spackeria an einer neuen Karte zeichnet, die eben noch ein bischen krakelig und auch unvollständig ist.
Comment by Klabauterdoc — 12.03, 2011 @ 20:25
„Der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Absichten gepflastert. Und so braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie gutgemeinte Datenschutzgesetze neue Abmahnwellen in Gang setzen und Privatleute und Dotcoms das Fegefeuer spüren lassen.“
Jetzt reichts aber mal langsam.
Comment by Shual — 12.03, 2011 @ 22:47
So wie ich das sehe beherbergt die Piratenpartei immer noch eine Fraktion, die der Holocaustleugnung frönt.
Unwählbar.
Comment by Shual — 12.03, 2011 @ 22:52
Das Problem mit dem Konzept der Spackeria zeigt sich auch in der Aussage von Julia Schramm, dass Post Privacy nur für Erwachsene und nicht für Kinder gelten soll. Dürfen also „Privatleute und Dotcoms das Fegefeuer spüren“, wenn es um Kinder geht? Die Karte ist nicht nur krakelig, es ist eher ein Klecks Quittengelee auf Toast.
Comment by Ein Mensch — 13.03, 2011 @ 01:25
http://www.youtube.com/watch?v=Znw2hCh3tUs
I’m prayin‘, Lord i’m prayin‘ to you,
Take away this guilt all up in my head
Comment by Shual — 13.03, 2011 @ 04:35
Shual, Sie Nasenbär: Davon abgesehen, das ich es (als Pirat mit Parteibuch) ebenfalls unerträglich finde, das die Piratenpartei sich immer noch nicht dauer- und glaubhaft von den „Rechtsauslegern“ distanzieren und trennen kann: Was zur Hölle hat diese Diskussion hier mit der Piratenpartei zu tun?
Und „Ein Mensch“: Die „Denkt denn niemand an die Kinder“-Keule lassen wir mal stecken, ok?
Comment by tarzun — 13.03, 2011 @ 08:18
Wohl gesprochen!
Ich habe auch nicht den Eindruck, daß die ganze „Spackeria“ eine generelle Aufgabe der Privatsphäre fordert, ein Teil scheint zunächst mal vor allem einen „Reality Check“ der gegenwärtigen Gesetze (und deren Vertreter) zu fordern.
Letzterer wäre auch meiner Meinung nach dringend nötig. Es gehört ernsthaft diskutiert, wo die gängige Internet-Praxis auf Widersprüche zu Datenschutzgesetzen stößt – und an welchen Stellen die Gesetze (oder ihre Auslegung) an die technische Entwicklung angeglichen gehören, und an welchen Stellen Firmen und Internet-Diensteanbieter zurückgepfiffen werden müssen.
Comment by Stefan — 13.03, 2011 @ 12:15
@Ein Mensch:
über Daten- und Kinderschutz habe ich mich schon ausgelassen.
Da gibt es auch ein amüsanten Beitrag von DradioWissen zu Kinder und Post-Privacy.
Man kann dazu stehen wie man will, aber gegen die Aber-die-Kinder-Keule wehre ich mich genauso wie Tarzun
Comment by fasel — 13.03, 2011 @ 14:47
Das war wohl ein Missverständnis. Julia Schramm hat das Argument mit den Kindern vorgebracht. Aus meiner Sicht müssen Erwachsene und Kinder gleichermassen geschützt werden.
Dabei soll der Staat nur dann eingreifen, wenn der einzelne sein Recht nicht durchsetzen kann, also insbesondere wenn der Staat selbst, oder grosse private Akteure sich über mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinwegsetzen.
Und nein, ich sehe nicht, dass das Internet zusammenbricht, wenn man elementare Regeln des Datenschutzes als Default Einstellung in der Software fordert, statt andersherum.
Ich sehe halt nicht ein, dass ich ständig mit Ritterrüstung und Damenstrumpf über dem Gesicht bekleidet einkaufen gehen (bzw. mit diversen Firefox Plugins und Anonymisierungsdienst ausgerüstet surfen) soll, statt dass der Rechtsstaat dafür sorgt, dass mir in der Regel keine „netten Werbanbieter“ im Reformhaus bei Herausnahme von Produkten aus dem Regal Blut abnehmen und Fotos von mir schiessen (bzw. Profile anlegen, Cookies setzen oder IP Adressen speichern).
