Zu vulgär: Fack Ju Göhte nicht als Unionsmarke schutzfähig
Das Europäische Gericht (EuG) hat mit Urteil vom 24.01.2018 (Az.: T-69/17) eine Entscheidung des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) bestätigt, wonach der Filmtitel „Fack Ju Göhte“ nicht als Unionsmarke eintragungsfähig ist. Amt und Gericht sind der Auffassung, dass es sich dabei um eine geschmacklose, anstößige und vulgäre Beleidigung handle. Der ergänzende Bestandteil „Göhte“, mit dem der hochangesehene Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe posthum in herabwürdigender und vulgärer Weise verunglimpft werde, noch dazu in fehlerhafter Rechtschreibung, könne vom verletzenden und gegen die guten Sitten verstoßenden Charakter der Beschimpfung „Fack Ju/fuck you“ keinesfalls ablenken.
Ob die etwas humorlose Entscheidung des Gerichts durch den EuGH noch korrigiert wird, bleibt abzuwarten. Constantin Film wird als Anmelder der Marke die Entscheidung des Gerichts aber vermutlich angreifen.
Die Entscheidung des EuG ist mindestens in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Das Gericht weist darauf hin, dass der Schutz der freien Meinungsäußerung im Bereich des Markenrechts nicht bestünde. Das halte ich für eine gewagte These, denn die Grundrechte müssen jegliche staatliche Gewalt bei jedweder Entscheidung binden. Dass die Meinungsfreiheit also kein vom Amt bei der Markeneintragung zu beachtender Aspekt sei, wird sich schwerlich in rechtsstaatlicher Art und Weise vertreten lassen.
Wenig überzeugend ist auch der Ansatz des Gerichts, es sei nicht möglich, vom großen Publikumserfolg des Films „Fack Ju Göhte“ darauf zu schließen, dass das Publikum in dem in Rede stehenden Zeichen unmittelbar den Filmtitel erkennen werde und nicht von dem angemeldeten Zeichen abgestoßen wäre. Dies zumal das Amt ja davon ausgeht, dass maßgeblich auf die angesprochenen Verkehrskreise in Deutschland und Österreich abzustellen sei. Als Angehöriger der angesprochenen Verkehrskreise wage ich die Behauptung, dass nahezu jederman darin unmittelbar den Filmtitel erkennen wird.
Die Frage, was man als gegen die guten Sitten verstoßend empfindet, erfordert immmer eine Wertung. Und diese Wertung ist hier in sehr konservativer und eher engstirniger Art und Weise vorgenommen worden. Mit solch einer Begründung sollte im Jahr 2018 keine Markeneintragung mehr abgelehnt werden.
Ob dieser Titel gegen die guten Sitten verstößt, ist natürlich Ansichtssache und mag von der nächsten Instanzen, je nach Naturell der Richter, wieder anders gesehen werden (DDR-Wappen als Marke soll sittenwidrig sein, https://dejure.org/2008,5486, „Berliner Reichstagsbrand“ aber nicht, https://dejure.org/2011,6014, „Massaker“ wieder schon, https://dejure.org/2012,33855).
Das mit der Meinungsfreiheit ist aber wohl nur unglücklich vom EuG ausgedrückt. Gemeint dürfte sein, daß das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Abwehrrecht, das es in erster Linie ist, keinen Anspruch auf eine besondere Förderung gibt. Und die Gewährung von Markenrechtsschutz als Ausschließlichkeitsposition kann man durchaus als Form der staatlichen Förderung sehen. Oder anders ausgedrückt: Die Markeneintragung hat eher meinungsfreiheitsbegrenzende statt -verwirklichende Wirkung, insofern eben als durch sie jeder Dritte von der – ggf. als Meinungsäußerung verstandenen – freie Verwendung des Titels, der Formulierung etc. ausgeschlossen wird.
Hierzu Zitat BPatG, https://dejure.org/2008,5486:
„Der Markeninhaber wird durch die Löschung der Marke entgegen seiner Ansicht auch nicht unzulässig in der durch Art. 5 GG als Aspekt der allgemeinen Meinungsfreiheit geschützten Werbefreiheit eingeschränkt, da er durch die vorliegende Entscheidung nicht daran gehindert wird, die als Marke beanspruchte, gesetzlich nicht verbotene, jedoch als solche markenrechtlich nicht schutzfähige Darstellung weiterhin – wie auch jeder Dritte – in der Werbung für seine Waren und Dienstleistungen einzusetzen.“
Comment by OG — 24.01, 2018 @ 21:33
Was sind die „guten Sitten“? (Letzter Absatz)
Wenn was gegen diese Sitten verstößt oder als Verstoß empfunden werden kann, so muss es diese auch als Festlegung geben. Was also sind sie? Heute wieder Sittenlehre? Was ist die „gute Sitte“, wo ist sie als Fixpunkt festgelegt worden und von wem?
Comment by Edgar Rohlmann — 26.01, 2018 @ 15:13
Und gleich hinzu die Sexualstraftaten: Jemand ist nicht, wie es heute noch im Polizei- und Justizjargon heißt, „unsittlich berührt“ worden, sondern ist sexuell missbraucht, belästigt oder körperverletzt worden.
Wir leben nicht mehr im 18ten Jahrhundert! Die Zeiten von Goethe sind auch lange vorbei, obwohl der sicher heute auf ziemlich alles „gefuckt“ hätte, was im Internet der Neuzeit so stattfindet. Er ruht in Frieden, der Glückliche!
Comment by Edgar Rohlmann — 26.01, 2018 @ 15:27
Und ich schreibe gerne noch was, bevor ich in das Wochenende gehe: Die Gesellschaften in der EU sind mittlerweile so fett gefressen, so satt, so degeneriert, so oberflächlich, so beschissen verwöhnt, dass es Zeit für einen dritten Weltkrieg ist. Dann kommen diese Konsorten mal auf andere Gedanken und konzentrieren sich auf das Wesentliche! Diese Gesellschaft widert einen an.
Ich bin auch sicher, dass denen sofort der Goethe egal ist, denn dann haben sie endlich andere Hobbies, überleben zum Beispiel! Diese Urteile und der ganze Mist kommen nur daher, dass Gesellschaften vor lauter Langeweile Feindbilder in allem suchen, was ihnen vor die Linse kommt. Hirnlose und dumme Menschheit ohne Ablenkung von Konsum und anderem Schrott, mit denen sie sich ihr verblödetes Resthirn vollmüllen, nebst Belästigung der Justiz.
Die Krone der Schöpfung ist der Mensch jedenfalls nicht, die Blattlaus schon eher.
Ganz im Sinne von Goethe geschrieben.
Comment by Edgar Rohlmann — 26.01, 2018 @ 15:58
Edgar, ich liebe Dich!
Comment by Goethe — 26.01, 2018 @ 17:04