Schützt das Urheberrecht Witze und Gags?
Über einen Blogbeitrag des Kollegen Markus Kompa bin ich auf einen Text Stefan Niggemeiers gestoßen, in dem davon berichtet wird, dass der Kabarettist Florian Schroeder den Cartoonisten Elias Hauck und Dominik Bauer einen Witz geklaut hätte und ihm jetzt vom Landgericht Köln durch einstweilige Verfügung untersagt worden sei, den Witz weiter öffentlich in seinen Auftritten zu verbreiten.
Das möchte ich zum Anlass nehmen, hier mal der Frage nachzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen Witze, Gags oder Pointen urheberrechtlichen Schutz genießen können.
Nachdem das Urheberrecht keine Ideen sondern nur konkrete Werke schützt, ist die Witzidee, also die Pointe, als solche nicht schutzfähig. Wenn man den Witz inhaltlich ähnlich, aber mit anderen Worten erzählt, kommt ein Urheberrechtsverstoß also auch dann nicht in Betracht, wenn man die Pointe „geklaut“ hat.
Voraussetzung eines Urheberrechtsverstoßes ist es, dass der Witz als Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG anzusehen ist. Die Schutzfähigkeit setzt allerdings zusätzlich voraus, dass eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Nachdem die Rechtsprechung keine sonderlich hohen Anforderung an die schöpferische Eigentümlichkeit stellt und die sog. kleine Münze genügen lässt, können durchaus auch sehr kurze Texte schutzfähig sein. Die Rechtsprechung hat das im humoristischen Bereich beispielsweise für kurze, prägnante Sätze oder Aussagen von Loriot und Karl Valentin angenommen. Andererseits muss auch ein Witz oder Gag ein Mindestmaß an Individualität und Originalität aufweisen, um die niedrige Hürde der Schöpfungshöhe zu überspringen.
Und genau das erscheint mir bei dem recht naheliegenden Witz über den die Cartoonisten Hauck und Bauer mit dem Kabarettisten Schroeder streiten, diskutabel zu sein.
Bei Witzen kommt hinzu, dass der tatsächliche Urheber häufig kaum feststellbar ist, weil es gerade dem Wesen des Witzes enstpricht, dass er von möglichst vielen Menschen weitererzählt wird. Man kann sich also durchaus auch die Frage stellen, ob der Urheber eines Witzes nicht von vornherein dulden muss, dass sich sein Witz verbreitet und verbreitet wird, weil genau das in der Natur der Sache liegt.
Der streitgegenständliche Witz funktioniert – wie jeder Witz überhaupt – nur beim erstenmal, denn er lebt vom Überraschungseffekt einer Idee. Beim zweitenmal bleibt die Überraschung aus, weil bereits gehört.
Also: das Kernstück des Witzes ist eine Idee.
Dass eine Idee geschützt werden darf, ist so überraschend, dass der Schutzvorgang gerne als Witz durchgehen darf.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 4.11, 2016 @ 18:25
Ich habe also absolut keine Chancen, meine in jahrelanger Denkarbeit gemünzten Schüttelreime patentieren zu lassen? Das ist sehr bedauerlich.*
Comment by Dr.Klusenbreuker — 5.11, 2016 @ 00:44
Demnächst auf deiner Kabarett-Eintrittskarte:
»Wer Pointen nachmacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte sich verschafft und in Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft.«
Ich muss wohl nicht laut sagen was ich unter umständen „nicht lustiges“ über solche Menschen denke, die ihre Ideen nicht teilen mögen?
Comment by yt — 5.11, 2016 @ 07:22
Nachtrag – Schutzfähigkeit eines Sprachwerks – es handelt sich um einen Subjekt-Prädikat-Objekt-Satz: „Sie sind sehr, sehr dumm.“ Weil das die einfachste Darstellung der Idee ist, darf die Schöpfungshöhe in Zweifel gezogen werden. Um es mal höflich zu sagen.
Comment by Wolf-Dieter Busch — 5.11, 2016 @ 10:23
Der Beitrag hier drückt doch nur mit anderen Worten aus, was Markus Kompa schreibt! Das is nu wohl ’n Witz!!!*
*(c) für „Das is nu wohl ’n Witz!!!“ by Stefan Sulke, Die Moral. Erstveröffentlichung 1982
Comment by ThorstenV — 6.11, 2016 @ 09:08
Siehe auch:
http://de.soc.recht.marken-urheber.narkive.com/VjHjbZlO/urheberrecht-auf-einen-witz
Suche den Thread „Copyright auf Witze???“ vom 11 Okt. 2000
z. B. bei google in der Rubrik „groups“
Hier mein Kommentar darin:
„Bei einem kurzen Wortwitz ist die dem Werk zugrunde liegende Idee der wesentliche Bestandteil des Werks. Es kommt vor allem auf die Pointe an. Die unterliegt m. E. keinem Urheberrechtsschutz. Ohne Pointe ist ein Witz eine schoepferische Fehlleistung. Das heisst die Schoepfungshoehe ist gleich Null. Auch hierfuer gibt es IMO keinen Urheberschutz. Andernfalls waeren z. B. Fernsehsendungen, in denen die Kandidaten frei ihre Lieblingswitze erzaehlen, kaum denkbar.“
MfG
Johannes
http://www.schmunzelkunst.de
Comment by Schmunzelkunst — 6.11, 2016 @ 20:12
Interessante Fragestellung.
Ich würde in dem Sinne zustimmen, dass wohl die meisten Witze und Gags an sich noch nicht genügen, der Schöpfungshöhe zu entsprechen. Dazu müssten es schon etwas komplexere Zusammenhänge, wie eine ganze Erzählung oder gar ein Programm sein, in die die betreffenden Gags eingebunden sind.
Comment by Christina Hoffmann — 14.11, 2016 @ 10:12
Darf ich – ohne Verletzung des Copyrights – den hochdeutschen Vortrag eines kabarettisten in platt-deutsch übersetzen und dies im kleinen Freundeskreis (ohne Entgelt) vortragen ?
Comment by Rolf Kliemann — 3.08, 2019 @ 10:08