Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.6.11

AK Zensur nimmt zum „Depublizieren“ Stellung

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat für den Innen- und Rechtsausschuss des Landtages von Schleswig-Holstein eine Stellungnahme zum Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags verfasst.

Den Schwerpunkt legt der AK dabei auf den Aspekt des Depublizierens. Die öffentlich-rechtlichen Sender mussten in letzter Zeit hundertausende Beiträge aus ihren Online-Archiven entfernen. Hintergrund ist der, dass ARD, ZDF und Deutschlandfunk nach dem 12. Rundfunkänderungs-Staatsvertrag gehalten sind, ihre Online-Aktivitäten erheblich einzuschränken. Damit werden dem Bürger Inhalte vorenthalten, die er mit seinen Rundfunkgebühren finanziert hat und die die Sender eigentlich auch gerne im Netz belassen würden. Der Gesetzgeber sieht hierin aber eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten privater Sender und Verleger.

Der AK Zensur legt in seiner Stellungnahme dar, dass diese Regelungen verfassungsrechtlich zweifelhaft sind und zudem für die Erfüllung der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung kontraproduktiv.

posted by Stadler at 11:41  

23 Comments

  1. Zitat 1: „Der im 15. RÄStV vorgesehene Systemwechsel von der Rundfunkgebühr zum
    Rundfunkbeitrag ist grundsätzlich zu begrüßen.“

    Zitat 2: „Es werden vor allen Dingen weniger Wohnungsbesuche durch Gebührenbeauftragte
    notwendig.“

    Zitat 3: „Hierfür hat sich der Neologismus des „Depublizierens“ etabliert. Dieser auch vom öffentlichrechtlichen Rundfunk selbst verwendete Begriff …“

    Wer Z. 2 glaubt, Z. 1 so in den Raum knallt und nicht weiß, dass der Begriff Depublizieren als Anklage gegen das Löschen von Kochrezepten auf öffentlich-rechtlichen Seiten von den Sendern selbst erfunden wurde, der ist offensichtlich aktives Glaubensmitglied der Kirche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und nicht weiter ernst zu nehmen.

    Comment by hape — 11.06, 2011 @ 16:21

  2. Das ist lustig, denn RTL/Sat 1/Vox/Kabel 1 und wie sie alle heißen stört das überhaupt nicht, weil sie nicht an diesen Vertrag gebunden sind. Die publizieren munter vor sich hin – bis hin zu Vollständigen Videoseiten wo 7 Tage lang ganze Episoden gesehen werden können…

    Comment by Obi — 11.06, 2011 @ 18:23

  3. Den AK Zensur nehme ich ja schon seit dem eingeschränkten JA zur VDS nicht mehr so richtig ernst.

    Das oben zitierte Zitat 2 schiesst den Vogel aber endgültig ab. Um festzustellen, was ein Haushalt ist, sind offensichtlich nicht weniger Hausbesuche nötig, auch nicht mehr, aber die Intensität der Datenerhebung bei den Besuchen muss selbstverständlich steigen, da nunmehr erhoben werden muss, wer zu einem Haushalt gehört. Solche Zusammenhänge zwischen Personen sind bisher nirgends vollständig erfasst, aber es handelt sich um äusserst sensible Daten.

    Comment by Ein Mensch — 12.06, 2011 @ 00:50

  4. Es gibt kein eingeschränktes JA des AK Zensur zur VDS!

    Comment by Stadler — 12.06, 2011 @ 10:42

  5. @Hape: Im Hinblick auf die Wohnungsbesuche (Zitat 2) ist der Sichtweise des AK Zensur jedenfalls aber doch sicherlich soweit zuzustimmen, als dass nun gerade nicht mehr ausgeforscht werden muss, ob/welche Empfangsgeräte vorhanden sind. Insoweit erübrigt sicht das Betreten der Wohnung (so auch Kirchhof, Gutachten, S. 58).

