Wie geht es jetzt weiter mit dem Leistungsschutzrecht?
Der Bundestag hat heute ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse beschlossen, allerdings in einer deutlich abgeschwächten Form. In Kraft treten wird das Gesetz aus zwei Gründen allerdings nicht so schnell.
Das Gesetz muss zunächst noch durch den Bundesrat und von dort droht Widerstand. Verhindern kann der Bundesrat das Leistungsschutzrecht zwar nicht, da es sich nur um ein sog. Einspruchsgesetz handelt. Das Gesetz müsste nach einem Einspruch des Bundesrates allerdings zunächst in den Vermittlungsausschuss, wo häufig noch Änderungen beschlossen werden.
Das Gesetz sieht außerdem eine Übergangsfrist von bis zu drei Monaten ab Verkündung im Bundesgesetzblatt vor. Das Gesetz tritt nämlich am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft. Wenn das Gesetz beispielsweise im Juni verkündet wird, dann würde es zum 01.09. in Kraft treten.
Meines Erachtens geht das Leistungsschutzrecht nicht mehr über das hinaus, was die Verlage aufgrund der Rechtseinräumung durch die Urheber ohnehin verlangen können. Es verbleibt allerdings bei dem Widerspruch, dass das Leistungsschutzrecht als ausschließliches Recht ausgestaltet ist und zwar selbst dann, wenn der Verlag vom Urheber nur ein einfaches Nutzungsrecht erhalten hat. Wie es sich auswirkt, wenn ein Autor seinen Text an mehrere Verlage lizenziert hat, bleibt offen, zumal sich Schutzgegenstand und Schutzinhalt dieses Leistungsschutzrechts inhaltlich nicht von einzelnen Sprachwerken (Texten) abgrenzen lassen. Für Autoren/Journalisten bietet dieses Leistungsschutzrecht jedenfalls keine Vorteile.
Dieses Leistungsschutzrecht wird allerdings neue Rechtsunsicherheit erzeugen, weil niemand so genau weiß, wie der unbestimmte Rechtsbegriff „kleinste Textausschnitte“ auszulegen ist. Vom Wortlaut ausgehend, muss es sich dabei jedenfalls um mehr als um einzelne Wörter handeln, andererseits aber um weniger als um kleine Textausschnitte. Vielleicht hat man hier bereits aus sprachlichen Gründen die Grenzen der möglichen Differenzierung überschritten.
Es könnte durchaus sein, dass sich die Rechtsprechung an das anlehnen wird, was der BGH in der Perlentaucherentscheidung ausgeführt hat. Danach genießen sehr kleine Teile eines Sprachwerkes – wie einzelne Wörter oder knappe Wortfolgen – zumeist keinen Urheberrechtsschutz. Wenn man also „kleinste Textauschnitte“ und „knappe Wortfolgen“ synonym betrachtet, würde der Schutz des Leistungsschutzrechts regelmäßig dort beginnen, wo auch der originäre urheberrechtliche Schutz einsetzt.
Gemessen daran, sind Dienste wie Google News bereits nach geltendem Recht kritisch. Dass die Verlage bislang nicht dagegen vorgegangen sind, liegt wohl nur daran, dass man keine Interesse daran hat, von Google-News ausgesperrt zu werden, sondern gerne gelistet bleiben will, gleichzeitig aber von Google gerne Lizenzzahlungen verlangen würde.
Die Koalitionsfraktionen haben heute ein Gesetz beschlossen, das den Verlagen nichts nützt, dafür aber zusätzliche Rechtsunsicherheit erzeugt. Und warum macht man das? Weil Angela Merkel den Verlagen ein Leistungsschutzrecht versprochen hat und das auch im Koalitionsvertrag festgehalten ist. Zumindest eine leere Hülle eines solchen Rechts haben die Verlage heute vom Bundestag auch bekommen.
Eine leere Hülle ja. Und ich bin mir sicher, die Verlage werden spätestens nach der Wahl heftig versuchen, die Füllung herbeizulobbyieren.
Das LSR als Stopfgans – gewissermaßen.
Comment by c0r3nn — 1.03, 2013 @ 16:11
Stopfgans, das könnte sein. In der Bundestagsdebatte jedenfalls wurde z.B. mehrfach darauf abgestellt, dass man ja möglicherweise in der praktischen Ausgestaltung dann eine Verwertungsgesellschaft einsetzen könnte. Also genau das, was gerade erst aus dem Gesetzestext herausgestrichen worden war. Welche Erweiterungen im Lobbyisten-Wunschkonzert noch so zu erwarten sind, bleibt abzuwarten.
Comment by RA Sebastian Dosch — 1.03, 2013 @ 16:38
Nie hätte ich mir vorstellen können, dass Kafkas „Weitschweifigkeitsamt“ mal Realität wird. In diesem Sinne dürfen wir vom Bundestag sicher noch weitere Kuriositäten erwarten.
Comment by Wolf — 1.03, 2013 @ 17:42
Google hat offenbar gleich reagiert und zeigt nur einen „kleinsten Textausschnitt“ aus seinem Logo an. Wie süß. :)
Comment by Stefan — 1.03, 2013 @ 18:47
Nach der Neuregulierung geht es ja sowieso nicht mehr um Google, aber umso mehr um all die kleinen Seitenbetreiber, Blogs und Foren.
Das Ganze zeigt nur eines, dass die Abgeordneten dieses Landes immer noch nicht im Internet-Zeitalter angekommen sind.
Comment by Joaquín — 1.03, 2013 @ 19:42
Weitere Gesetzesvorhaben sind in Planung. Unter anderem: Tempolimit auf Autobahnen – ausgenommen KFZ und Subventionen für Milchbullen von 20 Cent pro Liter:
http://wp.me/pPUdb-10
Comment by llamazaresj — 1.03, 2013 @ 21:04
Kann der Bundesrat soweit verzögern, dass Vermittlungsausschuss und/oder Verkündigung erst nach der Bundestagswahl wären? Würde sich dann etwas an der Lage ändern? (wenn ein Gesetz noch nicht mal den ersten Beschluss des Bundestags hat ist es mit der Wahl ja hinfällig)
Comment by Engywuck — 2.03, 2013 @ 11:40
Was die Geistesgrößen anscheinend von nichts abhält.
Comment by Moon — 3.03, 2013 @ 07:15
wenn die opposition ihre mehrheit im vermittlungsausschuss nutzt und zeitlich geschickt taktiert, kann sie das ganze noch beerdigen, wegen des nahen endes der legislaturperiode. das gesetzt ist zwar nicht zustimmungspflichtig, aber so geht es trotzdem.
Comment by golda meir — 3.03, 2013 @ 14:00