Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.6.17

Warum das Netzwerkdurchsetzungsgesetz den falschen Ansatz wählt

Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzG) wird seit Monaten kontrovers diskutiert. Auch wenn man durchaus politischen und gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehen kann, ist der Gesetzesentwurf inkonsistent.

Das was man auf der Website des BMJ dazu lesen kann,

Um die sozialen Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden insbesondere von Nutzerinnen und Nutzer über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte anzuhalten, werden durch den Entwurf gesetzliche Compliance-Regeln für soziale Netzwerke eingeführt.

verdeutlicht unmittelbar, warum das Gesetz falsch konstruiert ist.

Erklärtes Ziel ist es nach den Worten des Ministeriums den betroffenen Nutzern dabei zu helfen, ihre Rechte besser durchzusetzen. Wenn dem so ist, hätte man sich fragen müssen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, damit Nutzer, die durch Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken in ihren Rechten verletzt werden, besser und effektiver direkt gegen Facebook, Twitter & Co. vorgehen können. Was macht der Entwurf des BMJ stattdessen? Er definiert einen Katalog von Straftaten und diesbezügliche Verhaltens- und Handlungspflichten des Anbieters. Daran knüpft er dann Bußgeldtatbestände. Der Gesetzgeber schafft also ein öffentlich-rechtliches Ordnungswidrigkeitenrecht, das als solches nicht unmittelbar geeignet ist, die Position der Nutzer/Bürger zu verbessern. Was will der Gesetzgeber? Das Verhalten der Anbieter durch Bußgelder die Strafcharakter haben sanktionieren oder ein Regelungssystem schaffen, das die Rechtsdurchsetzung für die Betroffenen erleichtert? Dem jetzigen Regelungskonzept geht es nicht um den betroffenen Nutzer, sondern es geht darum, ein neues staatliches Ordnungs- und Sanktionssystem zu schaffen.

Die einzige Neuregelung, die geeignet ist, die Nutzer bei der besseren Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen, ist die Pflicht zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Damit könnte eine komplizierte und zeitaufwändige Auslandszustellung der Klageschrift bzw. des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verhindert werden. Nur leider bleibt der Gesetzgeber hier auf halbem Wege stehen, weil er es versäumt hat, den Anbieter dazu zu verpflichten, Namen und Anschrift des Zustellungsbevollmächtigten auch für den Nutzer leicht zugänglich zu veröffentlichen. Im Zuge dessen hätte man auch gleich noch genauer definieren können, welche Befugnisse dieser Zustellungsbevollmächtigte haben muss und vor allem klarstellen können, dass durch die Zustellung an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten die Auslandszustellung (§183 ZPO) entbehrlich wird und auch keine Übersetzungen von Schriftsätzen und richterlichen Verfügungen notwendig sind. Wünschenswert und sinnvoll wäre eine Regelung gewesen, die es dem Anbieter, der sich mit seinem Service an ein (größeres) inländisches Publikum richtet, gebietet, sich wie ein inländisches Unternehmer vor einem deutschen Gericht verklagen und prozessual behandeln zu lassen.

Bei dem Beschwerdemanagement, das der Gesetzesentwurf in seinem § 3 vorgibt, hätte man vor allen Dingen regeln können, dass sich der Nutzer – außerhalb des Beschwerdeformulars auf der Website – unmittelbar per E-Mail, Telefax oder Brief an eine zu benennende Beschwerdestelle des Anbieters im Inland wenden kann und das Unternehmen verpflichtet ist, die Nutzerbeschwerde innerhalb einer kurzen Frist zu beantworten und hierbei zudem gehalten ist, inhaltlich auf die vom Nutzer konkret vorgebrachten Aspekte einzugehen und sich nicht darauf beschränken kann, lediglich pauschal mitzuteilen, dass keine Regelverstöße erkennbar sind.

Auf den Rest des Gesetzes hätte man getrost verzichten können. Die starren Löschpflichten, die das Gesetz jetzt vorgibt, dürften nicht nur europarechtswidrig sein, weil sie mit den Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie nicht übereinstimmen, sondern sie schaffen auch einseitige Löschanreize, die in der Breite zwangsläufig dazu führen werden, dass in größerem Umfang auch rechtlich nicht zu beanstandende Inhalte gelöscht werden. Das wäre fatal im Sinne der Meinungs- und Informationsfreiheit.

posted by Stadler at 21:23  

4 Comments

  1. Es ist zwar nur ein Nebenkriegsschauplatz der Diskussion um dieses problematische Gesetz, aber die Ironie sollte nicht unerwähnt bleiben, daß es just in dem Punkt, in dem Sie ihm noch positives abgewinnen können, gegen Unionsrecht verstoßen dürfte. Eine Pflicht für Unternehmen mit Sitz in der EU (wie Facebook Irland), einen innerdeutschen Zustellungsbevollmächtigen vorzuhalten, dürfte gegen die Dienstleistungsfreiheit und das europäische Zivilverfahrensrecht, konkret die Zustellungsverordnung, verstoßen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.12.2012 – C-325/11).