    @Ein Mensch: Genau genau genommen knüpft der geplante neue Rundfunkbeitragsstaatsvertag im privaten Umfeld tatbestandlich gar nicht an den sicher nicht ganz sauber zu konturierenden Begriff des Haushaltes an, sondern an den der Wohnung. Eben genau mit der Absicht, dass durch eine solche Anknüpfung – anders als bislang – ein Nachforschen im grundrechtlich geschützten Bereich der Wohnung nicht (mehr) notwending sein wird (vgl. Begründung zum 15. RÄStV, S. 10). Vor-Ort-Kontrollen werden damit gewiss nicht vollständig obsolet werden, aber wohl eben in Häufigkeit und vor allem im Hinblick auf den Umfang geringer ausfallen und insoweit grundrechtsfreundlicher werden.

    @Obi: Wieso sollten denn auch die Privaten verpflichtet werden? Dem Gesetzgeber ging es doch anscheinend vor allen Dingen genau um den Schutz der privaten Anbieter.

    Comment by MLJ — 12.06, 2011 @ 13:46

  6. An „Ein Mensch“:

    Wieso muss denn die Intensität der Datenerhebung zwangsläufig steigen? Es muss doch zukünftig nur erfasst werden: Da gibt es eine Wohnung und ja, dazu gibt es einen Beitragsschuldner. Fertig. Welche sonstigen Personen in der Wohnung leben, ob Geräte dort bereitgehalten werden etc. interessiert doch gar nicht. Das Prinzip ist schlicht: „eine Wohnung – ein Beitragsschuldner“.

    Comment by Samson — 12.06, 2011 @ 15:44

  7. @MLJ: Die Rundfunkgebührenbeauftragten war es gar nicht möglich die Wohnung zu betreten, ohne dass sie dazu eingeladen wurden. Von daher ist da kein Fortschritt. Sie dürfen Leute befragen und statt nach Rundfunkgeräten fragen sie jetzt halt Dinge ab, die nach dem Staatsvertrag eine Wohnung kennzeichnen sollen. Dazu kommt, dass eigentlich Betriebe intensiver durchleuchtet werden müssen, weil die nach Beschäftigten gestaffelt zahlen. Dass die Schnüffelei weniger wird durch die Neuregelung, halte ich für ein Märchen.
    @Samson: Die Gleichung eine Wohnung – ein Schuldner kommt nach dem neuen Staatsvertrag nicht hin. Dort wird ausdrücklich festgestellt, dass jeder Mitwohnende zur Kasse gebeten werden kann. § 2: Als Inhaber [einer Wohnung und somit Beitragsschuldner] wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist.
    D.h. aber auch, dass die erstmal erfasst werden müssen. Auch da werden Wohnungsbesuche fällig.

    Comment by hape — 12.06, 2011 @ 17:51

  8. PS: Letzter Satz in 7. ist Unsinn. Ich war schon wieder ganz woanders.

    Comment by hape — 12.06, 2011 @ 18:54

  9. @hape (Nr. 7):

    Der Einsatz von Gebührenbeauftragten bleibt den Landesrundfunkanstalten auch nach dem neuen RBStV lediglich als ultima ratio möglich. Zuvor haben die Landesrundfunkanstalten weitere Werkzeuge und Kontrollmöglichkeiten zur Hand. Wie zB Auskunftsrechte, Ermächtigungen zur Datenerhebung (subsidiär) und zuletzt auch Sanktionsmöglichkeiten.

