OLG Köln bestätigt Entscheidung zur Domain „wir-sind-afd.de“
Das OLG Köln hat die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln, das einem Blogger die Benutzung der Domain „wir-sind-afd.de“ für den Betrieb einer AfD-kritischen Website untersagt hatte, bestätigt (Beschluss des OLG Köln vom 27.09.2018, Az.: 7 U 85/18).
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist ebenso wie das erstinstanzliche Urteil schon namensrechtlich zweifelhaft, was ich hier bereits erläutert hatte. Allein die bloße Registrierung einer Domain kann zwar schutzwürdige Belange des Namensinhabers verletzen. Dies setzt allerdings einen (objektiven) Benutzungswillen voraus (BGH GRUR 2004, 619 Rn. 23 – kurt-biedenkopf.de). Dass die AfD diese Domain selbst benutzen möchte, erscheint allerdings eher fernliegend und hätte vom OLG zumindest erörtert werden müssen.
Die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Domainhabers und den namensrechtlichen Interessen der AfD nimmt das OLG sehr schemenhaft und schon im Ansatz fehlerhaft vor. Wenn es sich bei der beanstandeten Äußerung wie hier um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung handelt, so spricht nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede. Abweichungen davon bedürfen einer Begründung, die der konstitutiven Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie Rechnung trägt. Eine derartige Begründung liefert die Entscheidung des OLG Köln nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, wie eine solche Begründung aussehen könnte.
Die Entscheidung des OLG Köln beschränkt sich insoweit vielmehr im Wesentlichen auf folgende, apodiktische Aussage:
Die Interessen des Beklagten, die von ihm vertretene kritische Meinung gegenüber der Klägerin unter der konkreten, von ihm gewählten, streitgegenständlichen Domain zu veröffentlichen, überragen indes nicht das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließende namensmäßige Identitätsinteresse der Klägerin.
Bereits die Annahme, die äußerungsrechtlichen Interessen müssten die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausfließenden namensmäßigen Interessen der Partei AfD überragen, ist angesichts der vorliegend greifenden Vermutung zugunsten der freien Rede, vollständig verfehlt. Der gegenteilige Ansatz wäre korrekt gewesen. Es sind aber überhaupt keine erheblichen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffende Interessen der AfD daran, nicht unter einer Domain wie „wir-sind-afd.de“ kritisiert zu werden, erkennbar. Hierzu führt der Beschluss des Oberlandesgerichts auch nichts aus. Das OLG trägt auch dem Umstand keinerlei Rechnung, dass es um eine Auseinandersetzung im politischen Meinungskampf geht, die zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. In solchen Fällen ist das Gewicht der Meinungsfreiheit nämlich besonders hoch. Vorrangige persönlichkeitsrechtliche Aspekte gerade einer politischen Partei sind demgegenüber in derartigen Fällen schon kaum denkbar.
Die Entscheidung des OLG Köln ist ersichtlich rechtsfehlerhaft.
Vielleicht gibt es ja nochmals die Chance auf gerichtliche Klärung:
https://das-ist-afd.de
;)
Comment by Jan — 1.10, 2018 @ 21:03
Seit wann ist eigentlich eine Partei eine Persönlichkeit? Sind wir jetzt schon in Texas, wo juristische Personen volle Grundrechte besitzen?
Das scheint mir, neben dem offensichtlich überaus AfD-freundlichen Richter (der behauptet, eine Partei müsse sich nicht gefallen lassen, dass Propaganda gegen sie gemacht wird, in der ihr Name erwähnt wird oder so…), der größere Rechtsfehler zu sein.
Man kann keine Rechtsgüterabwägung machen, wenn die eine Seite dieses Rechtsgut gar nicht hat. Die falsche Gewichtung der Rechtsgüter ist hier nur noch ein sekundärer Fehler: Die AfD ist keine Person, das ist der primäre Fehler. Das war bei der Vorgängerorganisation NSDAP vielleicht anders, weil die einen dermaßen ausgeprägten Führerkult hatte, dass Partei und Führer eins war, aber bei der AfD ist das nicht zu erkennen.
