Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.3.17

Geplantes Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hatespeech bekämpfen

Netzpolitik.org hat gerade den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) veröffentlicht.

Danach sollen soziale Netze mit mehr als zwei Millionen Nutzern verpflichtet werden, quartalsweise einen deutschsprachigen Bericht über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte auf ihrer Plattformen zu erstellen und im Bundesanzeiger sowie auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen.

Darüber hinaus sollen die Anbieter sozialer Medien verpflichtet werden, Beschwerden über rechtswidrige Inhalte unverzüglich zu prüfen. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen innerhalb von 24 Stunden entfernt werden, sonstige rechtswidrige Inhalte binnen sieben Tagen.

Der Verstoß gegen diese Pflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld belegt werden. Außerdem müssen Facebook, Twitter & Co. einen inländischen Zustellbevollmächtigen benennen und zwar sowohl für Zustellungen von Verwaltungsbehörden und Staatsanwaltschaften, als auch für Zustellungen in zivilgerichtlichen Verfahren.

Etwas irritierend ist es, dass im Referentenentwurf primär auf die Bekämpfung sog. Hasskriminalität – etwas, das es als Rechtsbegriff in Deutschland nicht gibt – abgestellt wird, während der Gesetzeswortlaut dann nur noch von rechtswidrigen Inhalten spricht. Das Gesetz definiert als rechtswidrige Inhalte in § 1 Abs. 3 allerdings nur Verstöße gegen bestimmte Straftatbestände, zu denen beispielsweise Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung zählen, ebenso wie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und die Volksverhetzung sowie die Beschimpfung von Bekenntnissen. Es fallen also – entgegen einer ersten Einschätzung von mir – nicht alle rechtswidrigen Inhalte unter die Regelung. Die Auswahl wirkt allerdings eher beliebig und wenig durchdacht. Die Verunglimpfung des Bundespräsidenten ist enthalten, während z.B. die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte fehlt. Die Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (§ 201 ff. StGB) ist ebenfalls nicht enthalten.

Das klingt auf den ersten Blick durchaus sinnvoll, denn Portalbetreiber sind schon nach geltendem Recht verpflichtet, erkennbar rechtswidrige Inhalte zügig zu entfernen. Dieser Rechtspflicht kommen gerade große Anbieter wie Facebook oder Twitter aber bislang nur unzureichend nach.

Andererseits beinhaltet die geplante Regelung die erhebliche Gefahr, dass soziale Netze wie Facebook, Twitter, XING und andere den Weg des geringsten Widerstandes gehen und im Zweifel auf eine Nutzerbeschwerde hin löschen werden. Es besteht damit die Gefahr, dass in großem Umfang auch rechtmäßige Inhalte gelöscht werden, um eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit von vornherein auszuschließen. Denn die ebenfalls nicht rechtskonforme Löschung legaler und rechtmäßiger Inhalte durch Facebook bleibt sanktionslos, während die Nichtlöschung rechtswidriger Inhalte als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt ist. Hierdurch schafft das Gesetz ein gewisses Ungleichgewicht, das durchaus zu einem zensurähnlichen Effekt führen könnte.

posted by Stadler at 17:38  

15 Comments

  1. Wie sieht das eigentlich im europäischen Kontext aus? Nicht nur, dass deutsche Residenz- und Speicherpflichten nicht in ein freizügiges Europa passen. Auch wird die Frage, was rechtswidrig ist, in verschiedenen Ländern der EU durchaus unterschiedlich beantwortet. Während der BGH die Toeben-Entscheidung revidiert hat und mit 3 StR 88/14 nicht mehr deutsches Strafrecht auf sämtliche im Ausland begangene Taten mit Internetwirkung anwenden möchte, will nun Heiko Maas die Welt an dem sogar strengeren Maß der deutschen Rechtswidrigkeit genesen lassen. Wenn andere Staaten ähnlich handeln, bleibt wohl nicht mehr viel von der Meinungsfreiheit in Europa übrig.

    Comment by Jörn Erbguth — 14.03, 2017 @ 19:30

  2. Ebenso muss der erneute Speichern/Hochladen unterbunden werden, was entsprechende Filterinfrastruktur vor Veroeffentlichung voraus setzt. Also eine Vorzensur-Infrastruktur.

    Kommt dem interessierten Leser aus Art 5 der sog. Digitalcharta bekannt vor.

    Halte ich beides fuer Absicht der ueblichen Verdaechtigen unter den Beteiligten, Occam’s Razor spricht mittlerweile gegen Zufall oder Naivitaet.