    Korrekt ist, dass es nach wie vor für die Gebührenbeauftragten (künftig dann wohl eher „Beitragsbeauftragte“, vgl. Begründung zum 15. RÄStV, S. 33) kein Betretungsrecht oder ähnliche Eingriffbefugnisse geben soll. Durch die datenschutzfreundliche Anknüpfung an eine Wohnung ist es wie gesagt eben auch nicht mehr notwendig bspw. nach den vorgehaltenen Geräten oder anderen Bewohnern der Wohnung zu fragen. Sondern es muss in den Zweifelsfälle, in denen es zum Einsatz von Gebührenbeauftragten kommt, nur noch festgestellt werden, ob eine Wohnung vorhanden ist und ob es dazu (irgend)einen Beitragsschuldner gibt (vgl. Herb, MMR 2011, 232, 237 und Bull, 2010, passim). Insoweit hat Samson (Nr. 6) im Grundsatz schon recht. Wenngleich es statt „eine Wohnung – ein Beitragsschuldner“ korrekt wohl eher heißen muss „eine Wohnung – ein Beitrag“ (so auch wörtlich in der Begründung zum 15 RÄStV, S. 21 unten und S. 24 oben). Im Übrigen dürften sich dabei in der Praxis kaum Unklarheiten bei der Frage ergeben, ob tatbestandlich von einer Wohnung auszugehen ist oder nicht. Insoweit bleibt es letztlich eben bei der Ermittlung (irgend)eines Beitragsschuldners durch den Beitragsbeauftragten. Dabei ist die Verbindung der Bewohner untereinander erst einmal grundsätzlich irrelevant und bedarf – nicht zuletzt aus grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Erwägungen – keinerlei Erfassung.

    In Ansehung all dessen kann man die Annahme des AK Zensur, wonach es in Zukunft unter Anwendung des neuen RBStV zu einem deutlichen Rückgang beim Einsatz von Gebührenbeauftragten im Privatbereich kommen wird, mE nur zustimmen (so im Übrigen auch Herb, a.a.O., S. 237; Begründung zum 15. RÄStV, S. 3 oben). Gleichfalls kann ich in Ansehung dessen immer noch keine Intensivierung der Erhebung erkennen.

    Der Umstand, dass demgegenüber Betriebe bzw. einzelne Betriebsstätten durch Vor-Ort-Kontrollen ggf. stärker unter die Lupe genommen werden müssen, ist sicherlich nicht ganz falsch. Aber im Hinblick auf Art. 13 GG ist ein solches Vorgehen erst einmal grundsätzlich irrelevant. Und soweit ich es übersehen kann wurde dieser Umstand von AK Zensur auch nicht thematisiert, wenn dort lediglich von „Wohnungsbesuchen“ die Rede ist.

    Comment by MLJ — 12.06, 2011 @ 21:29

  10. @MLJ: „Im Übrigen dürften sich dabei in der Praxis kaum Unklarheiten bei der Frage ergeben, ob tatbestandlich von einer Wohnung auszugehen ist oder nicht.“
    Unterschätzen Sie die Praxis nicht. Was sich in einem Gesetz erst mal einleuchtend anhört und für viele Fälle auch kaum Probleme macht, landet dann doch wieder bei den Gerichten. Bei http://www.pc-gebuehr.de/wohnungsabgabe.html hat sich jemand ein paar Gedanken gemacht, wo die Haken sein könnten.

    Comment by hape — 13.06, 2011 @ 08:25

  11. @hape (Nr. 10):

    Sie haben ja recht, es wird – wie immer im Leben – Zweifelsfälle geben, in denen in letzter Konsequenz ein Richterspruch Klarheit bringen muss. Aber ich halte diese Fälle in Ihrer Anzahl für überschaubar.

    Zu den unter http://www.pc-gebuehr.de/wohnungsabgabe.html genannten Beispielen möchte ich sagen, dass auch diese mich in der Mehrzahl nicht zu üerzeugen vermögen. Insbesondere weil der RBStV bzw. seine Begründung in vielen Fällen schon eine Antwort auf die dort aufgeworfenen Fragen bietet. Auch hier bewahrheitet sich mal wieder: Ein Blick ins Gesetz hilft bei der Rechtsfindung!