Zwar gibt es auch ein (schwaches) Unternehmenspersönlichkeitsrecht, das sicher auch auf andere, vergleichbare Organisationen wie Parteien übertragen werden kann, aber eben weil das kein gleichwertiges Recht ist, sondern lediglich von der allgemeinen Handlungsfreiheit der im Unternehmen (oder hier der Partei) agierenden abgeleitet ist, muss es sich der Meinungsfreiheit sowieso unterordnen.
Siehe auch:
https://www.ferner-alsdorf.de/datenschutzrecht/persoenlichkeitsrecht__zum-unternehmenspersonlichkeitsrecht__rechtsanwalt-alsdorf__4766/
Comment by Bernd Paysan — 1.10, 2018 @ 23:20
Es gibt Meinungsfreiheit – betrifft Inhalt der Domain, und es gibt Namensrecht – betrifft Namen der Domain. Zwei Paar Schuhe. Der als apodiktisch bezeichnete Aussage darf gerne fundiert widersprochen werden – ist hier im Artikel nicht geschehen. Ich (Nichtjurist) nehme das schlicht zur Kenntnis.
Zum namensrechtlichen Aspekt: der Domainname bildet einen grammatisch vollständigen Satz, der „von außen“ Selbstdarstellung der AfD suggeriert. Satire oder Hintersinn ist erst bei Aufruf der Seite erkennbar. Bereits das qualifiziert den Namen als irreführend.
Vielleicht fehlt mir ja die Subtilesse, aber als Otto Normalo kann ich keine Rechtsfehlerhaftigkeit erkennen.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 2.10, 2018 @ 05:58
@Bernd Paysan (1.10.18 23:20) für Recht am Namen braucht es gar keine natürliche Person. Beispielsweise hätte ich – obwohl Niedersachse – keine Chance, den Domainnamen „Niedersachsen.de“ dauerhaft zu beanspruchen, mein Bundesland hätte Vorrang.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 2.10, 2018 @ 06:05
Dass sich der Schutz der Meinungsafreiheit nur auf deen Inhalt der Website bezieht und nicht auf die Domain, ist bereits der erste juristische Denkfehler. Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist grundsätzlich auch die Form und der Ort der Meinungsäußerung umfasst. Das heißt gerade auch die Kombination Domain und Inhalt der Website sind vom Schutzbereich umfasst. Insoweit gilt in diesem Fall die Vermutung zugunsten der freien Rede. Das wiederum bedeutet, es müssen überwiegende schutzwürdige Belange der AfD vorhanden sein und dargelegt werden können. Und diese Darstellung hätte cih dann doch gerne mal gesehen.
Comment by Stadler — 2.10, 2018 @ 09:51
@Stadler – zunächst danke für die die Antwort.
„Dass sich der Schutz der Meinungsfreiheit nur auf deren Inhalt der Website bezieht und nicht auf die Domain, ist bereits der erste juristische Denkfehler“ – die Metapher „zwei Paar Schuhe“ bedeutet nicht Exklusivität. Die Namenswahl hat gegenüber der Meinungsfreiheit allerdings die Einschränkung des Vorrechts des „bedeutenderen“ Namensträgers. Siehe mein Beispiel „Niedersachsen.de“.
„Das heißt gerade auch die Kombination Domain und Inhalt der Website sind vom Schutzbereich [der Meinungsfreiheit] umfasst“ – ich stelle fest, in der Sache widersprechen Sie meinem Hinweis auf Irreführung nicht. Ob das namensrechtlich relevant ist, habe ich ausdrücklich nicht bewertet, sondern mich auf das Faktum beschränkt.
„… bedeutet, es müssen überwiegende schutzwürdige Belange der AfD vorhanden sein und dargelegt werden können …“ – ich denke, da werden Sie auch auf Kollegen mit gegensätzlicher Auffassung stoßen. Ich übe mich in Zurückhaltung, weil Laie (interessierter Zaungast).
