Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.3.12

Welche Leistung soll jetzt eigentlich geschützt werden?

Das vom Koalitionsausschuss vor ein paar Tagen beschlossene Leistungsschutzrecht für Presseverlage hat für einigen Wirbel gesorgt. Bislang ist allerdings noch völlig unklar, welche verlegerische Leistung der Gesetzgeber schützen will und mit welchen Mitteln. Von dem ursprünglichen Gesetzesvorschlag der Verlage scheint man abgerückt zu sein, denn von einer Abgabe für gewerbliche Internetnutzer ist nicht mehr die Rede.

Im Blog von Springers Chef-Lobbyisten Christoph Keese kann man ergänzend folgendes lesen:

(..) das Leistungsschutzrecht schränkt die Weitergabe von Informationen nicht ein. Das Zitatrecht wird nicht geändert, sondern umgekehrt: Es gilt mit allen bisherigen Bestimmungen auch beim Leistungsschutzrecht. Die Nachricht als solche wird ebenfalls nicht geschützt und wäre auch gar nicht schützbar. Frei bleibt auch der Link.

Sollte das zutreffend sein, frage ich mich allerdings, wofür Suchmaschinenbetreiber und Aggregatoren dann genau bezahlen sollen und unter welchen Voraussetzungen.

Man darf äußerst gespannt sein, wie die Bundesregierung ihr Vorhaben gesetzestechnisch umzusetzen will. Denn es muss etwas geschützt werden, das über das Verwertungsrecht/Nutzungsrecht an einem journalistischen Text hinausgeht. Ansonsten bräuchte man kein Leistungsschutzrecht. Was das aber genau ist und wie man den Schutzumfang definieren will, ist für mich derzeit weiterhin unklar. Es kann eigentlich nur auf den Schutz sog. Snippets hinauslaufen. Wenn die Snippets ebenfalls außen vor bleiben, wie vom CDU-Netzpolitiker Kretschmer gefordert, dann bleibt nichts mehr übrig, was zu regeln wäre. So wie es aussieht, wird es also auf die Snippets hinauslaufen, wie man sie bei Google News derzeit vorfindet. Google wird darauf aber vermutlich mit einer Umgestaltung des Diensts reagieren.

Christoph Keese schreibt in seinem Blog noch etwas sehr Interessantes:

Produkte, die darauf angewiesen sind, Leistungen von Lieferanten kostenlos in Anspruch zu nehmen, sind nicht marktfähig.

Es sind aber doch die Lieferanten (Verlage) selbst, die ihre Produkte freiwillig kostenlos ins Netz stellen. Dass das möglicherweise kein funktionierendes Geschäftsmodell darstellt, kann doch nicht das Problem von Google sein. Wenn man schon vom Markt spricht, dann muss man sich eben auch marktwirtschaftlich verhalten und kann nicht nach dem Staat rufen, der die Spielregeln nur deshalb zugunsten der Verlage verändern soll, weil die nach wie vor kein marktfähiges Konzept gefunden haben.

Oder anders formuliert: Solange der Lieferant freiwillig kostenlos liefert, ist das Produkt von Google natürlich marktfähig.

posted by Stadler at 22:02  

14 Comments

  1. Ich danke dir.

    Comment by vera — 7.03, 2012 @ 22:12

  2. Hm. Ich glaube, die wollen eine Art privatwirtschaftlicher GEZ. Die GEZ kassiert ja dafür, daß die Sender einfach so ihre Programme abstrahlen und jemand diese mit passenden Geräten tatsächlich empfängt (und man kann das sogar aufzeichnen und die Aufzeichnung kopieren!).

    Genauso wollen die Verlage Geld dafür, daß sie einfach so ihre Artikel ins Netz stellen und die jemand lesen könnte (und man kann da sogar abspeichern und öffentlich zitieren!).

    Ich weiß, hinkt ein wenig. Aber die Grundidee ist irgendwie doch dieselbe.