Comment by Ein Mensch — 13.03, 2011 @ 15:20
Die Analogie mit der Vermummung sehe ich anders: Der Umstand, dass wir unvermummt in die Öffentlichkeit gehen, rührt ja nicht daher, dass wir Fotos usw. weggklagen können. Wir leben damit, dass wir gesehen und wiedererkannt werden (wir können ja keine Erinnerungen in Köpfen wegklagen). Nur ist es uns egal, bzw es ist ein Bestandteil unserer alltäglichen sozialen Interaktion. Vermummung im Alltag wird in Teilen der Bevölkerung sogar skeptisch gesehen (Stichwort: Burka).
Diese Vergleiche mit anderen Spähren sind allerdings müßig und nicht zielführend, denn:
Auch Fotos von dir schießen ist was anderes als Cookie oder IP speichern, die zeigen nicht dein Gesicht.
Und Blut abnehmen ist ganz daneben. Das tangiert nicht deine informationelle Selbstbestimmung, sondern deine körperliche Unversehrtheit. Da hat letzteres aber ein ganz anderen Stellenwert.
Grundsätzlich ist dem Einzelnen natürlich eine rechtliche Handhabe zu gewähren (die gibt es ja auch), aber hier gibt es Grenzen. Ich sehe z.B. kein Recht darauf öffentliche Daten vernichten zu lassen (Häuserfassaden verpixeln). Auch gibt es keinen Anlass ein anderen Default auf Senderseite zu erzwingen, solange es auf Empfängerseite möglich ist das zu steuern. Mich nervt Werbung, ich blocke sie, andere mögen sie und klicken sogar drauf. Deswegen erhebe ich nicht den Anspruch Werbung verbieten zu lassen (obwohl das lustige Auswirkungen auf die komerzielle Landschaft im Internet hätte).
Comment by fasel — 13.03, 2011 @ 20:51
PRIVACY BY DEFAULT!
Es geht doch nicht darum Werbung zu verbieten, auch wenn sie nervt. Es geht darum, dass unter dem Deckmantel besserer Werbung wir alle mittels 3rd-Party-Cookies auf eine Art und Weise getrackt werden, die mehr über uns aussagt als jedes Portraitfoto.
Zitat „Auch Fotos von dir schießen ist was anderes als Cookie oder IP speichern, die zeigen nicht dein Gesicht.“
Aber sie sagen wann Du online (schlaflos) warst, was Du Dir angeschaut hast, was Du gekauft hast.
Das ist ok, wenn man dem selber zugestimmt hat. Aber bitte nicht als Browser-Voreinstellung, die kaum ein Normalsurfer je ändern wird. Im Safari-Browser werden Tracking-Cookies per Default geblockt – warum macht man das nicht zur Pflicht für alle Browser, PRIVACY BY DEFAULT!!!
http://vdsetal.wordpress.com/2011/03/11/spackeria-glaserne-burger-und-kunden/
Und dass die Spackeria just dann Spiegel-Interviews gibt, wenn gerade in Brüssel die „Industrie“ versucht, ein Tracking-Cookie-Opt-In abzuwenden – das ist ein sehr ärgerliches Timing!
Comment by Berta — 13.03, 2011 @ 21:10
@berta:
ich habe nichts dagegen, dass der Browser per Default keine Cookies oder sonstigen 3rd-party-content läd. Das ist sogar mein Ansatz um die Selbstbestimmung des Einzelnen zu ermöglichen.
Die Tracking-Richtlinie will aber was anderes, so soll der Dienstanbieter dafür sorgen, dass der Nutzer keine Cookies ohne Zustimmung läd. Das ist für alle Seiten nervig und aufwändig. Der Nutzer muss zustimmen für bestimmte Funktionalitäten, der Anbieter hat Aufwand das sauber einzurichten. Jetzt kannst du ja mal überlegen wer damit eher ein Problem bekommt. Die „Industrie“ mit Rechtsabteilung und Profis oder der kleine Webshopbetreiber und private Anbieter. Dann gibts wieder eine Abmahnwelle, oder gar Bußgelder staatlicherseits.
Comment by fasel — 13.03, 2011 @ 22:01
@fasel
was für zustimmungspflichtige Cookies (außer Warenkorb etc., die nach der E-Privacy-Richtlinie auch weiterhin ok wären) wollen kleine Webshopbetreiber und private Anbieter denn setzen?