    Zu ausgewählten Beispielen der genannten Quelle:

    a) Wohngemeinschaften
    Klassische WGs sind insgesamt als eine Wohnung i.S.d. RBStV zu werten (vgl. Begründung zum 15. RÄStV, S. 11).

    b) Einzelzimmer
    Ein einzelnes Zimmer ist regelmäßig nicht als Wohnung i.S.d. RBStV zu identifizieren (vgl. Begründung zum 15. RÄStV, S. 11).

    c) Beitragspflicht von Eigentümern unbewohnter Wohungen
    Abgesehen davon, dass m.E. bei unbewohnten, d.h. für mich in diesem Kontext vor allem „leerstehenden“ Wohnungen, eine Beitragspflicht schon gegen den Telos des Gesetzes verstoßen würde (Wohnung als Typisierung für Haushalt, vgl. Begründung zum 15. RÄStV, S. 8), fehlt es bei leerstehenden bzw. nicht vermieteten und nicht selbstgenututen Wohnungen schon an einem Inhaber (i.S.v. § 2 RBStV). Insoweit ist also kein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Zugegebenermaßen kann hier im Einzelfall aber wohl sicher die Abgrenzung zur Ferienwohnung nicht ganz trivial ausfallen. Aber in der Allgmeinheit wie in der o.g. Quelle formuliert wird/würde sich das Problem in der Praxis wohl kaum stellen.

    d) Zwei nebeneinanderliegende Wohnungen
    Grundsätzlich gilt, wenn man zwei Wohnungen bewohnt, ist man für beide beitragspflichtig. In der Konstellation, dass die beiden Wohnungen direkt aneinandergrenzen lässt mE jedoch davon ausgehen, dass es sich um einen gemeinsamen Haushalt handelt (in diese Richtung geht auch die Begründung zum 15. RÄStV, S. 11). Zudem gilt in dem genannten Beispiel noch, dass in der einen Wohnung nur die Kinder untergebracht sind. Soweit diese minderjährig sind, stellt sich die Frage hier noch weniger. Im Falle der Volljährigkeit spricht die Lebenswirklichkeit indes wohl sowieso eher dafür, dass es sich um einen eigenen Haushalt handelt und insoweit eine eigene Beitragspflicht auch angemssen wäre.

    Comment by MLJ — 13.06, 2011 @ 09:43

  12. @MLJ: Danke für die ausführlichen Überlegungen. Ich werd’s weiterleiten.

    Comment by hape — 13.06, 2011 @ 11:25

  13. @MLJ: Danke für die Überlegungen, nachfolgend mein Statement dazu. Fühle Dich da bitte nicht persönlich angegriffen, ich würde viele Dinge genauso sehen wie Du, allerdings haben meine Fragen an Juristen zu dem Vertragswerk eben das Misstrauchen gelehrt: Diese konnten mir die Fragen nicht eindeutig beantworten.

    Die von Dir zitierte Seite 11 ist alles andere als aussagekräftig: Die Treppe in einem Einfamilienhaus ist kein Treppenhaus, die Treppe in einem Mehrfamilienhaus soll ein Treppenhaus sein? Woran wird das festgemacht? An der steuerlichen Einordnung des Hauses? Ob das Treppenhaus im Einfamilienhaus offen ist oder es Abgangstüren gibt? Es gilt immer der Einzelfall, das steht dort explizit. Die Kritieren stehen NICHT im Gesetz, sondern werden in der Begründung nur angerissen.

    Zur Begründung des RBStV bleibt zu sagen, dass diese die gleiche Aussagekraft und Verbindlichkeit haben wird wie die Begründungen zu den RGebStVs der letzten Jahre: Keine.

    Verwaltungsgerichte sagen regelmäßig, dass das Gesetz entsprechend formuliert sein muss und man nicht in irgendwelchen beigefügten Begründungen nach dem Recht sucht. Ich habe persönlich als Zuhörer in einem Verfahren in Braunschweig miterlebt, wie ein Richter den Vertreter der Sendeanstalt zur Schnecke gemacht hat, als der mit dem Begründungstext ankam.
    Wenn ich also mal mein Recht damit begründen möchte, könnte ein Richter das gleiche mit mir machen.

