Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.1.12

LG München I verbietet Veröffentlichung von Auszügen aus „Mein Kampf“

Das Landgericht München I  hat es einem englischen Verleger auf Antrag des Freistaates Bayern per einstweiliger Verfügung verboten, kommentierte Auszüge aus Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ zu veröffentlichen.

Die 7. Zivilkammer begründet ihren Beschluss mit dem Urheberrecht des Freistaats Bayern und weist insoweit darauf hin, dass  die geplante Publikation nicht vom Zitatrecht gedeckt sei.

Mir hat sich insoweit schon immer die Frage gestellt, ob der Freistaat Bayern tatsächlich der Rechtsnachfolger Adolf Hitlers im Sinne von § 30 UrhG ist. Denn Rechtsnachfolger sind naheliegenderweise die Erben Hitlers. Der Freistaat Bayern reklamiert das Urheberrecht ja deshalb für sich, weil er das Vermögen Hitlers nach dem Abzug der Alliierten eingezogen hat. Jetzt ist das Urheberrecht aber kein typisches Vermögensrecht oder gewerbliches Schutzrecht, sondern weist eine starke persönlichkeitsrechtliche Komponente auf. Es ist demzufolge fraglich, ob die Einziehung des Vermögens tatsächlich auch das Urheberrecht umfasst hat.

Wie es in der Pressemitteilung des Gerichts weiter heißt, sieht die Kammer auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Freistaat Bayern aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert wäre, den urheberrechtlichen Verbotsanspruch gegen die Antragsgegner durchzusetzen.

Genau das dürfte allerdings die Frage sein. Denn dem Freistaat Bayern geht es ersichtlich nicht um die Durchsetzung (legitimer) urheberrechtlicher Interessen, sondern erkennbar um die Verfolgung politischer Ziele. Das Urheberrecht dient als Vehikel dafür, ein Publikationsverbot durchzusetzen, was m.E. allerdings verfassungsrechtliche Fragen aufwirft.

Das Verbot des Freistaats Bayern ist mittlerweile auch rechtspolitisch kaum mehr vertretbar, zumal es vorliegend nur um die Veröffentlichung kommentierter Auszüge ging.
Quelle: Pressemitteilung des Landgerichts München I, zum Beschluss vom 25.01.2012 (Az.: 7 O 1533/12).

posted by Stadler at 17:50  

11 Comments

  1. 2015 ist Hitler 70 Jahre tot, dann sollte doch auch der Urheberecht von Mein Kampf auslaufen, oder etwa nicht?
    Spätestens dann muss sich der Freistaat eine andere Ausrede suchen mit der sie die Veröffentlichung verhindern können.

    Comment by Fahrrad — 26.01, 2012 @ 18:09

  2. Hier entsteht also der dringende Tatverdacht, der bayerische Staat hätte etwas zu verbergen. Offenbar soll hier die Motivation der Millionen Bayern verdeckt werden, die geholfen haben, Europa in Schutt und Asche zu legen sowie 20 Mio. Russen und 6 Mio. Juden zu töten. Erstaunlich ist auch, dass der Staat ein Urheberrecht haben soll, dass er dazu nutzt, den Bürgern des Staates daas Eigentum vorzuenthalten, also sozusagen ohne Entschädigung zu privatisieren.
    Hier tritt offenbar ein Staatsverständis zu Tage, das zu den im Buch beschriebenen Inhalten immer noch kompatibel ist.

    Tauss hat sich heute auch gewundert über den Bundestag: „Hatten einige im #Bundestag schon immer ein Rad ab? Merk‘ ich’s jetzt erst? #IFG valuierungsauftrag „begrenztem Kreis vorbehalten““

    Zu einen kann man sich freuen, dass 2016 das Urheberrecht an dem Werk erlischt, zum anderen zeigt der Casus nur erneut, wie entartet das Urheberrecht ist und von zwielichtigen Gestalten missbraucht wird, die verheimlichen wollen, wie es zur schrecklichsten Katastrophe des 20sten Jahrhunderts ausgehend von Bayern (Haftanstalt Landsberg) kam. Mit diesen Menschen ist kein Staat mehr zu machen.