Das sind im Regelfall doch Cookies, die erst Werbe- und Trackingnetzwerke wie Google Adsense, Audience Science, Zanox und Co. auf die Sites bringen.
„der Anbieter hat Aufwand das sauber einzurichten“
Mit einem entsprechend voreingestellten Browser würden diese Cookies schlicht nicht gesetzt oder nach Ende der Session gelöscht.
Und wenn die Werbenetzwerke den User tracken wollen: Dann fragt die User bitteschön vorher, meinethalben in den Ads!
Comment by Berta — 13.03, 2011 @ 23:11
Der Satz, die Spackeria hänge „den Ideen von Marshall McLuhan an“ erweist sich bei detaillierter Kenntnis des McLuhan’schen Werkes als nicht haltbar.
LG, Nick H.
Comment by Nick Haflinger — 13.05, 2011 @ 13:34
Nachdem @laprintemps mir am vergangenen Wochenende Gelegenheit zu einer ausführlichen Diskussion gab, denke ich, Spackeria nunmehr verstanden zu haben. Das Bild, das sich daraus ergibt, passt jedoch nicht zu dem Bild der Spackeria, das dem Artikel zugrunde zu liegen scheint.
Spackeria, so wie ich sie derzeit verstehe, zwingt niemanden zur Veröffentlichung von Daten. Sie fordert lediglich Toleranz für Transparenz, für freiwillig und bewusst veröffentlichte Daten. Das ist keineswegs die Abschaffung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Es ist die Erkenntnis, dass der orthodoxe Datenschutz den Regeln und Möglichkeiten der neuen Technologien nicht Rechnung trägt – im übrigen eine Binsenweisheit.
Betrachten wir die Spackeria als Anregung zu einem Wertewandel, als Utopie einer Gesellschaft, in der neimand mehr persönliche Nachteile aufgrund von veröffentlichten Daten befürchten muss. Es ist denkbar, dass sich unsere Gesellschaft tatsächlich hin zu mehr Daten-Toleranz entwickelt, vergleichbar etwa der heute vorherrschenden Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben, die vor 1968 undenkbar gewesen wäre. Dass die Utopie nie völlig verwirklicht werden wird, versteht sich von selbst.
Allerdings folge ich Ihrer Argumentation in Bezug auf die Menschenwürde. Denn ein Nebeneffekt einer größeren Toleranz für veröffentlichte Daten ist die damit einhergehende Laxheit, verführt sie doch zur Veröffentlichung von noch mehr Daten, die sich in den Speichern der Datenkraken aggregieren und dort als Futter für Algorithmen dienen, die immer mehr Teile unseres Lebens bestimmen. Und genau hier sehe ich die Würde des Menschen berührt: Wenn nicht mehr Menschen über das Schicksal von Menschen entscheiden, sondern seelenlose Automaten.
Comment by Mark Neis — 17.05, 2011 @ 22:19
@Mark Neis: Ich habe die Spackeria anfangs auch so verstanden. Man schützt niemanden, und jeder entscheidet, was er von sich öffentlich preis geben will.
Dabei wird alles im Internet als öffentlich angesehen. Wenn ich also was in einem System einem geschlossenen Kreis mitteile (Facebook nur für Freunde, G+ nur für einen Kreis), dann ist das als öffentlich zu sehen. Wird das von dort aus weiter verbreitet, war das zu erwarten. Gut, die Idee ist auch noch logisch nachvollziehbar.
Aber dann ist es so, daß ich auf G+ gezwungen werden soll, persönliche Daten preiszugeben, um an der Kommunikation meiner Freunde teilhaben zu dürfen, und wenn ich dann sage, daß mir das nicht passt, wenn ich sage, daß ich meinen Echtnamen für mich behalten möchte, wird mir von Spackeria Anhängern mitgeteilt, daß ich mich nicht so aufregen solle, daß eben die Mehrheit dafür ist, und mich daher dazu zwingen darf. Und wenns mir nicht passt, dann soll ich doch woanders hin gehen. Auch wenn da meine Freunde nicht mehr sind oder nicht mehr lange sein werden.
Das ist also die tolle „veröffentliche nur, was Du willst“ Ideologie: Veröffentliche alles, was wir von Dir fordern, oder verliere das Reicht an der Teilhabe.
Comment by Sleeksorrow — 22.08, 2011 @ 14:52