Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.11.12

Gesetzgeber kann sich im Bereich des E-Learnings nicht zu urheberrechtlichen Neureglungen durchringen

Das Urheberrecht ermöglicht keine zeitgemäße Unterrichtung von Studenten und Schülern. Das ist gerade in diesem Jahr, u.a. durch eine Entscheidung des OLG Stuttgart überdeutlich geworden.

Obwohl eigentlich Handlungsbedarf besteht, kann sich der Gesetzgeber nicht zu einer Ausweitung der Schrankenregelungen durchringen, die es ermöglichen sollten, geschlossenen Benutzergruppen von Studenten oder Schülern an Hochschulen oder Schulen urheberrechtlich geschützte digitale Lehrinhalte in einem sinnvollen Umfang zur Verfügung zu stellen.

Der Gesetzgeber hat das Problem zumindest im Ansatz erkannt, denn in einem ganz aktuellen Gesetzesentwurf hierzu heißt es:

Die anhängigen Verfahren machen jedoch deutlich, dass für einen Teil der Nutzungen an Hochschulen eine Überarbeitung des § 52a UrhG erforderlich werden könnte. Daher sollen zunächst die letztinstanzlichen Entscheidungen abgewartet und anschließend geprüft werden, inwieweit die Formulierung dieser Schranke an die Rechtsprechung angepasst werden muss. Daher wird die zeitliche Befristung in § 137 k UrhG letztmalig erneuert, um in den kommenden zwei Jahren über den Inhalt einer dann endgültig entfristeten Regelung entscheiden zu können.

Der Gesetzgeber macht also erst mal nichts, verlängert lediglich den unzureichenden § 52a UrhG erneut und wartet im übrigen ab, wie der BGH in anhängigen Verfahren entscheiden wird. Hier könnte es allerdings auch sein, dass der BGH an den EuGH vorlegen wird, weil die Thematik durch die Multimedia-Richtlinie überlagert wird, die möglicherweise eine äußerst restriktive Auslegung gebietet. Vor diesem Hintergrund wäre eigentlich politischer Handlungsbedarf gegeben und zwar gerade auch in Brüssel. Die Ankündigung, die Entscheidungen der Gerichte abwarten zu wollen, erscheint da wenig sachgerecht.

posted by Stadler at 21:39  

8 Comments

  1. Trotz dringenden Handlungsbedarfs kann sich Gesetzgeber ja auch immer noch nicht dazu durchringen, endlich in einem sinnvollen Umfang den zeitgemäßen entgeltfreien Zugriff auf lebensnotwendige Güter wie Nahrungs- und Arzneimittel sowie Wohnraum gesetzlich zu verankern. Zeigt dies nicht, wie verlottert dieses sich demokratisch und sozial nennende System in Wahrheit ist?

    Comment by Gast — 11.11, 2012 @ 00:20

  2. wenn das sowieso an europäischen regelungen hängt … was könnte man sonst machen? eine nationale fair-use-initiative, um das ganze zu beschleunigen ( und nicht zu verzögern)?

    Comment by martin lindner — 11.11, 2012 @ 10:04

  3. @Martin Lindner: Das deutsche Recht lässt ja Schrankenbestimmungen zugunsten von Bildung und Wissenschaft grundsätzlich durchaus zu. Die interessante Frage ist nur, wie weit diese reichen dürfen.

    Wenn man das Primat der Politik ernst nimmt, sollte der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, die weiter reicht als der derzeitige § 52a UrhG. Dass das evtl. dann vor dem EuGH überprüft wird, ist halt so. Das Problem hat der Gesetzgeber ja laufend, dass seine Gesetze vor dem BVerfG oder dem EuGH in Frage gestellt werden.

    Das tatsächliche Problem in diesem Bereich ist wohl eher der Verlagslobbyismus.