    Comment by h s — 14.03, 2017 @ 19:32

  3. Wenn ich jetzt kackenfrech wäre, könnte ich auf die Tatsache hinweisen, dass jeder User alle Rechte an Texten und Fotos an FB abtritt. Das steht in den Nutzungsbedingungen. Damit ist FB verantwortlich, nicht mehr der Einsteller.

    Abgesehen davon, siehe oben Stadler, dass Portalbetreiber bereits jetzt rechtliche Vorgaben leisten müssen, halte ich den Entwurf für nicht umsetzbar. Hass alleine ich sowieso nicht strafbar, Hasstiraden oft auch nicht. Man darf hassen. Man kann es ausschmücken mit den schönsten, nicht strafbaren Wortfindungen.

    Zum letzten Absatz des Startblogs muss ich dennoch darauf hinweisen, dass die Firma FB in keiner Weise verpflichtet ist, irgendwas zu veröffentlichen. Das kommt hier wieder zu kurz. Nochmal: FB entscheidet, was veröffentlicht wird, niemand hat ein Recht auf Veröffentlichung, alle Rechte werden bei Veröffentlichung an FB abgetreten. Es gibt keine Gefahr der Zensur, weil es KEINE RECHTE gibt! Die User können Veröffentlichung auch nicht erzwingen oder gegen Nicht-Veröffentlichung rechtlich vorgehen.

    Das kann doch nicht so schwer sein, es endlich mal zu kapieren! Wenn ich hier schreibe, ich liebe die Sonne und Stadler findet Sonnenstrahlen schädlich, dann darf er löschen, und ich habe mich nicht aufzuregen.

    Wer auf FB postet, macht sich selber rechtlos, tritt seine Rechte ab. Das sollte irgendwann auch in der dümmsten Birne mal angekommen sein.

    Comment by Gerhard — 14.03, 2017 @ 20:18

  4. Hoffentlich ist keiner so blöd und Gründet noch in Deutschland ein Technologie Unternehmen.

    Auch wenn 2 Mio in Deutschland registrierte Accounts immerhin nur wenige Plattformen betrift.

    Aber was ist mit verschlüsselten Chat Apps ? Anscheinend ab jetzt verboten da nicht Zensierbar,
    die gehören doch auch zu der Kategorie „Nutzer austausch in gated communies“.

    Comment by mark — 14.03, 2017 @ 20:23

  5. Zu meinem Beitrag schreibe ich natürlich gerne, dass auch Twitter alle Rechte einer Firma hat und jeden User sperren kann. Auch Merkel nebst Trump. Sie haben sich dafür nicht zu rechtfertigen. Twitter und FB können morgen offline gehen, wenn ihnen danach ist. Man sollte endlich mal kapieren, dass es Unternehmen sind, die ihre Angebote vom Markt nehmen können, wie es ihnen gefällt.

    Was die Zensur angeht, so kann jede Firma zensieren, wie sie lustig ist.

    Comment by Gerhard — 14.03, 2017 @ 20:34

  6. Thema verfehlt
    alle Juristen verweisen darauf, dass ja schon alles strafwürdige strafbar ist. Jörn sieht dann auch die vom Gesetzesschreiber verkannte internationale Dimension.
    Aber das ist nicht der Kern der Bedrohung durch Hassbotschaften. Der Kern liegt darin, dass solche Botschaften ohne Wahrheitsbeweis rasend schnell verbreitet UND geglaubt werden.
    Das Gesetz hilft dann nicht gegen eine in den USA eingestellte Nachricht, wenn man eine vorzensurartige upload Infrastruktur in Deutschland aufbaut. Denn dann ist es schon im System.
    Was fehlt? Ulf Buehrmeyer hat es im Deutschlandfunk gesagt: Facebook und andere soziale Medien ignorieren Anfragen oder Aufforderungen. Die Staatsanwälte stellen lieber ein, als wegen so einem Kleinzeug grosse Kosten und viel Zeit zu investieren.
    Und in diesem Windschatten gedeiht der Hass und wird zur Gruppendynamik. Und diese Gruppendynamik wird vom Netz hoch skaliert. Erst die Niche und dann die skalierende Gruppendynamik machen das Ganze so brandgefährlich, nicht die einzelne Botschaft.
    Das wird aber vom Gesetz nicht berührt. Vielmehr geht es wie immer um Symbolpolitik mit Gesetzesbuchstaben, um nicht wirklich handeln zu müssen. Das harte Problem, nämlich die Eindämmung einer frei drehenden Massenhysterie ohne Diskriminierung der Einzelnachricht, wird nicht angegangen. Wäre auch zu schwierig. #neuland
    Und natürlich hat der Autor Recht, dass Facebook gar nicht die notwendigen Kontrolleure einstellen kann, ohne Pleite zu gehen. Also wird es einen bot geben und man kann wild löschen (lassen).

