Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.5.10

Abmahnungen und Meinungsfreiheit

Dass die Rechtsprechung der Pressekammer des Landgerichts Hamburg mittlerweile als demokraktiegefährdend einzustufen ist, habe ich unlängst hier geschrieben. Weil zuviele Gerichte – nicht nur Hamburg – das Spiel einiger Anwaltskollegen mitspielen, die im Interesse ihrer Mandanten oft erfolgreich unliebsame aber zulässige Meinungsäußerungen unterdrücken, gerät die grundgesetzlich verbürgte Meinungsfreiheit im Internet mehr und mehr in Gefahr. Aus Angst jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen, verzichten die einen auf klare Aussagen, während andere, die Plattformbetreiber, Kommentare vorschnell löschen oder gar nicht erst freischalten. Stefan Niggemeier skizziert diese ungute Atmosphäre sehr anschaulich.

posted by Stadler at 22:00  

2 Comments

  1. Im Einzelnen werde ich meine Tiraden zum Thema Demokratiegefährdung hier nicht wiederholen und möchte auch gerne um des lieben Friedens ein paar Meter zurückrudern, was mein vermutlich allzu harsches Urteil über Mandatswerbepraktiken angeht. Das war vermutlich jedenfalls insofern nicht fair, als Klappern nunmal zum Handwerk gehört.

    Ein Anliegen ist es mir aber dennoch, erneut darauf hinzuweisen, dass das BVerfG in den jüngst immer wieder genüsslich zitierten Beschlüssen (Stichwort „grundlegendes Fehlverständnis“) gerade nicht auf die demokratiestützende Komponente der Meinungsfreiheit, sondern auf diejenige der individuellen Persönlichkeitsentfaltung besonders abgestellt hat und in DIESEM Punkt den Hamburger und Berliner Gerichten ein (potentielles) Fehlverständnis attestiert hat.

    Zitat aus dem bei Niggemeier angeführten Beschluss:
    „dass die Gerichte den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG grundlegend verkannt haben. Zwar handelt es sich bei dem — hier als gering erachteten — öffentlichen Informationsinteresse um einen wesentlichen Abwägungsfaktor in Fällen einer Kollision der grundrechtlich geschützten Äußerungsinteressen einerseits und der Persönlichkeitsbelange des von der Äußerung Betroffenen andererseits. Dies bedeutet aber nicht, dass die Meinungsfreiheit nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt wäre und von dem Grundrechtsträger nur gleichsam treuhänderisch für das demokratisch verfasste Gemeinwesen ausgeübt würde. Vielmehr gewährleistet das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen.“

    Im Klartext geht es also darum, zu schützen, dass jeder das äußern darf, was er will, um seine Persönlichkeit gegenüber anderen kundzutun. Das wäre auch kein Problem und würde nicht in Konflikt mit Persönlichkeitsrechten oder anderen Rechten Dritter kommen, wenn es tatsächlich in der – allein privaten, zwischenmenschlichen – „Kommunikation mit anderen“ passieren würde. Der Unterschied zu früher(tm) ist aber nunmal, dass das ganze Geschwätz mittlerweile internetöffentlich passiert, mit der Folge, dass Google, yasni und Konsorten unangenehme Werturteile und (falsche) Tatsachen nach der Eingabe eines Vor- und Nachnamens auf dem Silbertablett präsentiert. Wie man damit umgeht, ist in der Tat noch zu klären und dass der Hamburgische und Berlinerische nicht der Königsweg ist, ist für mich auch klar. Allerdings jeden Persönlichkeitsschutz als demokratiegefährdend abzuqualifizieren (Achtung, ich übertreibe hier bewusst, um das Argument noch klarer zu machen!), halte ich für ebenso wenig zielführend.

    Comment by ElGraf — 3.05, 2010 @ 23:10

  2. Ihre Kommentare sind so lang, dass sie WordPress regelmäßig als freischaltungsbedürftig einstuft.

    Wenn Sie mir unterstellen, ich würde jeden (übertriebenen) Persönlichkeitsschutz als demokratiegefährdend qualifizieren, so stellt das doch eine arge Verkürzung dessen dar, was ich ich hier im Laufe der Zeit zu diesem Thema geschrieben habe.

    Die Linie der Hamburger Pressekammer halte ich aber in der Tat für demokratiegefährdend, denn sie ist konsequent meinungsfeindlich und verbietet regelmäßig Meinungsäußerungen die – z.T. offensichtlich – zulässig sind. Wenn es sich um Einzelfälle handelt, wäre das kein Problem. In Hamburg ist die Pressekammer gerade wegen ihrer fragwürdigen Rechtsprechung so beliebt, dass man der Masse an Anträgen und Klagen nicht mehr Herr wurde und eine zweite Kammer dafür gebraucht hat. Und es wird auch oft genug einfach kritische Berichterstattung unterbunden, wie der Fall des Regensburger Bloggers zeigt. Ich habe in meiner Sachbearbeitung laufend Fälle auf dem Tisch, in denen Unternehmen kritische Äußerungen über ihre Produkte und Leistungen untersagen wollen. Auch das ist keine Frage des Persönlichkeitsrechts, es sei denn, man hält das ominöse Unternehmenspersönlichkeitsrecht für gleichwertig. Das ist in der Addition durchaus problematisch.

    Comment by admin — 4.05, 2010 @ 07:51

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