Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.5.11

LG Hamburg: Sharehoster müssen „Wortfilter“ einsetzen

Das Landgericht Hamburg hat zum wiederholten Male einen Sharehoster als Störer einer Urheberrechtsverletzung angesehen und ihn zur Unterlassung verpflichtet (Urteil vom 14.01.2011, Az.:310 O 116/10) . Das mag man so sehen, wenngleich die Frage in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten ist – zur abweichenden Ansicht des OLG Düsseldorf siehe hier – aber in absehbarer Zeit wohl einer Klärung durch den BGH erfolgen wird. Eine Revision gegen ein Urteil des OLG Düsseldorf ist beim Bundesgerichtshof bereits anhängig.

Die Sichtweise der Hamburger Gerichte in dieser Frage ist nicht neu. Zumindest in dieser Deutlichkeit neu ist allerdings die Ansicht, dass der Sharehoster sog. Wortfilter einsetzen muss und zwar, wie es im Urteil heißt, im Hinblick auf Speicherplätze und Links. Das Landgericht scheint also zu meinen, der Sharehoster müsse URL’s bzw. Dateibezeichnungen darauf hin prüfen, ob diese den Titel eines Werkes enthalten oder sogar einen ähnlichen Titel. Dazu muss der Sharehoster nach Ansicht des Landgerichts Hamburg nicht nur die eigenen Server durchsuchen, sondern auch Webcrawler einsetzen, um externe Quellen auf Rechtsverletzungen hin fortwährend zu überprüfen.

Im Urteil heißt es wörtlich:

Eine die Verantwortlichkeit der Beklagten begründende Prüfungspflichtverletzung liegt hier jedenfalls auch darin, dass sie die unstreitig auf dem Markt angebotenen Webcrawler nicht einsetzten, um Link-Sammlungen auf Links zu durchsuchen, mittels derer Urheberrechte an den streitgegenständlichen Werken verletzt werden.

Mit dieser Methode kann man jedenfalls in automatisierter Weise keine halbwegs zuverlässige Überprüfung durchführen, weil ein Dateiname oder die Bezeichnung eines Links nicht zwingend etwas über den Inhalt aussagt, zumal wenn sich die Verpflichtung sogar auf ähnliche Begriffe erstrecken soll. Hierzu muss man sich nur vor Augen führen, wieviele ähnlich- oder gleichlautende Titel es im Bereich von Musik, Film und auch der Literatur gibt.

Die vom Landgericht Hamburg aufgestellte allgemeine Prüfpflicht steht in Konflikt mit § 7 Abs. 2 TMG und Art. 15 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie, was vom Landgericht Hamburg geflissentlich ignoriert wird.

Selbst wenn man der Ansicht ist, dass ein Sharehoster als Störer haftet, ist eine derart weitreichende Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung und Überwachung nicht nur der eigenen Server, sondern auch externer Quellen, mit dem Gesetz nicht vereinbar.

posted by Stadler at 11:24  

9 Comments

  1. Der Prüfaufwand wäre auch etwas unverhältnismässig.
    Selbst wenn es sch nicht um URIs innerhalb einer Domain handeln würde, sondern um Subdomainnamen, ist das schon so gut wie unmöglich.
    Selbst wenn man bei jedem Namen eine automatische DPMA-Abfrage einbauen würde, wäre es ohne menschliche Prüfung nicht machbar, da auch hier eine Wettbewerbswidrigkeit nur aus dem Inhalt und dem Kontext ermittelbar wäre.

    Aber vielleicht will sich das LG HH ja auch nur selbst überflüssig machen: Es reicht doch auch eine Suchmaschine oder ein schlauer Robot um alle Ergebnisse des LG HHs vorzuberechnen.
    Dürfte ja auch nicht so schwer sein.
    Auf Inhalte kommt es ja nicht an ;)

    Comment by Wolfgang Wiese — 23.05, 2011 @ 12:13

  2. Es geht den Hamburgern nur darum, das Geschäftsmodell Sharehoster zu beerdigen, denn die Auflagen sind wirkungslos und zugleich unerfüllbar: Denn ein Alibi-Webcrawler die 1 Seite pro Tag macht würde nicht gelten und ein Webcrawler der sehr effektiv ist und den wir kennen, nennt sich Google.

    Und wir ahnen nur den Aufwand den Google dafür betreibt. Die Anzahl der AKWs (Atomkraftwerke) die neu gebaut werden müsste, sollte jeder Sharehoster einen effektiven Webcrawler betreiben müssen der zeitnah Links im Netz findet, kann man sich gar nicht ausrechnen.

    Und die Links zurückverfolgen wo sie herkommen darf man ja nicht, sonst müsste man die IPs zurückverfolgen und somit den Datenschutz missachten.

    Ausserdem braucht es nur wenige Sekunden für einen Filesharer seine Datei anders zu benennen, statt „Krampf der Karibik“ steht dann eben „xotrm456kdhng“ dran und nur eingeweihte werden informiert, was dahinter steckt.
    …oder man verfolgt jeden Link und macht Downloading und schaut sich den Inhalt an und übergibt das einem Anwalt der sich mit sowas auskennt und lässt es auf mögliche Urheberrechtsverletzungen prüfen.

    Aber warum sollten die Sharehoster überhaupt sowas prüfen? Als nächstes kommt die Cloud die verklagt und mit abstrusen Auflagen belastet wird und dann jeder normale Hoster.
    Das nimmt kein Ende, weil Gier und Allmachtswahn kein Ende kennt.

    Oder würde jemand die Autoverkäufer haftbar machen, weil mit Autos schaden angerichtet werden kann?
    Oder würde das BKA die Waffenhersteller dazu verdammen, dass diese die Kriminalitätsfälle aufklären müssten, weil mit ihren Waffen die Taten begangen wurden?