Comment by Wolf-Dieter Busch — 2.10, 2018 @ 11:52
Alles ist gut, wenn es sich gegen die bösen Nazis von der AfD richtet. So denkt unser Antifa-Stadler. „Vom Schutzbereich umfasst“ heißt ziemlich wenig, wenn man sich Absatz 2 des Artikel 5 GG vergegenwärtigt, in dem es heißt, dass das Recht auf Meinungsfreiheit „Schranken“ hat und diese u.a. in den „allgemeinen Gesetze“ bestehen, wozu auch § 12 BGB etc. (Namensrecht) gehören dürften. Aber vielleicht wird noch das BVerfG mit dieser Thematik befasst. Ich schätze aber mal eher, dass es eine kurze Nichtzulassungsentscheidung dazu gäbe. ;-)
Comment by fernetpunker — 2.10, 2018 @ 20:01
@Wolf-Dieter Busch Das Namensrecht gilt primär für afd.de und alternative-fuer-deutschland.de (letztere von einem Domaingrabber registiert, offenbar stört das die AfD gar nicht), genau für die. Solche Kombinationen wie wir-sind-afd.de oder das-ist-afd.de sind Kombinationen aus dem Namen und anderen Bestandteilen, und das ist grundsätzlich erst mal nicht direkt geschützt. Geschützt sind der Name, evtl. aussagekräftige Bestandteile (bei der AfD nicht erkennbar) und das Kürzel (wobei es da Kollisionen geben kann, was den Schutz dann relativiert).
Alles andere geht über das direkte Namensrecht hinaus, und ist deshalb Persönlichkeitsrecht. Ob die AfD es hinnehmen muss, auf einer Domain, die ihren Namen lediglich enthält, kritisiert zu werden, das ist Persönlichkeitsrecht, nicht Namensrecht. Da es sich bei den Zitaten der AfD-Mitglieder auf dieser Seite nicht um erfundenes handelt, sondern um nachgewiesenermaßen tatsächlich gesagte Statements, ist auch das Persönlichkeitsrecht nicht betroffen. Man kann jemanden nicht mit der Wahrheit beleidigen, wie unschön auch immer diese Wahrheit sein mag. Allenfalls verjährtes kann dem Recht auf Vergessen anheimfallen — aber die Sprüche der prominenten AfD-Mitglieder sind allesamt nicht verjährt, selbst wenn sie aussehen wie von vor 80 Jahren.
Die Seite wir-sind-afd.de (also jetzt das-ist-afd.de) ist auch nicht irreführend. Sie stellt den Wesenskern der AfD durch Zitate im wesentlichen korrekt dar. Klar, wer so doof ist, dass er bei wir-sind-afd.de nicht erkennen kann, dass es sich hier nicht um eine Sammlung der AfD selbst handelt, der ist auch so doof, dass er AfD wählen würde — aber man kann im Internet nicht jede Seite für den dümmsten anzunehmenden User, äh Richter bauen. Das geht schlicht und einfach nicht.
Comment by Bernd Paysan — 2.10, 2018 @ 23:27
@Bernd Paysan – danke für ausführliche Darstellung.
1) Kritik ist immer legitim, also auch hier, wurde aber nicht bezweifelt;
2) „Das-ist-AfD.de“ weist als grammatisch vollständiger Satz auf Eigenschaften der AfD aus externer Sicht hin, ist also zielführend.
3) Zur Irreführung des Namen „Wir-sind-AfD.de“ (siehe oben) eine Stellungnahme? (Kein Verteidigungsversuch, reine Neugier.)
Comment by Wolf-Dieter Busch — 3.10, 2018 @ 18:21
Das Urteil erscheint mir auch zweifelhaft. Es stellt sich jedenfalls mir die Frage, ob der „Neuland-Faktor“ hier das Ergebnis beeinflusst hat.
