Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.7.11

OLG München: Teilnahme an P2P-Netzen begründet immer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß

Das OLG München hat mit Beschluss vom 26.07.2011 (Az.: 29 W 1268/11) entschieden, dass dem Filesharing vom urheberrechtlich geschütztem Material über ein P2P-Netzwerk grundsätzlich ein gewerbliches Ausmaß zukommt.

Der Kernsatz der Entscheidungsbegründung hierzu lautet:

Einer Rechtsverletzung, die im Angebot einer Datei mit urheberrechtlich geschütztem Inhalt auf einer Internet-Tauschbörse liegt, kommt – ohne das es weiterer erschwerender Umstände bedürfte – grundsätzlich gewerbliches Ausmaß im Sinne von § 101 Abs. 2 UrhG zu.

Warum ich diese Annahme juristisch für unzutreffend halte, habe ich hier (unter Update) kürzlich erst erläutert.

Wenn man dem OLG München folgt, heißt das natürlich auch, dass es in P2P-Netzwerken kein privates Handeln mehr gibt.

posted by Stadler at 11:11  

11 Comments

  1. Die Freude der Abmahnanwälte über diesen Beschluss des OLG München wird sich vermutlich in Grenzen halten, denn es gilt auch § 101 Abs. 9 UrhG ( “ … Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat,ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. …“ )Die DT AG “ sitzt “ doch im Gerichtsbezirk Köln, oder irre ich. ( ? )

    Comment by Aika96 — 30.07, 2011 @ 12:04

  2. Hier geht es aber nur um den Auskunftsanspruch, oder?

    Comment by C.K. — 30.07, 2011 @ 12:14

  3. @Aika96:
    Für die Telekom ist Köln zuständig. In München laufen Auskunftsverfahren u.a. gegen O2 und Kabel Deutschland, weil die dort ihren Sitz haben.

    Comment by Stadler — 30.07, 2011 @ 12:34

  4. @ C.K.
    ja,in dem OLG – Beschluss ging es um eine Be- schwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss zum Auskunftsanspruch.(LG München I, 7 O 1310/11
    vom 12.07.2011)§ 32 ZPO kann wohl nicht greifen.

    Comment by Aika96 — 30.07, 2011 @ 12:34

  5. M. E. offenbart der folgende Absatz aus Urteil deutlich den Grundirrtum des Gerichts, die krausen Gedanken des Richters und seine begrenzte Weltsicht. Zitat:

    „Das öffentliche Angebot einer Datei mit urheberechtlich geschütztem Inhalt auf einer internet-Tauschbörse zum Herunterladen ist keine private Nutzung. Wer eine solch Datei auf einer Internet Tauschbörse zum herunterladen anbietet, handelt nicht rein altruistisch oder in gutem Glauben. Er stellt sie einer nahezu unbegrentzen Vielfalt von Personen zur Verfügung. Er kann und will in dieser Situation nicht mehr kontrollieren, in welchem Ausmaß von seinem Angebot Gebrauch gemacht wird, und greift damit in die Rechte des Rechteinhabers in einem Ausmaß ein, das einer gewerblichen Nutzung entspricht. Er strebt auch mittelbar einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne der Durchsetzungs-Richtlinie an, weil er eigene finanzielle Aufwendungen für den erwünschten Erwerb der von dem Tauschpartner kostenfrei bezogenen Werke erspart. Einem derartigen Angebot kommt daher gewerbliches Ausmaß zu.“

    Zunächst: Es kommt nicht auf die Vielfalt, d.h. die Unterschiede der Bezieher des Angebots an, sondern auf deren Zahl. Zudem sind z. B. vom Angebot jeder Linux-Distribution Inhaber von Urheberrechten in großen Zahl betroffen. Es ist klar, dass in diesen Fall die Urheber einer Verbreitung zugestimmt haben, das ist nicht der Punkt. Die Behauptung im Urteil aber, allein aus dem Angebot urheberrechtlich geschützter Dateien könne auf die Gewerbsmäßigkeits geschlossen werden, ist nachweislich falsch. Da die genannten Linux-Distributionen in jedem Fall kostenfrei verteilt werden, wie zig andere Programme im Open Source und Freeware-Bereich auch, gibt es auch keinen Automatismus durch die eigene Verbreitung solcher zweifellos durch Urheberrecht geschützten Dateien, einen wirtschaftlicher Vorteil zu erlangen. Und schließlich ist in diesen Fällen, trotz des zweifelos ebenfalls bestehenden Kontrollverlusts bezüglich der Bezieher der via P2P angebotenen Dateien nicht automatisch ein gewerbliches Ausmaß gegeben. Es ist m. E. zweifelhaft, auf eine fehlerhafte Annahme gestützt Gewerbsmäßigkeit zu unterstellen, wenn mit dem Angebot (erstmalig) eine Rechtsverletzung verbunden ist. Würde man das Prinzip auf andere justziable Tatbestände ausdehnen, man würde selbst Ersttäter z. B. eines Einbruchs, nur noch als „Serientäter“ behandeln. Das wäre sicher nicht im Interesse der Gesellschaft. Ich bezweifle, dass es Aufgabe der Gerichte ist, sich erkennbar einseitig die Sicht der Rechteinhaber zu eigen zu machen.