    Erst recht gilt das für die vorgeschlagene Regelung, „sich wie ein inländisches Unternehmer vor einem deutschen Gericht verklagen und prozessual behandeln zu lassen“. Solche Regelungen sind der mitgliedstaatlichen Gesetzgebung entzogen, da die EuGVVO abschließend ist (Art. 4 EuGVVO). Davon abgesehen dürfte aber schon in den meisten Fällen nach der EuGVVO ein Gerichtsstand im Wohnsitzmitgliedsstaat des Klägers begründet sein (EuGH, Urteil vom 25.10.2011 – C-509/09).

    Comment by OG — 5.06, 2017 @ 23:45

  2. Per Brief an die Beschwerdeabteilung melden? Dann wird’s aber nix mit der 24-Stunden-Frist…

    Ladungsfähige Anschriften sind eher was für Gerichte und Anwälte, die ihre Post gern per Fax oder Brief verschicken, aus Neuland-Gründen ;-).

    Eine ladungsfähige Anschrift im Inland ist für die Kunden von Großunternehmen aber schon ein Vorteil, weil die sich dann nicht mehr hinter ihrer Briefkastenfirma in Luxemburg oder Irland verstecken können.

    Aber letztlich muss für solche Unternehmen auch gelten: Sie sind nicht direkt haftbar für den Mist, den ihre Nutzer dort online stellen: Sie machen sich das weder zu eigen, noch haben sie es veranlasst. Die Prüfung, ob eine Äußerung strafbar ist, fällt schon Richtern schwer, weshalb es eine sehr uneinheitliche Rechtssprechung gibt (und keiner will, dass die von Andreas Buske sich durchsetzt, außer vielleicht Herr Maas). Auf der anderen Seite der Extreme steht das LG Leipzig, das den Begriff „Rape[f]ugee not welcome“ nicht für strafbar hielt, weil es auch bedeuten könnte „vergewaltigende Flüchtlinge sind hier nicht willkommen“. Und an dieser Interpretation sei nichts auszusetzen – insbesondere im Zusammenhang mit der Silvesternacht 2015/2016, in der ja kleinkriminelle Banden aufgefallen sind, die sich als Asylbewerber ausgeben, um hier zu stehlen und bis hin zur Vergewaltigung zu begrabschen. Das ist also tatsächlich auch schwierig.

    Die „Öffentlichkeit“, die man in einem sozialen Netz erreicht, ist zudem keine echte: Posts erscheinen üblicherweise nur in den Timelines von „befreundeten“ Usern. Damit entfällt das Merkmal der „Öffentlichkeit“ (weil der Empfängerkreis bestimmt ist), die bei vielen Äußerungsdelikten für deren Strafbarkeit nötig ist. Eine „Versammlung“ im juristischen Sinne ist so ein Freundeskreis auch nicht, weil der ja nicht als Demo angemeldet ist.

    Bei „Angesagten“ bzw „Trends“ (Google+ und Twitter haben so etwas) kann man das anders sehen, hier ist es auch tatsächlich die Plattform, die die Postings oder Tags hochjubelt. Da kann man zumindest eine gewisse Zu-Eigen-Machung sehen, bei den Trends zumindest des Hashtags. Das ist aber schwierig, weil sich auch in Shit-Storms viele Nutzer kritisch mit dem Thema auseinandersetzen, und dann, trotz Verwendung des Hashtags, sehr wohl erlaubte Beiträge liefern.

    Aus meiner Erfahrung mit den vollzensierten sozialen Netzwerken in China kann ich nur sagen: Dann verschiebt sich die Kommunikation in einen noch definitiver „privaten“ Bereich, in dem die staatliche Zensur keinen Zugang hat. Das verschärft meiner Meinung nach das Problem, weil das Problem von Leuten mit radikalen Meinungen aus der Filterblase, in der sie leben, heraus entsteht.

    Comment by Bernd Paysan — 6.06, 2017 @ 00:04

  3. Tja, echte Endbenutzerrechte per Gesetzt geht ja gar nicht: das wuerde der deutschen Wirtschaft auf die Fuesse fallen, wenn sie den Datenreichtum ihrer Kundschaft heben will.

    Comment by h s — 6.06, 2017 @ 08:23

  4. Das mag so sein. Dann müsste man Anbieter mit Sitz in der Union ausnehmen. Google beharrt ja beispielsweise darauf, dass die Dienste von der US-Mutter erbracht werden. Es ist also keineswegs so, dass die relevante Niederlassung immer innerhalb der EU ist.

    Comment by Stadler — 6.06, 2017 @ 10:48

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