    Das Hamburger Landgericht öffnet da eine Tür, die besser geschlossen bleiben sollte.
    Mag jeder dazu stehen wie er will, aber in einer Weissagung die vielen bekannt sein dürfte, steht, dass nur noch handeln darf, wer die Zahl besitzt. Wer solche Urteile spricht, überlässt es zukünftig einer privaten Industrie, wer was im Internet noch machen darf.
    Und welche Gefahren Acta birgt, werden wir zu spüren bekommen wenn es da ist. DRM wird uns dann den Strom abdrehen, sollten wir dagegen protestieren wollen.

    Dass Sharehoster oft für Urheberrechtsverletzungen missbraucht werden, ist sicher jedem klar, aber dass man den Bock zum Gärtner macht, ist keine gute Idee.

    Comment by Frank — 23.05, 2011 @ 12:33

  3. Unabhängig von der rechtlichen Problematik würde dieses Vorgehen nur dazu führen, dass die Linklisten ihre Links mit Captchas schützen (was manche auch jetzt schon machen).

    Comment by AndreasM — 23.05, 2011 @ 14:10

  4. @3.
    Dann wird das waise Gericht eben befehlen, dass die Sharehoster die Captchas knacken müssen. Hacker zu mieten gibt es ja genug.

    Comment by Frank — 23.05, 2011 @ 14:25

  5. Apropos Rechtsstaatlichkeit und LG Hamburg:

    Ein Wortfilter ist ein Zensurmittel. (Punkt)

    Man würde es der Rechteindustrie überlassen müssen, welche Wortpakete sie schnüren die dann wiederum von den Hostern eingesetzt werden müssten.

    Das ist in diesem Detail schlimmer als Zensurursula’s unbekannte Linkliste der verbotenen Webseiten, denn in diesem Fall würde ohne jegliche Aufsicht eine private Rechteindustrie nach deren Gutdünken eine Liste verbotener Worte und Wortkombinationen ausdenken.

    Um so eine Filterliste auch nur halbwegs wirksam zu gestalten, müsste es auch Falschschreibungen und banale Worte wie „film und Film“ enthalten.

    Wie sich eine Wortzensur auswirkt, kann jeder selbst feststellen der ein Handy hat mit zensiertem T9 und mal das Wort „Bikini“ schreiben möchte. „Bikini“ gibt es im Sprachgebrauch meines Handys nicht, weil es obszön zu sein scheint. Bikini-Atoll kann ich auch nicht schreiben.

    …schöne neue Welt.

    Comment by Frank — 23.05, 2011 @ 14:34

  6. Der halbwegs gebildete User steigt bei Beschreibungen einfach auf Leet (http://de.wikipedia.org/wiki/Leetspeak) um. Capcha und doppelt verschlüsselte Archive tun ihr übriges. Das Spiel kann nicht vom Sharehoster gewonnen werden.

    Comment by Micha — 23.05, 2011 @ 18:41

  7. @6.

    Ich glaube es geht bei den Wortfiltern nicht wirklich darum, anhand von Begriffen die Urheberrechtsverletzungen zu finden oder zu verhindern, sondern es geht darum, dass den Filesharern die Basis „Sharehoster“ entzogen werden soll, indem den Sharehostern auflagen gemacht werden, die sie nicht erfüllen können oder der Betrieb dadurch so unwirtschaftlich wird, dass sie ihren Dienst einstellen müssen.

    Man gräbt durch immer neue Bürden den Sharehostern einfach das Wasser ab bis sie aufgeben weil die Kosten höher sind als die Einnahmen. Die Rechteindustrie hat gewaltig viel Geld und einen langen Atem.

    Die Filesharer werden dann vermutlich woanders hin ziehen, Katz und Maus spiel, aber Filehoster wird es dann nicht mehr in Europa geben.

    Da ich kein Filesharer bin, könnte mir das auch egal sein, aber durch die Aktionen der Rechteinhaber verändert sich auch unser Rechtesystem. Was eigentlich durch das Grundgesetz geschützt und erlaubt ist, wird durch geschickte Manipulation der Gerichte faktisch verboten.
    Und eine Amerikanische Industrie erlangt immer mehr Einfluss auf unser Rechtssystem und unser Leben.
    Man denke nur mal an DRM und die blöde Geschichte mit der Länderkennung bei DVDs.
    Die Interessen dieser Industrie sind nicht unbedingt unsere Interessen.

    Es geht darum, die Konsumenten (uns) wieder zur Melkkuh zu machen. Es geht ums Kasse machen, koste es was es wolle.

    Filesharing werden sie vermutlich nie verhindern können, aber sie werden daraus eine Straftat machen und es in die dunkelsten Kanäle drücken. Eine neue Mafia könnte entstehen (wobei noch offen ist, wer damit gemeint sein könnte).

    Comment by Frank — 23.05, 2011 @ 19:03

  8. Das ist so als wenn man die Post verpflichtet Waren zu durchleuchten und wenn sie in irgendeiner weise Metall enthalten anzunehmen das es eine Bombe ist und das Packet zerstört werden muß. Wer haftet denn für den Schaden wenn legale Dateien gelöscht/gesperrt werden?

    Comment by mark — 23.05, 2011 @ 20:28

  9. @8.
    > Wer haftet denn für den Schaden wenn legale Dateien gelöscht/gesperrt werden?

    Der Hoster, denn er kann ja nicht nachweisen, dass man ihn gezwungen hat, genau diese Dateien zu löschen. Er wird ja nur gezwungen, urheberrechtlich geschützte Dateien zu löschen.
    Ein Schelm, wer dabei denkt, dass dies sogar Absicht sein könnte…

    Comment by Frank — 24.05, 2011 @ 10:42

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