Man nähere sich der Rechtsfrage einmal mit einem Fall aus der Papierwelt: Die Satirezeitschrift T. legt ihrer Zeitschrift ein Flugblatt bei, das unter der Überschrift „Wir sind AfD“ wahrheitsgemäß Zitate von AfD-Mitgliedern wiedergibt, die den Ruf der AfD zu schädigen geeignet sind. Im Impressum ist klar ausgewiesen, dass Urheber der Verlag der T. ist, nicht die AfD.
Hier hätten wir wohl keine Probleme, das als rechtmäßig zu beurteilen.
Wenn dieselben Worte statt als Überschrift eines Druckwerks als Domain verwendet werden, soll sich nun die rechtliche Bewertung ändern. Das überzeugt m. E. nur, wenn man den Domainnamen als unverrückbare Behauptung der Urheberschaft versteht, ohne den Inhalt der Seite wie bspw. das Impressum zu würdigen. Werden die angesprochenen Verkehrskreise, wird ein im Heute lebender objektiver Dritter einen Domainnamen so verstehen? Ich glaube nicht.
Das Urteil erscheint mir daher – bei allem Respekt vor den handelnden Richtern und Richterinnen – jedenfalls auf den ersten Blick nicht zeitgemäß.
Comment by Leser — 4.10, 2018 @ 09:31
@Leser (4.10.18 9:31)
Der inkriminierte Domainname lautet „wir-sind-afd.de“.
Sie sagen: „Das überzeugt m. E. nur, wenn man den Domainnamen als unverrückbare Behauptung der Urheberschaft versteht, ohne den Inhalt der Seite wie bspw. das Impressum zu würdigen. Werden die angesprochenen Verkehrskreise, wird ein im Heute lebender objektiver Dritter einen Domainnamen so verstehen? Ich glaube nicht.“
Frage: Warum glauben Sie das nicht? Nehmen Sie an, dass der Hintersinn bei bloßer Lektüre des Namen unmittelbar einleuchtet?
Comment by Wolf-Dieter Busch — 4.10, 2018 @ 12:33
Eine fachgerechte Auslegung – insbesondere in Bezug auf die Meinungsäußerungsfreiheit – setzt voraus, den Kontext einer Äußerung mit einzubeziehen. Das Lesen nur des Domainnamens blendet den Inhalt der Domain aus.
Umgekehrt gefragt: Wenn jemand nur den Domainnamen liest, wo ist da der Nachteil für die AfD?
Comment by Leser — 5.10, 2018 @ 09:19
Die Frage bezog sich nicht auf „Schaden“, sondern auf „Irreführung“.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 5.10, 2018 @ 09:56
Aus dem Ausbleiben einer Antwort folgere ich stumme Bestätigung der Irreführung.
Zum Schaden dies Szenario: ein unbedarfter Bürger – ohne Vorannahme Pro oder Contra – will sich informieren und verwendet gutgläubig die Adresse „wir-sind-afd.de“. Hier ist ein Schaden am Ansehen evident.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 6.10, 2018 @ 10:28
Welchen Schaden wirft die Sammlung von AfD-Aussagen hervor? Der unbedarfe unvoreingenommene Nutzer wird doch nicht mit Lügen sondern Eigenaussagen konfrontiert.
Den Schaden hat damit die Partei selbst hervorgerufen.
Comment by Roland Thomas Lichti — 6.10, 2018 @ 12:09
@Thomas Lichti – nicht der Inhalt der Website war der Klagegrund, sondern die Namensgebung.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 7.10, 2018 @ 21:23
„Aus dem Ausbleiben einer Antwort folgere ich stumme Bestätigung der Irreführung.“
Wenn Sie nicht innerhalb von fünf Minuten antworten, gehe ich davon aus, dass Sie ein nazikomministischer Reptiloidenasylant sind, der als Teil der Besatzungsmächte das deutsche Reich in seinen Grenzen von 1877 umvolken will!!11einself
Comment by Leser — 8.10, 2018 @ 09:23
Die Frage wurde gestellt am 4.10.18, die Folgerung erfolgte am 6.10.18, knapp 2 Tage. – Sie können gerne auch jetzt antworten. Ich bin nicht kleinlich.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 8.10, 2018 @ 12:46