Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

1.3.24

Der durchsichtige Versuch, Correctiv zu diskreditieren

Die Berichterstattung von Correctiv „Geheimplan gegen Deutschland“ zu einem Treffen von Rechtsextremen, AFD-Politikern und Unternehmern in Potsdam hat hohe Wellen geschlagen und nunmehr auch zu einem juristischen Nachspiel, in allerdings sehr bescheidenem Umfang geführt. Von zwei Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde einer vollständig und ein zweiter zu 2/3 vom Landgericht Hamburg zurückgewiesen. Die Kernaussagen des Correctiv-Artikels wurden in beiden Verfahren aber erst gar nicht beanstandet.

Diesen Umstand, haben rechtspopulistische Tendenzmedien wie Cicero, NIUS und andere dazu benutzt, das Narrativ zu entwickeln, die Kernaussage der Berichterstattung würde nur aus Meinungsäußerungen bestehen, die man ganz generell aber juristisch nicht angreifen könne. Befeuert wird dies durch eine verzerrende LitigationPR der Anwaltskanzlei, die die beiden Antragsteller der Verfügungsverfahren in Hamburg vertritt. Die LitigationPR der Kanzlei Höcker wurde bereits auf Beck Online kritisch beleuchtet. Sie ist auch deshalb problematisch, weil sie nicht nur der Diskreditierung des Prozessgegners dient, sondern auch eine Irreführung der Öffentlichkeit bewirkt. Dem Prozessgegner wird etwas unterstellt, das der wörtlich gar nicht geäußert hat, um dann medienwirksam zu verkünden, Correctiv habe schriftsätzlich beim Landgericht Hamburg klargestellt, diese Äußerung nicht getätigt zu haben. Man kennt diese Technik zu Genüge. In der Pressemitteilung der Kanzlei Höcker wird folgendes behauptet:

Correctiv hatte durch überspitzt inszenierte Wertungen den falschen tatsächlichen Eindruck hervorgerufen, Thema des Potsdam-Treffens sei die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien gewesen. 

Tatsächlich steht in dem Artikel von Correctiv auch weiterhin folgendes:

Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland. (…)

Sellner ergreift das Wort. Er erklärt das Konzept im Verlauf des Vortrages so: Es gebe drei Zielgruppen der Migration, die Deutschland verlassen sollten. Oder, wie er sagt, „um die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln“. Er zählt auf, wen er meint: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“. Letztere seien aus seiner Sicht das größte „Problem“. Anders gesagt: Sellner spaltet das Volk auf in diejenigen, die unbehelligt in Deutschland leben sollen und diejenigen, für die dieses Grundrecht nicht gelten soll.

Im Grunde laufen die Gedankenspiele an diesem Tag alle auf eines hinaus: Menschen sollen aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben – und aus Sicht von Menschen wie Sellner nicht ausreichend „assimiliert“ sind. Auch wenn sie deutsche Staatsbürger sind. 

Es stellt sich natürlich die Frage, welchen falschen Eindruck Correctiv hier hervorgerufen haben soll.

Das Vorgehen der Kanzlei hat auch wenig mit Prozessführung zu tun, sondern zielt auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ab. Und wie man sieht, stimmen die einschlägigen rechtspopulistischen Medien auch bereitwillig ein.

Dies wirkt in Summe konzertiert und trägt Züge einer Kampagne. Die Botschaft lautet: Die Berichterstattung von Correctiv sei zwar unseriös, aber man komme ihr nur schwer bei, denn Correctiv berichte gar keine Fakten mehr, sondern äußere nur noch Meinungen, was nicht angreifbar sei.

Diese Darstellung entpuppt sich bei näherer Betrachtung allerdings als ein juristisches Märchen, das zweckgerichtet verbreitet wird und allein dem Ziel dient, die Berichterstattung von Correctiv zu diskreditieren.

Der Artikel von Correctiv unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ enthält im Kern eine ganze Reihe von Tatsachenbehauptungen und im Anschluss daran natürlich auch wertende Schlussfolgerungen, die die Autoren aus den dargestellten Fakten ziehen. Ganz normale journalistische Arbeit.

Unstreitig haben sich die in dem Artikel namentlich genannten Personen in einem Hotel in Potsdam getroffen. Unstreitig wurden dort Vorträge zum Thema „Remigration“ gehalten. Ein Hauptredner, der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner, hat dabei laut Correctiv von drei Zielgruppen gesprochen die Deutschland verlassen sollten, „um die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln“. Insoweit habe er laut Correctiv Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“ genannt. Letztere stellten aus seiner Sicht das größte Problem dar.

Das ist der aufsehenerregende Tatsachenkern der Berichterstattung von Correctiv, der bislang ganz augenscheinlich von niemandem angegriffen worden ist. Es handelt sich hierbei um Tatsachenbehauptungen, die, wären sie tatsächlich unwahr, auch juristisch angegriffen und untersagt worden wären.

Aus diesem Tatsachenkern haben die Autoren von Correctiv dann Schlussfolgerungen gezogen, insbesondere die, dass damit nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant würde.

Hierbei handelt es sich um eine Meinungsäußerung, für die es tatsächliche Anknüpfungspunkte gibt. Gäbe es diese nicht, könnte man eine solche Meinungsäußerung ebenfalls untersagen.

Die Erzählung, man könne Meinungsäußerungen nicht verbieten und deshalb könnten die Kernaussagen der Correctiv-Berichterstattung nicht untersagt werden, ist juristisch nicht zutreffend.

Das möchte ich anhand eines Beispiels verdeutlichen. Wenn man jemanden als Nazi bezeichnet, handelt es sich hierbei um eine Meinungsäußerung. Diese beinhaltet im Regelfall aber eine derart schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, dass sie untersagt werden kann. In diesem Fall überwiegt das Persönlichkeitsrecht gegenüber der Meinungsfreiheit.

Anders ist der Fall allerdings dann gelagert, wenn man beispielsweise einen rechtsextremen Politiker wie Björn Höcke als Nazi bezeichnet. Denn jemand wie Höcke hat durch eine Vielzahl von öffentlichen Aussagen zu erkennen gegeben, dass er über ein geschlossen rechtsextremes Weltbild verfügt und viele seiner Positionen zumindest eine gewisse Nähe zur NS-Ideologie aufweisen. So jemanden darf man dann als Nazi bezeichnen, weil es für diese Meinungsäußerung in ausreichendem Maß tatsächliche Anknüpfungspunkte gibt.

Und so ähnlich ist es bei der Berichterstattung von Correctiv auch. Wäre auf dem besagten Treffen nicht über das Thema „Remigration“ gesprochen worden und hätte Martin Sellner nicht seine Ideen und Vorstellungen hierzu – wie oben dargestellt – als Redner vorgestellt, hätte Correctiv auch nicht die Ansicht äußern dürfen, auf dem Treffen habe man die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant. Vor dem tatsächlichen Hintergrund ist die Sachlage allerdings anders. Da diese Ideen und Vorstellungen bei dem Treffen unstreitig vorgetragen und diskutiert wurden, durfte Correctiv auch die Schlussfolgerung ziehen, es wäre dort die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant worden.

Man gewinnt mittlerweile den Eindruck, dass es keiner Fakten mehr bedarf, für den Versuch die Deutungshoheit in einer gewissen Frage zu erringen. Kampagnenhafte gestreute Desinformation erscheint offenbar erfolgsversprechender. Allerdings hat die Reaktion einer breiten Öffentlichkeit gezeigt, dass der Bürger meistens doch schlauer ist.

posted by Thomas Stadler at 20:05  

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