Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.9.16

BGH: „Auf fett getrimmt“

Eine gerade veröffentlichte Entscheidung des BGH beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzung eine Veränderung einer Fotografie mittels Bildbearbeitung die urheberrechtlichen Voraussetzungen einer sog. freien Benutzung (§ 24 UrhG) in Form einer Parodie erfüllt (Urteil vom 28.07.2016, Az.: I ZR 9/15).

Ein Internetportal hatte seine Leser unter der Überschrift „Promis im Netz auf fett getrimmt“ aufgefordert, Fotos von Prominenten so zu verfremden, dass sie möglichst fettleibig erscheinen. Eine betroffener Fotograf klagte gegen die Bearbeitung seines Fotos auf Schadensersatz und Geldentschädigung.

Der BGH nimmt zunächst auf seine ältere Rechtsprechung Bezug, wonach eine freie Benutzung voraussetzt, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen.

Der BGH betont sodann, dass der Begriff der Parodie mittlerweile ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts ist und nimmt auf die Rechtsprechung des EuGH Bezug:

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der in Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG verwendete Begriff „Parodie“ ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts (EuGH, Urteil vom 3. September 2014 – C-201/13, GRUR 2014, 972 Rn. 17 = WRP 2014, 1181 – Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.). Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestehen darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. Der Begriff „Parodie“ im Sinne dieser Bestimmung hängt nicht von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Parodie einen eigenen ursprünglichen Charakter hat, der nicht nur darin besteht, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen. Zu den Voraussetzungen einer Parodie gehört es außerdem nicht, dass sie vernünftigerweise einer anderen Person als dem Urheber des ursprünglichen Werkes zugeschrieben werden kann, dass sie das ursprüngliche Werk selbst betrifft oder dass sie das parodierte Werk angibt (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 33 – Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.). Bei der Anwendung der Schutzschranke der Parodie in einem konkreten Fall muss ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 34 – Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.).

Der BGH geht im Lichte der Rechtsprechung des EuGH zwar vom Vorliegen einer Parodie aus, meint gleichwohl, das Berufungsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass die Parodie eine Entstellung des Werks beinhaltet und sich die Bearbeitung nicht unmittelbar mit dem Ausgangswerk auseinandersetzt. Im Ergebnis hält der BGH einen Schadensersatzanspruch des Fotografen für denkbar und führt aus, dass das Vorliegen einer freien Benutzung im Sinne von § 24 UrhG jedenfalls mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bejaht werden kann. Der BGH hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

posted by Stadler at 09:23  

3 Comments

  1. Anmerkung: überraschend vollständige und schlüssige Definition von „Parodie“ – und das in einem juristischen Text! Nicht schlecht.

    Comment by Wolf-Dieter — 3.09, 2016 @ 22:24

  2. Für den Parodisten ist es einfach vertrackt. Spontan – ohne Sicht auf das konkrete Foto plus Verfremdung – hätte ich gesagt, Eigenschöpfung, ist erlaubt, keine Vegütungspflicht für Original vor Verfremdung.

    Gericht sagt: Eigenschöpfung ja, im konkreten Fall aber trotzdem Vergütungspflicht für Original. Nach Sicht auf Verfremdung stimme ich sogar (nicht logisch, sondern gefühlsmäßig!) zu.

    Ich hätte mich ja so gefreut, wenn sich so was ähnliches wie eine glasklar anwendbare Regel herausgestellt hätte … ist nicht der Fall.

    Comment by Wolf-Dieter — 4.09, 2016 @ 09:07

  3. In der Satire werden oft Fotos verwendet, auf denen Promis in Form von Bildmontagen verulkt werden. Werden hierfür irgendwelche passenden Fotos gewählt, die schnell oder bequem greifbar sind, liegt i.d.R. keine Parodie der Fotos vor. Man setzt sich dabei mit den Personen und nicht mit den Fotos auseinander. Die Gerichte hätten sich die speziellen Ausführungen über die Parodie können.

    Das mag für den vorliegenden Fall nicht von besonderer Bedeutung erscheinen, weil ja im Rahmen der freien Benutzung in der Parodie mehr erlaubt ist als in der ernsthaften Auseinandersetzung mit einem fremden Werk. Wenn aber jetzt der Eindruck ensteht, die Verwendung von Fotos für das Parodieren von Personen wird gemessen an den Grundsätzen, die die Rechtsprechung ganz allgemein für die Parodie herausgearbeitet hat, läuft etwas in die falsche Richtung.

    Comment by Schmunzelkunst — 4.09, 2016 @ 20:03

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