    Schon in dem Artikel zu megaupload
    http://www.internet-law.de/2012/01/megaupload-kimble-nicht-mehr-auf-der-flucht.html (Nr. 35)
    hatte ich darauf hingewiesen, dass in den USA ein solches Verhalten wie das der bayerischen Landesregierung undenkbar ist. Dort haben linke Körnerfresser, pickelige, colatrinkende, „Mein Kampf“ ins Netz gestellt, weil denen das Recht auf freie Meinungsäußerung nach dem ersten Zusatz zur amerikanischen Verfassung wesentlich wertvoller ist, als der untaugliche Versuch der Zensur.

    Zudem ist der Prozess ein kafkaeskes Verfahren von nutzloser, steuerverschwendender Symbolpolitik. Der Originaltext ist für jedermann im Internet zugänglich. Dadurch, dass nun auch noch verhindert wird, dass der entratene faschistische Dreck ordentlich kommentiert wird, werden die Deutschen dem Mist direkt und ungefiltert ausgesetzt. Man darf gar nicht darüber nachdenken, dass die bayerische Landesregierung den festen Willen hat, dass dieser faschistische Dreck nur im Original ohne Kommentare gelesen wird.

    Ich glaube, wir sollten das Urheberrecht ersatzlos abschaffen, damit es nicht weiter politisch missbraucht wird wie von der bayerischen Landesregierung, was hier mit dem Willen des Urhebers nichts zu tun hat, oder doch?

    Comment by Jan Dark — 26.01, 2012 @ 18:15

  3. Denn Rechtsnachfolger sind naheliegenderweise die Erben Hitlers.

    Die Frage ist, wer die „Erben Hitlers“ sind.

    Zuerst müsste man prüfen, ob es einen vom Staat unterschiedenen gewillkürten Erbe gibt.

    Die letztwillige Verfügung Hitlers vom 29. April 1945 lautet wörtlich:

    „Was ich besitze, gehört – soweit es
    überhaupt von Wert ist – der Partei. Sollte
    diese nicht mehr existieren, dem Staat, sollte
    auch der Staat vernichtet werden, ist eine weitere Entscheidung von mir nicht mehr notwendig.“

    http://www.ns-archiv.de/personen/hitler/testament/testament-1945.php

    Das müsste man auslegen, es spricht wohl für „den Staat“ als Erben.

    Die Frage ist aber, ob die Verfügung rechtswirksam ist, denn sie ist nicht eigenhändig geschrieben, sondern mit der Schreibmaschine. Es könnte sich aber um die Niederschrift eines Nottestaments nach § 2250 BGB handeln.

    Erst ganz zum Schluss ginge es dann um leibliche Verwandte von Hitler.

    Comment by fernetpunker — 27.01, 2012 @ 07:23

  4. @fernetpunker: M.W. gab es da eine Schwester, der auch ein Erbschein erteilt wurde

    Comment by Stadler — 27.01, 2012 @ 07:32

  5. Hallo,

    aber der eigentliche Hammer ist doch, dass das LG überhaupt das Urheberrecht zur Anwendung bringt. Es gibt doch klare Kriterien, die erfüllt werden müssen (Schöpfungshöhe, Originalität ….) damit Schriften durch das Urheberrecht geschützt werden. Es findet also durch das Urteil implizit eine Adelung von „Mein Kampf“ statt. Was glaubt denn das LG, was mein Kampf ist? Kunst?

    Comment by Bernd — 27.01, 2012 @ 08:12

  6. Diese Thematik hat Serdar Somuncu bereits sehr treffend angeschnitten. Wie verhält es sich mit den zahlreichen Komplettübersetzungen, z.B. in türkisch oder hebräisch? Kennen Sie Mein Kampf von George Tabori?

    VG,
    Marko.

    Comment by Marko Gührke — 27.01, 2012 @ 09:41

  7. Ja, das Urheberrecht der Schriften Hitlers erlischt am 1. 1. 2016, weshalb das Institut für Zeitgeschichte auch bereits seit längerem eine umfangreichee, historisch-kritische Ausgabe von „Mein Kampf“ für dieses Datum vorbereitet.