    Comment by Stadler — 11.11, 2012 @ 10:30

  4. Ergänzung: Der deutsche Gesetzgeber muss zudem endlich eine Regelung schaffen, die mit der Sozialbindung des Eigentums ernst macht und mindestens die entschädigungslose Abgabe der Hälfte aller produzierten Nahrungsmittel an öffentliche Verteilungsstellen vorsieht (bin für weitergehende Vorschläge ausdrücklich offen).

    Dass das evtl. dann vor dem BVerfG/EuGH überprüft wird, ist halt so. Das Problem hat der Gesetzgeber ja laufend, dass seine Gesetze vor dem BVerfG oder dem EuGH in Frage gestellt werden.

    Und natürlich muss sich das Primat der Politik dringend gegen das tatsächliche Problem des Lobbyismus der Nahrungsmittelproduzenten durchsetzen, die an der überholten Idee festhalten, für ihre Produkte Geld zu bekommen.

    Comment by Gast — 11.11, 2012 @ 12:47

  5. Das erweckt wieder mal den Anschein: bloß keine wichtigen Entscheidungen fällen, die u.U. lobbyistische Geldströme zum Versiegen bringen könnten.

    Comment by SC — 11.11, 2012 @ 15:09

  6. @Stadler (Nr. 3): An das Primat der Politik habe ich auch gedacht, als ich Ihren Artikel gelesen habe.
    Allerdings scheint es inzwischen Usus zu werden, dass man Entscheidungen, die bestimmten (Lobby-)Gruppen nicht passen oder sonst schlechte Presse machen könnten, sich lieber durch Oberste Gerichte diktieren läßt, und dann halt nichts machen kann. Letztes Beispiel: Bundestagsvergrößerung, aka Wahlrechtsreform.

    Comment by Oliver — 12.11, 2012 @ 10:21

  7. Es besteht dringender Handlungsbedarf und der Gesetzgeber druckt sich weg und kuscht vor Börsenverein & Co. und auch der bestehende 52a war und ist wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss. Ja, unbestreitbar. Aber gerade das »Moodle-Urteil« vom OLG Stuttgart ist meinem laienhaften Verständnis nach ein schlechtes Beispiel. Wir hatten einen der Richter vom OLG auf der ILIAS Conference 2012 an der Universität Stuttgart Anfang September, wo er selbiges in Grundzügen für uns E-Learner und Jura-Laien erläutert hat. Was ich persönlich davon mitgenommen habe: Die Fernuni hat sich auf gut Deutsch gesagt offenbar *verdammt* dämlich angestellt in dem Prozess und letztlich uns alle, die (anderen) Unis ganz schön reingeritten mit sturem pochen auf Freiheit der Lehre (wo im konkreten Fall selbst mir einleuchtete, dass das Gericht mangels besserer Argumentation der Hagener kaum anderes urteilen konnte).

    Comment by Christian Bogen — 12.11, 2012 @ 22:10

  8. Bei einigen Lobbyisten der Wissenschaftsclique scheint das Denken eigefroren zu sein:

    Um geschlossene Benutzergruppen an Hochschulen Lehrinhalte zur Verfügung zu stellen braucht man keine Schrankenregelung sondern nichts weiter als eine Lizenz vom Verlag. Die bekommt man in der Regel auch. Wenn man allerdings den Anspruch hat, dass man ab sofort für Lehrmittel nichts mehr zahlen will, dann wird das schwierig. Dann ruft man nach dem Gesetzgeber und macht einen riesen Bohei, wie gemein die Rechteinhaber sind, dass sie einem die Inhalte nicht für lau geben und dass deshalb jetzt die ganze Lehre zusammenbricht. Und man klaut sich die Inhalte und heult nachher in alle Kanäle wie gemein die Rechteinhaber sind, dass sie einen dafür jetzt auch noch verklagen.

    Es wäre ja wenigstens ein Ansatz, wenn man die Zeit statt in Lobbykämpfe für Wissenschaftsschranken in das Erstellen von digitalen Lehrinhalten stecken würde. Wenn man schon nicht bereit ist für Inhalte zu zahlen, dann soll man sie eben selbst machen.

    Comment by Matthias Ulmer — 13.11, 2012 @ 11:21

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