    Immerhin stand in einer solchen Begründung auch schon drin, dass für PCs immer dann dann die Gebühr im gewerblichen Bereich fällig werden soll, wenn er nicht AUSSCHLIEßLICH PRIVAT genutzt wird. Es hätte also z.B. Lehrer treffen müssen. Später wurde das dann umgemünzt in die gewinnorientierte Absicht, ganz entgegen des Begründungstextes.

    Du hast selbst geschrieben: Ein Blick ins Gesetz hilft bei der Rechtsfindung! Eben, in das Gesetz und nicht in eine Begründung, die man erst nach langer Suche findet.

    Zu a) Wohngemeinschaften: Das kann man eben so oder so sehen. Im Gesetz steht nicht, dass Vorraum und Treppenhaus im größeren Zusammenhang zu sehen sind.

    Zu b) Einzelzimmer: Ein Einzelzimmer ist sehr wohl als Wohnung zu sehen, wenn es faktisch nur einen Raum gibt. Es heißt im RBStV ja ausdrücklich, dass es auf die Anzahl der Räume NICHT ankommt.

    Zu c) Beitragspflicht von Eigentümern unbewohnter Wohungen: Hier waren sich die befragten Juristen ausnahmslos einig, dass man dann als Eigentümer zahlen muss. Der ganze RBStV redet nicht mehr von Rundfunkteilnehmern, sondern von Wohnungsinhabern.

    Das geht nahtlos zu d) über: Wenn jemand eine Wohnung anmietet für die minderjähren Kinder, ist er der Mieter. Nach Meinung der befragten Juristen zahlt er nochmal, denn von einem Haushalt ist im gesamten RBStV nie die Rede!

    Comment by Harald Simon — 13.06, 2011 @ 14:46

  14. Noch eine Korrektur: Misstrauchen soll natürlich Mißtrauen heißen.

    Zum Wohnungsbegriff stehe ich auch nicht allein, die Datenschutzbeauftragten der Länder sehen die Definition genauso kritisch. Seit April 2010 wird von diesen gefordert, an die melderechtlichen Vorschriften anzuknüpfen.

    Comment by Harald Simon — 13.06, 2011 @ 15:01

  15. @ Harald Simon (Nr. 13):

    Keine Sorge, ich fühle mich keineswegs persönlich angegriffen. Ich finde vielmehr, dass das hier bislang in mehrerlei Hinsicht eine ganz anständige Diskussion ist. :-)

    Man kann sich über diese Dinge natürlich streiten, wenn man denn möchte. Und vor Gericht udn auf Hoher See ist man gewiss allein in Gottes Hand. Aber ganz so leicht kann man eine Gesetzesbegründung bei der Beantwortung von Auslegungsfragen eines Gesetzes auch nicht vom Tisch wischen. Wenngleich ich auch weiß, dass die gerichtliche Praxis gerade im ersten Rechtszug hier auch durchaus schon einmal anders aussehen kann.

    Die Stellungnahme der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zum Entwurf des 15. RÄStV mit Stand v. 15.09.2010 kenne ich. Dort wird auf vermeintliche Abgrenzungsprobleme des im RBStV-E „subjektiv definierten“ Begriffs der Wohnung hingewiesen. Subjektiv ist nach Ansicht der Datenschutzbeauftragten die Festlegung auf das Merkmal „zum Wohnen und Schlafen geeignet“. Allerdings sind diese Merkmale zur Charakterisierung einer Wohnung keinesfalls neu. Sie bestehen bspw. im Melde- und Steuerrecht soweit ich weiß schon über Jahrzehnte. Insofern werden sich hier auch gesicherte Abgrenzungskriterien entwickelt haben, zu deren Anwendung auch nicht in allen Fällen eine Vor-Ort-Kontrolle notwendig sein wird. Viele Zweifelsfälle werden sich – soweit überhaupt notwendig – wohl ebenso gut im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens klären lassen.