    Comment by Rigo — 14.03, 2017 @ 20:51

  7. Immer noch nicht kapiert, dass es Firmen sind, denen sich Idioten ausliefern. Man nutzt sie nicht, man meidet sie, man entfernt sie durch NICHTNUTZEN! Wer sie nutzt, wird benutzt.

    Und wer es unbedingt braucht in seinem jämmerlichen Leben, der reklamiert bitte keine Zensur. Es gibt keine Zensur, wenn man keine Rechte hat auf den Boards.

    Comment by Gerhard — 14.03, 2017 @ 21:21

  8. „Immer noch nicht kapiert“

    Oh, ein Moment der Selbsterkenntnis?

    Auch der Ansatz mit der „Nichtnutzung“ gefällt mir wirklich gut. Am besten sofort umsetzen und wenn man kein Ahnung hat einfach mal die … wissenschon.

    Comment by PeterPan — 15.03, 2017 @ 10:24

  9. Hass ertragen und nicht mit Hass regieren. Nur tatsächliche strafbare Handlungen verfogen.

    Den Worten nicht das gleiche Gewicht beimessen, wie den Taten. Das betrifft Beleldigungen, Verleiumdungne, Hassäußerungen,Hetze etc. genau so wie formalen Lobhuderei, Heuchelei, verlogene Liebeserklärungen, von Interessne gesteuerte kalkulierte korrekte Äußerungen.

    Taten entscheiden, Worte weniger.

    Comment by Rolf Schälike (@RolfSchaelike) — 15.03, 2017 @ 11:17

  10. „Nur tatsächliche strafbare Handlungen verfogen.“

    https://www.tagesschau.de/inland/oss-urteil-101.html

    Comment by PeterPan — 15.03, 2017 @ 12:53

  11. Was ist falsch an Hate Speech (Hassrede)? Wie soll sich der Hass denn sonst äußern als in Rede?

    @Rolf Schälike – Zustimmung und danke, dass ich nicht der einzige bin, der noch halbwegs mit Verstand reagiert.

    Comment by Wolf-Dieter Busch — 15.03, 2017 @ 13:50

  12. Keine Sorge. „Mit mir wird es ein solches Gesetz nicht geben.“

    Comment by Schmunzelkunst — 16.03, 2017 @ 18:28

  13. Busch, so ist es. Hass darf sich Ausdruck verleihen. Man darf lieben und hassen. Findige Juristen erkennen sowieso immer den schmalen Grat, auf dem man genüsslich tippeln kann, ohne zu fallen. Diese Mühe, dieser Ehrgeiz. Es langweilt irgendwann.

    Doch einigen wir uns darauf, dass wir auf Hass auch verzichten können, da wir alle soweit gebildet sind, um uns dieses und jenes einfach mal lässig zu verkneifen. Einfach mal entspannter werden. Hasstiraden sind anstrengend und strapazieren sogar die Nerven des Hassers, weil soviel negatives Gefühl darin steckt. Das ist Arbeit, das zieht einen runter. Muntere und sonnige Gemüter sind beneidenswert. Sie erkennen die Leichtigkeit des Seins.

    Mir ist es nicht gegeben, aber ich arbeite daran.

    Comment by Gerhard — 16.03, 2017 @ 18:29

  14. Unterschrieben: Petition Nein! Zu dem gefährlichen, die Meinungsfreiheit einschränkenden Gesetzesentwurf über ,,fake news“. in Bundesrepublik Deutschland: https://www.openpetition.de/petition/online/nein-zu-dem-gefaehrlichen-die-meinungsfreiheit-einschraenkenden-gesetzesentwurf-ueber-fake-news

    Das ist meine persönliche petition gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bitte unterschreibt sie für unsere Pressefreiheit

    Comment by Michel Middeke — 21.03, 2017 @ 23:58

  15. Unterschrieben: Petition Nein! Zu dem gefährlichen, die Meinungsfreiheit einschränkenden Gesetzesentwurf über ,,fake news“. in Bundesrepublik Deutschland: https://www.openpetition.de/petition/online/nein-zu-dem-gefaehrlichen-die-meinungsfreiheit-einschraenkenden-gesetzesentwurf-ueber-fake-news

    Das ist meine petition gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bitte unterschreiben sie sie für unsere Pressefreiheit. Danke

    Comment by Michel Middeke — 22.03, 2017 @ 10:30

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