Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.9.18

OLG München: Facebook muss gewährleisten, dass zulässige Meinungsäußerungen nicht gelöscht werden

In einer vieldiskutierten aktuellen Entscheidung hat das Oberlandesgericht München Facebook untersagt, einen Nutzerkommentar zu löschen und die Äußernde wegen der erneuten Einstellung des Kommentars zu sperren (OLG München, Beschluss vom 24.08.2018, Az.: 18 W 1294/18).

Äußerungsrechtlich lag dieser Entscheidung eine Meinungsäußerung zugrunde, die nach den gefestigten Kritieren der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung und des EGMR evident zulässig war.

Die Frage war also letztlich die, ob Facebook – gestützt auf seine Nutzungsbedingungen – auch solche Äußerungen löschen kann, die äußerungsrechtlich zulässig und vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Hierzu führt das OLG zunächst aus, dass zwischen Facebook und dem Nutzer ein Vertragsverhältnis besteht und die Nutzungsbedingungen von Facebook als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu qualifizieren sind.

Die Klausel vonm Facebook:

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (…).“

ist nach Ansicht des OLG München AGB-rechtlich unwirksam, weil sie den Nutzer unangemessen benachteiligt. Hierzu führt das Gericht aus:

Nach dem Wortlaut der Klausel – dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht – kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform www.f…com dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen Marktplatz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 – 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Diese Begründung des OLG München fußt auf der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG zur sog. Drittwirkung von Grundrechten, nach der die Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht über die sog. Generalklauseln (hier: § 241 Abs. 2 BGB) zu berücksichtigen sind.

Das OLG München lässt es im weiteren ausdrücklich offen, ob man anhand der Regelung in den Nutzungsbedingungen von Facebook zu sog. Hassbotschaften zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte, nachdem die hier beanstandete Äußerung evident keine Hassbotschaft darstellt. Spannend wäre es also nur dann geworden, wenn Facebook eine Äußerung gelöscht hätte, die man als Inhalt hätte bewerten können, der Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreift.

Es bleibt damit festzuhalten, dass Facebook jedenfalls nicht berechtigt ist, Äußerungen die erkennbar von der Meinungsfreiheit gedeckt sind zu löschen. Ob das auch dann noch gilt, wenn eine Äußerung diskriminierend ist, aber dennoch von der Meinungsfreiheit gedeckt bleibt, lässt das OLG München offen. Die Entscheidung ist weniger spektakulär als sie scheint.

Die Entscheidung zeigt allerdings, dass Facebook nach wie vor massive Probleme damit hat, bei der Löschung von beanstandeten Inhalten in zutreffender Art und Weise zu differenzieren. Vielmehr löscht das soziale Netzwerk weiterhin auch Beiträge, die offensichtlich nicht zu beanstanden sind, auch nicht nach den eigenen Nutzungsbedingungen.

posted by Stadler at 20:01  

2 Comments

  1. Eine schwere Aufgabe, bei 2,34 Milliarden Nutzern darüber zu wachen, ob diese Rechte verletzen
    UND die Nutzerrechte zu wahren.
    Und dann in jedem Einzelfall abzuwägen… und dann auch noch
    x Fake-Accounts zu löschen, bitte,
    nicht reguläre Accounts. Nicht zu reden von der Kontrolle der weiteren
    Datenverwendung (Cambridge – Problem). OH! Und jetzt auch noch dieses Urteil! Und dann die Russen-Angriffe..
    … in Asien wurden jüngst diverse Leute aufgehängt, weil auf Facebook
    dazu aufgerufen worden war…
    In einem renommierten Organ wurde
    dann die Firma mit Frankensteins
    Monster verglichen. Ausser Kontrolle.

    Drittwirkung der Grundrechte. Nun.
    Frankenstein hat ein Monopol
    – fast – generiert. Wer Facebook hat
    gewinnt!

    Und wer nicht…

    Comment by Arne Rathjen RA — 11.09, 2018 @ 21:02

  2. Tatsächlich dürfte es zu einer Vergrößerung der Facebook Rechtsabteilung führen. Nachdem Facebook speziell in Deutschland lange kaum für einen direkten Kontakt zugängig war, dürften die letzten Urteile zu einer stärkeren Öffentlichkeitsarbeit führen, die auch schon wahrnehmbar ist.

    Ständig im Umfeld von Prozessen genannt zu werden, ist für eine soziale Plattform ein problematisches Umfeld. Dieses Urteil wird für Marketing- und Rechtsabteilung von Facebook zu viel Kreativität führen.

    Comment by Klaus Krebs — 20.09, 2018 @ 12:32

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