    Gruß, Frosch

    Comment by Sabine Engelhardt — 7.03, 2012 @ 22:19

  3. Google schaltet bei Google News gar keine Anzeigen. Somit stellt sich auch die Frage, an welchen Gewinnen die Verleger überhaupt beteiligt werden sollen.

    Comment by Steve Gates — 7.03, 2012 @ 22:25

  4. Endlich erkennt jemand den Widerspruch in Herrn Keeses Argumentation.

    Wobei — vielleicht ist es gar keiner. Bezahlte Berichterstattung wäre dann aber ein Fall für den Presserat.

    Comment by Dr. Christian Kohlschütter — 7.03, 2012 @ 22:26

  5. Springer wulfft halt. Es braucht keine Leistung, keine Gesetzestreue. Nichts. Hauptsache der Rubel rollt. Dafür wird dann alles gesagt und zusätzlich auch gleich das Gegenteil.

    Merkel hat gesehen, dass sie Wulffs Bezahlung (450.000 €/Jahr) und Zapfenstreich als Ehrenemulation, Entehrung der Bundeswehr und Verhöhnung der Bevölkerung ohne Volksaufstand und Tote durchbekommt: jetzt dreht sie noch mal auf: Da wird dann durchgewunken, was noch nicht da ist und das Volk zerreisst sich über ungelegte Eier. Da kann Merkel im Schatten dann weiter prächtig Waffen nach Israel verkaufen, dass die Tullus im Nahen Osten machen und Iran mit einem Angriffskrieg bedrohen können. Der Rubel rollt und in ein paar Jahren macht sich Merkel dann „vom Acker“ wie der gestrauchelte Andenpaktler Altmaier beim Bledne immer sagt.

    Leistungschutzrecht ist ein Hoax, Das gibt es nicht und wird es nie geben. Das ist dummes Zeug wie Acta und Zugangserschwerungsgesetz. Das kann man höchstens im Wahlkampf gebrauchen wie Ursula von Der Leyen Kinderpornos im Wahlkampf einsetzte. Straffrei. Mit Ziercke: Öffentliche Vorführungen vor Journalisten.

    Comment by Jan Dark — 7.03, 2012 @ 23:02

  6. Mal angenommen, es kommt tatsächlich zu einer gesetzlichen Regelung, die dann Snippets umfasst (wie Sie zurecht ausführen, bleibt eigentlich nichts anderes übrig) – dann wird es erst richtig lustig.

    Es muss definiert werden, wie genau ein Snippet aussieht (Umfang im Verhältnis zum Originaltext, gibt es einen Backlink, etc.) und v. a. nach welchem Schlüssel Gelder abgeführt werden sollen.

    Hierfür müssten die „Snippet-Verwerter“ ihre Geschäftsbücher öffnen, klar ausweisen, welchen Gewinn sie explizit mit den Snippets erwirtschaften und davon dann einen Anteil an das noch zu gründende LSR-Gremium abführen, das dann wiederum die Verwerter auszahlen muss.

    Was ein Spaß – und was für ein bürokratisches Monster.

    Das ganze Konzept Leistungsschutzrecht hinkt vorne und hinten und ist vollkommen unsinniger Panik-Lobbyismus einer Branche, die nicht weiß, wie sie mit der Digitalisierung und Vernetzung umgehen soll.

    Comment by scanlines — 7.03, 2012 @ 23:06

  7. Der große Fehler der Verlage war, daß sie nicht schon vor Jahren ein eigenes AdWords-System eingeführt haben. Sie taten es nicht, weil sie glaubten, damit ihre Anzeigenerlöse zu kannibalisieren. Nun haben sie allerdings keine Zeit mehr und auch nicht das Know-how, um den Fehler wettzumachen.

    Adieu.

    Comment by Tim — 8.03, 2012 @ 09:44

  8. Sie sind zu pragmatisch für einen Anwalt! Bitte geben sie sich etwas Mühe und konstruieren sie unter der Verwendung des Begriffs „geistiges Eigentum“ irgendein rechtstheoretisches Gedankengebäude um das Leistungsschutzrecht zu rechtfertigen!