    a) Um nochmal kurz auf das herausgegriffene Beispiel der Wohnhgemeinschaft zurückzukommen: Hier kann man bislang nicht nur auf einen Rekurs auf die Gesetzesbegründung verweisen, sondern darüber hinaus noch auf Paul Kirchhof, den „geistigen Vater“ der Gebührenreform. In seinem Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weist er auf S. 63 darauf hin, dass bei Wohngemeinschaften im Regelfalle von einem Haushalt (und damit typisiert von einer einzigen Wohnung) auszugehen ist. Insofern sehe ich die Sache hier doch nochmal eindeutiger zu Gunsten von WGs gelagert und auch in der Praxis kaum noch Spielraum für eine abweichende Beurteilung.

    b) Einzelzimmer
    Beim „Einzelzimmer“ bin ich bislang immer vom berühmten „möblierten Zimmer“ ausgegangen, was man untervermietet. Solange dies ein normales Zimmer innerhalb der Wohnung ist und keinen gesonderten Zugang besitzt, ist dieses Zimmer mE nicht beitragspflichtig. Jedenfalls solange es sich dabei um kein „Gästezimmer zur vorübergehenden Beherbung Dritter“ handelt.

    c) Beitragspflicht von Eigentümern unbewohnter Wohungen
    Wie gesagt, ich vertrete hier die Ansicht, dass unbewohnte Wohnungen, solange es keine Ferienwohnungen o.ä. sind, schon allein aufgrund des Telos des Gesetzes nicht von der Beirtragspflicht erfasst sein können. Und auch bei nochmaligem Blick in den Vertragstext: Bei leerstehenden Wohnungen fehlt es an einem Inhaber i.S.v. § 2 Abs. 2 RBStV, in Verbindung mit Abs. 1 entfällt somit die Beitragspflicht. Aus Interesse gefragt: Wie haben denn die von Ihnen befragten Juristen ihre Einschätzung begründet?

    d) Zwei benachbarte Wohnungen
    Die gesetzliche Fiktion, dass die im Mietvertrag (für die zweite Wohnung) genannten Eltern tatsächlich auch die Bewohner der Wohnung (im Sinne von Inhaberschaft) sind, kann widerlegt werden (Gesetzesbegründung, S. 7). Damit ist es möglich, davon auszugehen, dass die minderjährigen Kinder tatsächlich die Bewohner sind und insoweit eine Beitragspflicht entfällt, da eine Inhaberschaft, die für Beitragspflicht voraussetzung ist, die Volljährigkeit voraussetzt.

    Schließlich: Ich denke, die Diskussion hier zeigt – da gebe ich Ihnen (beiden) vollkommen recht -, dass noch eine Menge Musik in der Sache drinsteckt. Ich glaube, die einzelnen Punkte können wir derzeit auch nicht zu einer absoluten, abschließenden Lösung bringen. Ein Gesetz ohne jeden Zweifelsfall – gerade bei einem so breiten Anwendungsfeld – wäre indes auch etwas arg unheimlich. ;-) Im Großen und Ganzen denke ich aber, dass man dem Rundfunkgesetzgeber hier (ausnahmsweise?) – jedenfalls zu großen Teilen – auch mal einen Erfolg zugestehen muss. Das gilt gerade im Vergleich zum unbefriedigenden Status Quo.

    Man sollte, um an dieser Stelle zum Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukommen, auch nochmal sehen, dass viele der offenen Fragen in der Praxis sicherlich auch ohne Vor-Ort-Kontrollen geklärt werden können. Insoweit bleibe ich bei meiner Position: Es wird keinen Anstieg von Wohungsbesuchen durch Beitragsbeauftragte geben. Im Gegenteil, die Menge der Kontrollen wird zurückgehen. In diesem Punkt teile ich noch immer die Einschätzung von den genannten Verwaltungspraktikern und somit im Ergebnis auch die Einschätzung des AK Zensur :-).

