Müssen Bewertungsportale jetzt Nutzerdaten preisgeben?
Juristische Fachmedien wie Beck-Online oder LTO warten aktuell mit der Meldung auf, der Portalbetreiber kununu müsse laut OLG Hamburg die Klarnahmen von Nutzern herausgeben.
Wenn man sich die Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24) anschaut, trifft man auf eine Unterlassungsverfügung, die dem Bewertungsportal eine bestimmte Bewertung verbietet. Eine rechtliche Pflicht des Portalbetreibers zur Herausgabe von Nutzerdaten begründet die Entscheidung aber nicht. Das wäre wegen § 21 Abs. 2 – 4 TTDSG auch gar nicht möglich.
Allerdings geht das OLG Hamburg davon aus, dass sich der Bewertete darauf berufen kann, dass zwischen ihm und dem Bewertenden kein geschäftlicher Kontakt bestanden hat. Dadurch werden Prüfplichten des Portalbetreibers ausgelöst, die nach Ansicht des OLG so weit gehen, den Bewerter so zu individualisieren dass der Bewertete das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. Gelingt dem Portalbetreiber das nicht, muss er die Bewertung löschen.
Das OLG Hamburg stützt sich hierbei auf eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 09.08.2022 – VI ZR 1244/20). Der Entscheidung des BGH lag allerdings ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Portalbetreiber keinerlei Prüfmaßnahmen ergriffen hatte, nachdem der Bewertete sich darauf berufen hatte, es würde gar kein geschäftlicher Kontakt bestehen. Die Schlussfolgerung des OLG Hamburg, der Portalbetreiber müsse den Bewertenden in einer Art und Weise individualisieren, die bis hin zu einer Preisgabe des Klarnamens gehen kann, lässt sich aus der Rechtsprechung des BGH nicht ableiten.
Ganz im Gegenteil. Der BGH hatte bislang betont, dass dem Portalbetreiber keine Pflicht zur Identifizierung trifft, weil dies zu einem Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG (a.F.) führen könnte.
Das Argument, der Portalbetreiber würde durch eine Übermittlung personenbezogener Daten gegen die neuen Vorschriften der §§ 21 Abs. 2 – 4 TTDSG verstoßen, wischt das OLG Hamburg vom Tisch. Selbst wenn die Preisgabe des Klarnamens eine Datenschutzverletzung zur Folge haben sollte, so das OLG, dürfe dies nicht dazu führen, dass eine Bewertung öffentlich zugänglich gehalten wird, solange dem Bewerteten die Möglichkeit genommen ist, zu klären, ob überhaupt ein geschäftlicher Kontakt mit dem Bewerten bestanden hat.
Diese Schlussfolgerung des OLG Hamburg lässt sich jedenfalls nicht auf die bisherige Rechtsprechung des BGH stützen. Der BGH ist bislang davon ausgegangen, dass gerade eine Identifizierung des Nutzers nicht verlangt werden kann. (Urteil vom 01.03.2016, Az.: VI ZR 34/15, Rn. 61).
Sie überspannt zudem die Anforderungen an die Prüf- und Verhaltenspflichten eines Störers, die ihm immer nur mögliche, rechtmäßige und zumutbare Verhaltenspflichten abverlangen. Da der Portalbetreiber die Nutzerdaten wegen § 21 Abs. 2 – 4 TTDSG im Regelfall gar nicht herausgaben darf, läuft die Rechtsprechung des OLG Hamburg darauf hinaus, dass der Portalbetreiber immer löschen muss. Damit wird er aber nicht mehr wie ein mittelbarer Störer behandelt, sondern wie ein unmittelbarer Störer bzw. Verletzter. Dadurch sprengt das OLG Hamburg allerdings die Grundsätze der Störerhaftung .
Der BGH hatte, die Anforderungen an die Prüfpflichten des Portalbetreibers gerade mit dem Argument nach oben geschraubt, dass hierdurch ein Gegengewicht zur Gefahr der anonymen Bewertung geschaffen werden müsse. Nach der Logik des OLG Hamburg besteht diese Gefahr aber nicht mehr, wenn entweder der Klarname preisgegeben oder gelöscht werden muss. Die Begründung des OLG Hamburg deckt sich also nicht mit der Argumentationslinie des BGH.
Da der Beschluss im Verfahren der einstweiligen Verfügung ergangen ist, kann eine Revision zum BGH nicht eingelegt werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Portalbetreiber den Weg des Hauptsacheverfahren beschreiten will.