    Comment by Bionic — 8.03, 2012 @ 09:58

  9. Wenn das Leistungsschutzrecht auf Snippets abzielt, was ist dabei eigentlich die Leistung der Verlage, die geschützt werden soll?
    Und wenn das Erstellen von Snippets eine schützenswerte Leistung ist, sind die von einem News-Aggregator selbst erstellten Snippets dann auch geschützt?

    Die Reaktion von Google wird sein, bei allen Mitgliedern dieser Verwertungsgesellschaft nur noch Links und keine Snippets anzuzeigen. Und dann werden wir sehen, wer ohne Snippet dann auf den Link klickt oder ob dann lieber auf den anderen Link mit Snippet geklickt wird.

    Comment by AndreasM — 8.03, 2012 @ 10:49

  10. Als Politiker würde ich einfach mal nachfragen, welche Vorkehrungen g e g e n den Diebstahl getroffen werden. Antwort dürfte im Augenblick sein: Garnichts.
    Sollen doch die Verlage, wenn nicht hinter Bezahlschranken, robots.txt verwenden oder sich hinter anmeldepflichtige Foren verbergen. Es ist nun einmal Tatsache, dass Technik das Abgreifen von webseiten ermöglicht. Deswegen: Eigenvorsorge, und das Thema wäre weitgehend vom Tisch. Nichtstun der Verlage wäre m.E. genauso angreifbar.

    Comment by GustavMahler — 8.03, 2012 @ 12:36

  11. An dieser Stelle muss ich einfach auf den wirklich brillanten Artikel bei neusprech.org verweisen:

    http://neusprech.org/leistungsschutzrecht/

    Comment by Volker Birk — 8.03, 2012 @ 12:55

  12. Da treffen halt der Wunsch diesmal der Verlage nach einem Staatssozialismus für das 1 % der Bevölkerung, sprich Kohle machen ohne sich die am lästigen kapitalistischen Markt verdienen zu müssen, auf der einen Seite und die geballte Internet-Inkontinenz unserer Politiker aufeinander. ;-)

    Das ist als würden Pinguine den Vögeln vorschreiben wollen wie man richtig zu fliegen hat. ;-)

    Comment by Musenrössle — 8.03, 2012 @ 13:52

  13. Ich habe mich auch schon gefragt, warum es überhaupt einer solchen Regelung bedarf. Google verweist auf kostenlos abrufbaren Content, der von den Verlegern freiwillig ins Netz gestellt wurde, OHNE paywall.

    Im Gegenteil, ohne Google würden viele Artikel gar nicht beachtet, weil kein normaler Mensch alle Nachrichtenseiten täglich nach interessanten Artikeln durchsuchen kann.

    Aber warten wir doch einmal ab, ob Google ähnlich wie in Belgien reagieren würde (Rauswurf der Verlage/Zeitungen aus dem Index), denn Google soll seine Suche gefälligst kostenlos zur Verfügung stellen, die nutzt den Verlagen ja.

    Comment by Alexander Schwarz — 8.03, 2012 @ 21:12

  14. Ein Vertreter vom ZBV meinte mal, die bräuchten das Leistungsschutzrecht ungeklärter rechtlicher Ausgestaltung, weil sie die Verwertungskette nicht wasserdicht nachvollziehen können.
    Den Einwand, dass das eher ein Problem des Vertragsmanagements sei, wies er aber empört zurück. Angeblich gäbe es Sachverhalte, in denen zwar die Zeitung das Recht zur Offline-Verwertung habe, aber nicht online.
    Das dürfte aber aus mehreren Gründen ziemlicher Unfug sein. Zum einen stellt sich niemand hin und scannt Zeitungen ein, um sie dann im Internet kostenpflichtig zu veröffentlichen (wozu auch, ist doch sowieso kostenfrei online). Damit das aber auch online verfügbar sein darf, braucht der Verlag die Lizenz für Online-Verwertung, es sei denn, er handelt selbst rechtswidrig… Zum anderen ist eigentlich außer Google News kein Angebot bekannt, das irgendwie die Inhalte der Verlage nutzt.

    Comment by nutella — 13.03, 2012 @ 14:16

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