    Comment by MLJ — 14.06, 2011 @ 00:15

  16. @MLJ: „Im Großen und Ganzen denke ich aber, dass man dem Rundfunkgesetzgeber hier (ausnahmsweise?) – jedenfalls zu großen Teilen – auch mal einen Erfolg zugestehen muss. Das gilt gerade im Vergleich zum unbefriedigenden Status Quo.“

    Fragen Sie mal die Leute, die schon jahrelang ohne TV auskommen, nach dem Erfolg dieser Reform. Laut den Statistiken von GEZ und Stat. Bundesamt sind das etwa 2 Mio.

    Comment by hape — 14.06, 2011 @ 08:30

  17. @hape (Nr. 16):

    Die berühmte Punkt mit dem Gleichheitssatz. Das ist sicherlich einer der Hauptkritikpunkte. Auch angesehene Verfassungs- und Verwaltungsrechtler sind sich hier nicht immer ganz einig.

    Zutreffend ist, dass der Gesetzgeber sich – nicht zuletzt auch bei anderen Steuern- und Abgaben – zu Pauschalierungen von Lasten durch Typisierung bedient und bedienen darf. Die Frage ist dabei mE dann, ob es wirklich deutlich wahrscheinlicher ist, dass jemand den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzt oder dass er es nicht tut.

    Wenn sie die Zahl von 2 Mio. Menschen in den Raum stellen, die kein Fernseher besitzen, so muss man diese Zahl in Anbetracht der Haushaltsabgabe noch einmal relativieren: Zum einen werden diese 2 Mio. Menschen in (deutlich?) weniger als 2 Mio. Wohnungen leben. Insoweit verringert sich die Zahl der Beitragszahler ohne Fernsehgerät nochmal.
    Hinzutritt, dass nicht gerade wenige der verbleibenden Zahler zwar kein Fernsehgerät bereithalten, aber mittels PC audio-visuelle Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder letztlich auch per Radio nutzen. Spätestens dann ist mE auch hier eine Typisierung ziemlich gut vertretbar, da sich die Zahl der „absoluten Nichtnutzer“ deutlich verringert. Abgesehen davon ist dieser Rest ja auch grds. in der Lage, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nutzen. Zuletzt werden de facto auch alle Bevölkerungsteile, egal ob mit oder ohne Fernseher, (gesamtgesellschaftliche) Vorteile aus der Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Bezug auf Meinungs- und Informationsfreiheit ziehen können. So dass eine Abgabenlasten mE schließlich auch keinesfalls grundlos oder gar willkürrlich besteht.

    Zu beachten ist nicht zuletzt freilich auch: Würde man eine „Ausstiegsklausel“ aus der Beitragspflicht schaffen, die wiederum am Bereithalten eines Empfangsgeräts anknüpft, dann hätte man mE kaum etwas gewonnen.

    Comment by MLJ — 14.06, 2011 @ 08:54

  18. @ MLJ: Ich kenn die Argumente: Typisierung, na klar. Rechtlich mag da mit etwas gutem Willen alles in Butter sein. Das hilft nur denen, die sich vom Berieselungsmedium Fernsehen abgewandt haben, kein bisschen. Es ist schwer einzusehn, dass man zwar den Wehrdienst verweigern konnte, aus der Kirche austreten darf, aber aus der Unterhaltungsmaschinerie TV soll es kein Entkommen geben? Weil es dort einige Sender geben soll, die irgendwo zwischen Fußball-Bundesliga, Showprogramm und Telenovelas auf Fernsehart (heißt Personalisierung und Emotionalisierung, bloß nix Kompliziertes) irgendwas zur Demokratie beitragen? Zeitungen, Bücher, Internet tun das nicht? Nee, die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird weiter in den Keller gehen, egal wie wohlfeil diese Zwangsrekrutierung von Bürgern zugunsten eines staatlich organisierten Medienzirkus‘ begründet wird.