    Comment by Marc B. — 27.01, 2012 @ 11:01

  8. @Stadler,

    Sie haben Recht:

    Am 17.2.1960 – 15 Jahre nach Hitlers Tod – habe das Amtsgericht München, da die NSDAP als Haupterbin nicht mehr existierte, einen Erbschein für Paula Hitler ausgestellt, Adolf Hitlers einzige Schwester. Nach deren Tod fiel das Erbe an die Kinder ihrer Halbschwester Angela Hitler.

    http://www.ns-archiv.de/personen/hitler/testament/index.php

    Da fragt man sich wirklich, warum das Urheberrecht an „Mein Kampf“ nicht an die Schwester „ging“. Was umfasste denn überhaupt noch die Erbmasse Hitlers, wenn das Vermögen an den Freistaat fiel? Das wäre ja dann gerade das Urheberrecht gewesen. Allerdings trifft der Erbschein keine materiellrechtliche Aussage über die Erbfolge. Er gewährt nur einen Verkehrsschutz, der beim Urheberrecht an „Mein Kampf“ nicht relevant ist.

    Comment by fernetpunker — 27.01, 2012 @ 13:17

  9. Ich habe „Mein Kampf“ noch nie gelesen. Ich werde es wahrscheinlich auch niemals lesen. Jedoch werden das andere bestimmt anders sehen. Denn Bayern erreicht durch dieses Verhalten das genaue Gegenteil. Denn viele werden jetzt richtig neugierig: „Warum will Bayern partout nicht, dass dieses Buch oder gar nur Auszüge veröffentlicht werden?“.

    Es geht nur um Auszüge, und diese sind sogar kommentiert. Bayern verhält sich hier armselig.
    Und dass ein LG in München im Sinne Bayerns entscheidet, war ja wohl mehr als zu erwarten.

    Comment by J. S. — 27.01, 2012 @ 13:36

  10. „Ich habe “Mein Kampf” noch nie gelesen. Ich werde es wahrscheinlich auch niemals lesen.“

    Das braucht man auch nicht, um beurteilen zu könenn, ob unsere Kinder sich frei informieren können, was ihre Großerltern dazu getrieben hat, Europa zu verwüste, 20 Mio Russen und 6 Mio Juden zu ermorden.

    Es ist in hohem Maße heuchlerisch, hörte sich im Bundestag begeistert wir Frau Köhler, CDU, Recihn-Ranitzkii anzuhören, zu den Nazi-Morden brutalst möglich zu schweigen (und wie Frau Köhler früher Schröder nur den „linken Terror“ zu bekämpfen) und die Gründe für den braunen Terror zu verstecken wie die bayerische Landesregierung, CSU/FDP.

    Es ist in hohem Maße dumm, hier das Copyright zu missbrauchen, während gleichzeitig der Nazi-Dreck für jedermann im Internet als historischens Dokument verfügbar ist.
    Zum Beispiel hier bei Haarod in Toronto, Kanada:
    http://www.harrold.org/rfhextra/download/Adolf%20Hitler%20-%20Mein%20Kampf%20-%20German.pdf
    Dort wird sich auf die Menschenrechte berufen statt auf das Urhebergesetz in Deutschland:
    „Artikel 19 der Menschenrechte: Jedermann hat das Recht auf Freiheit der Meinung und der
    Meinungsäußerung; dieses Recht umfaßt die unbehinderte Meinungsfreiheit und die Freiheit, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut durch Mittel jeder Art sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.“
    Oder hier in den USA, wo man die Meinungsfreiheit höher ein schätzt als in Bayern:
    http://ia700200.us.archive.org/11/items/Mein-Kampf2/HitlerAdolf-MeinKampf-Band1Und2855.Auflage1943818S..pdf

    Mein Großonkel saß als katholischer Priester im KZ in Dachau (für die Kinderschänderei in den 50ern wurde er nicht bestraft, sondern in Österreich vom Klerus vor der Strafverfolgung versteckt). Nach Meinung der bayerischen Behörden, soll ich nicht erfahren, welche entartet Ideologie in Bayern und aus Bayern ihn dahin gebracht hat. Diese Bonzen sollten sich schämen.

    Comment by Jan Dark — 27.01, 2012 @ 16:52

  11. Dann soll mal einer vor einem amerikanischen Gericht klagen, die machen doch grade das große Copyright-Fass auf. Da wird der Freistaat vermutlich verlieren, weil die biologische Verwandschaft die Erben noch lebt. Das dumme Pamphlet is also kein herrenloses Erbe.
    Bücherverbrennung und Leseverbot, zwei große deutsche Traditionen.

    Comment by Heiliger Geist — 29.01, 2012 @ 10:48

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