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Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.3.09

Präsident des BVerfG: Schäuble rüttelt an den Grundstrukturen des Verfassungsstaats

Auseinandersetzungen zwischen der Politik und dem Bundesverfassungsgericht wurden bislang, wenn überhaupt, hinter verschlossenen Türen ausgetragen.

Bundesinnenminister Schäuble hat diesen Grundkonsens aufgekündigt und erst letzte Woche das Gericht wegen Eimischung in die Gesetzegebung angegriffen.

Der Präsident des Bundesverfassungsgericht kontert den Angriff des Ministers nunmehr in ungewohnter Deutlichkeit. Wer das Prüfungsrecht des Verfassungsgerichts in Frage stelle, und ein „Primat der Politik“ fordere, rüttle an den Grundstrukturen des Verfassungsstaats, sagte Papier auf einem Vortrag, ohne freilich Schäuble beim Namen zu nennen.

Auch diese verbale Auseinandersetzung zeigt sehr deutlich, dass sich die staatlichen Gewalten nicht mehr im Gleichgewicht befinden. Wir sehen eine Politik, die im sicherheitspolitischen Bereich verfassungswidrige Gesetze am laufenden Band produziert, weil die gewählten Abgeordneten mehrheitlich nicht dazu in der Lage sind, die Einhaltung der Grundrechte im Gesetzgebungsverfahren zu garantieren. Gleichzeitig sehen wir ein Verfassungsgericht, das zwar, so gut es geht, die Fahne des Rechtsstaats hochhält, aber zunehmend in die Defensive gerät und mehr und mehr von der Politik angegriffen wird.

Gerade das Versagen der Gesetzgebung zwingt das Verfassungsgericht aber dazu, in ungewohntem Ausmaß rechtsstaatswidrige Sicherheitsgesetze zu korrigieren.
Quelle: taz

posted by Stadler at 10:10  

5 Comments

  1. Sehr richtig! Ich behaupte, wir sehen nur das Ergebnis eines schleichenden Verfalls. Erst fallen die moralische Grundwerte der Politiker (Sitzungsgeld? Das nehm ich doch mit …), dann fallen Werte wie Freiheit und Demokratie und am Ende steht vermutlich ein faschistoides, europäisches Staatengebilde, beherrscht von einer kleinen Elite.
    Ich habe schon alles probiert: die Anderen wählen, nicht wählen, extrem wählen. Macht überhaupt keinen Unterschied (die Merkel weiss schon genau, warum sie keine Volksentscheide möchte :-)
    Bewaffneter Widerstand wäre noch übrig, aber das führt mir zu zuvielen Kollateralschäden. Mir bleibt nur ein Trost: ich werde das Ende dieser Entwicklung nicht mehr miterleben.

    Comment by Anonymous — 18.03, 2009 @ 12:48

  2. Ich werde es wohl noch miterleben. Und die Angst vor dieser Entwicklung wird von mindestens zwei Seiten bestärkt. Zum einen wir „die Politik“ immer größenwahnsinniger und hat schon seit mehreren Jahren die Grundrechte als Hinderniß im Visier. Zum fällt es kaum noch jemandem auf, was hier eigentlich geschieht. Es geht nichtmals darum, ob das ein geplanter Abbau oder nur eine einzughaltende Veränderung in der allgemeinen Denke ist – die Veränderung ist jedenfalls merkbar. Und wird dennoch ignoriert.

    Der Kampf von Staatsgewalt und Staatskontrolle dürfte jedenfalls in den nächsten Monaten und vlt. Jahren immer intensiver werden. Ich hoffe ja auf einen Sieg der Staatskontrolle – und keinen faulen Kompromiß.

    Comment by Malte S. — 18.03, 2009 @ 14:44

  3. Wir haben ja noch keine Verfassung. Wir wärs denn, wenn man im Rahmen einer Verfassungsgebung die störenden Grundrechte beschneidet oder gleich ganz kassiert? Mal gespannt, wie lange der Kontrollfreak braucht, um auf diese Idee zu kommen.

    Comment by Anonymous — 18.03, 2009 @ 16:11

  4. und noch eine Idee: wie wärs denn, wenn man sich die Grundrechte erst erarbeiten müßte? Also jeder Mensch, der auf die Welt kommt hat erst mal gar keine Rechte. Bei späterem Wohlverhalten bzgl. eines von wem auch immer vorgegebenen Wertesystems erhält er sukzessive immer weitere Rechte. Wer sich also z.B. 18 Jahre lang (von Geburt an gerechnet) nichts zu Schulden hat kommen lassen, erringt damit das Recht der eingeschränkten Verletzlichkeit seiner Wohnung, ansonsten gilt uneingeschränkte Verletzlichkeit. Das ganze kann man dann noch mit einem Punktesystem garnieren, nach Flensburger Vorbild. Hmm, wenn ich Orwell hieße, würde ich mich jetzt hinsetzen und an einem Buch schreiben …

    Comment by Anonymous — 18.03, 2009 @ 16:20

  5. Einer der Gründe weshalb wir Kontrollorgane wie das BVerfG haben ist ja nun einmal der, das Volk vor solchen machthungrigen Politikern zu schützen die versuchen die Demokratie auszuhebeln.
    So unbequem es auch ist Herr Schäuble: „Deutschland braucht keine neue Diktatur!“

    Comment by Mc — 18.03, 2009 @ 23:45

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