    Comment by hape — 14.06, 2011 @ 10:47

  19. „Der Gesetzgeber sieht hierin aber eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten privater Sender und Verleger.“

    Das ist schon ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass die Bevorzugung der öffentlich-rechtlichen Sender per Gebühren politisch gewollt und an entsprechende Auflagen gebunden ist. Der -meiner Ansicht nach planmässig, zumindest aber fahrlässig- herbeigeführte Fehler im System ist doch, zwischen Privaten und Öffentlichen einen Wetbewerb entstehen zu lassen. Seit es die Privaten gibt, wird auch im Öffentlichen vermehrt auf die Quoten geschaut, und weniger der Bildungs- und Informations-Auftrag erfüllt.

    Comment by Robert Hase — 14.06, 2011 @ 13:34

  20. @MLJ (Nr. 15)

    Zu den „Merkmalen zur Charakterisierung einer Wohnung“: Ein Mitarbeiter des Stadtverwaltung meines Wohnorts hat mir gesagt, dass die im RBStV getroffene Charakterisierung nur einen Bruchteil der Merkmale aufweist, die die Stadt heranzieht. Da gibt es noch so Qualifikatioren wie Sanitäranlagen u.a. Beim Melderecht ist zu beachten, dass dieses nur auf Anschriften, nicht auf Wohnungen bezogen ist.

    Zu den Wohnungsgemeinschaften und dem Gutachten: Herr Kirchhoff sagt auch, dass es keine Werbung und Sponsoring geben soll. Er hat auch keine KFZ Abgabe vorgesehen. Als wesentlich sieht er in einem Haushalt, dass dieser eine „Empfangsgemeinschaft“ bildet. Das kann man bei einer WG durchaus in Abrede stellen. Das Gutachten kann man daher nur bedingt anwenden, weil man immer argumentieren kann, dass das Gutachten und die Realisierung auseinander fallen…

    Zu der Beitragspflicht von Eigentümern unbewohnter Wohungen und der Herangehensweise der Juristen: Es steht im RBStV, dass für JEDE Wohnung ein Betrag vom Inhaber zu entrichten ist. Man kann auf Antrag für die ZWEIT-Wohnung eine Minderung erhalten. Ein Passus, dass mehrere Wohnungen auf einem Grundstück oder in einem Gebäude wie eine zählen gibt es nicht.

    Das gilt auch für d). Die Kinder können die Wohnung nicht anmieten, die Eltern schon. Die stehen dann im Mietvertrag und sind somit als Inhaber anzusehen (siehe §2 Abs. 2, 2).

    Comment by Harald Simon — 14.06, 2011 @ 14:13

  21. @Harald Simon und @hape:

    Ich halte für mich einfach mal fest: Es bleibt spannend. Schauen wir mal, wie sich die Sache entwickelt. Ganz in trockenen Tüchern ist der 15. RÄStV ja auch noch nicht.

    Ich fand es jedenfalls sehr angenehm, das Thema hier so sachlich und unaufgeregt diskutieren zu können. Das habe ich in Blogs und bei diesem Thema schon ganz anders erlebt. Ich habe jedenfalls auch einiges aus der Debatte mitnehmen können. Danke!

    Comment by MLJ — 14.06, 2011 @ 16:18

  22. @MLJ: Waaas? Schon Schluss? Werd gerade warm. Nee, ist denk ich ein guter Zeitpunkt. Ein paar wichtige Meinungen und Argumente sind ausgetauscht. Nun mag jeder daraus machen, was er will. Dank zurück und bis demnächst mal.

    Comment by hape — 14.06, 2011 @ 18:23

  23. @MLJ:
    Ja, es bleibt spannend. Ich denke, wir müssen jetzt alle verfolgen, wie es weitergeht. Jeder hier in dieser Runde weiss jetzt, glaube ich, worauf man achten sollte. Man muss ja nicht alles „so negativ“ sehen wie ich. Ich gehe halt erstmal vom „worst case“ aus :-)
    Ebenfalls Danke!

    Comment by Harald Simon — 14.06, 2011 @ 19:42

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.