    Comment by M. Boettcher — 30.07, 2011 @ 13:56

  6. Interessant wäre die Begründung des Gerichts, warum denn der Gesetzgeber zwischen privat und gewerblich unterscheidet, wenn lt. Gericht sowieso immer ein gewerbliches Ausmaß vorliegt

    Comment by Foto — 30.07, 2011 @ 16:20

  7. @O2 und Kabel Deutschland Kunden:

    SCHLEUNIGST den Provider wechseln! Wenn das OLG München derartige Entscheidungen fällt, ohne daß die Provider reagieren, sollte einem das zu denken geben. Ich für meinen Teil wäre als Kunde jedenfalls verloren.
    Und das völlig unabhängig vom vorliegenden Fall als solches! Mit Blick in die Zukunft (evtl. Entwicklungen rund um das Thema „INternet“) wäre mir persönlich der (SONY-)Gerichtsbezirk des OLG München zu (rechts-)unsicher…

    Schönes WE, Baxter

    Comment by Baxter — 30.07, 2011 @ 16:36

  8. Guter Blogpost! Ich werde da noch mal nachhaken!

    Comment by Lasse — 7.08, 2011 @ 15:45

  9. Das ist ja mal reichlich geisteskrank, liegt aber voll auf der Linie von Berlin (gegen den Rest der Welt).

    Comment by Heiko — 8.10, 2011 @ 18:13

  10. „Interessant wäre die Begründung des Gerichts, warum denn der Gesetzgeber zwischen privat und gewerblich unterscheidet, wenn lt. Gericht sowieso immer ein gewerbliches Ausmaß vorliegt“

    Der Gesetzgeber koennen wir hier vergessen.

    Berlin faehrt hier innerhalb des Rechtsrahmens der EU eine spezielle Tour. Der Begriff der Geschaeftsmaessigkeit ist nach Auffassung von Berlin dehnbar. Nach Ansicht der EU ging es um die direkte oder indirekte kommerzielle Absicht. Eine solche Differenzierung kann jeder Buerger verstehen und auch nachvollziehen. Berlin geht weiter und stellt auf die Geschaeftsschaedigung ab, als ob tatsaechlich ein Geschaeft weniger abgeschlossen wuerde. P2P ist selbstverstaenlich geschaeftsschaedigend, wenn es nicht eine verschnarchte Technik von Vorgestern waere.

    Was kuemmern wir uns ueberhaupt noch darum? Und was kuemmert P2P die Industrie? Aufwachen!! Holt Euch Eure Kohle direkt bei den Internetprovidern. Eine Internetabgabe ist durchsetzbar!

    Comment by Heiko — 8.10, 2011 @ 18:23

  11. Cooler Richter:

    „Er strebt auch mittelbar einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne der Durchsetzungs-Richtlinie an, weil er eigene finanzielle Aufwendungen für den erwünschten Erwerb der von dem Tauschpartner kostenfrei bezogenen Werke erspart. Einem derartigen Angebot kommt daher gewerbliches Ausmaß zu.“

    Entgeltlichkeit sehr gut begruendet. Wenn wir technische Bedingungen fuer ein Geschaeft halten koennten. Aber gewerbliches Ausmass? Muessten es dafuer nicht ein paar Dateien mehr sein? Und kommt es nicht auch auf das Alter der Werke an? Gab es nicht einmal eine nur zwei Jahre dauernde Verwertungsphase? Ausserhalb derer ein gewerbliches Ausmass schlechthin ausgeschlossen ist?

    Aber wer muss sich darum kuemmern? Die Politiker, die eine Wiederwahl anstreben.

    Comment by Heiko — 8.10, 2011 @ 18:35

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