Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

15.10.14

Wikileaks verkauft jetzt Lizenzen

Wikileaks bzw. Julian Assange haben dem Shopbetreiber GetDigital.de den Vertrieb von T-Shirts mit dem Wikileaks-Logo sowie dem Konterfei von Assange untersagt. Auch die Süddeutsche hat darüber berichtet. Juristisch ist dagegen im Grunde nichts einzuwenden, denn die T-Shirts verletzen natürlich das Recht von Assange an seinem eigenen Bild und die Rechte von Wikileaks. Aber verfolgt eine Organisation wie Wikileaks, die gerade auch von der Glaubwürdigkeit in der Netzgemeinde lebt, damit tatsächlich die richtige Strategie?

Wikileaks hat sich in der Vergangenheit sehr stark über Spenden aus der Community finanziert, die in Deutschland in Millionenhöhe (!) über die CCC-nahe Wau Holland Stiftung vereinnahmt wurden. GetDigital hatte den Verkauf dieser T-Shirts nach eigener Aussage auf einer Non-Profit-Basis durchgeführt und fast den gesamten Gewinn (5 EUR pro T-Shirt) über die Wau Holland Stiftung an Wikileaks gespendet.

Wikileaks und Assange haben für Deutschland jetzt die Agentur Bavaria Sonor, die zur Bavaria Media GmbH gehört und eine Ausgliederung der Bavaria Film GmbH ist, mit der Wahrnehmung und Vermarktung ihrer Marken- und Persönlichkeitsrechte betraut. In der Pressemitteilung von Bavaria Sonor liest sich das so:

Fashion als Statement, das Produkt als Möglichkeit des persönlichen Ausdrucks: Bavaria Sonor vertritt WikiLeaks und Julian Assange als Lizenzagentur

(…)

Weil die Unterstützer von WikiLeaks nach Möglichkeiten suchen, ihre sympathisierende Position öffentlichkeitswirksam auszudrücken, sind die Vertreter der Markenrechte von WikiLeaks und der Persönlichkeitsrechte von Julian Assange an die Bavaria Media herangetreten: Sichtbare Identifikation der Unterstützer sei erwünscht, aber nicht als Produktpiraterie. Um eine legale Vermarktung zu garantieren, vertritt ab sofort das Merchandising-Label von Bavaria Media, Bavaria Sonor, als Lizenzagentur die Marke WikiLeaks sowie Julian Assange für den deutschen Sprachraum.

Der Auftritt soll durch Bavaria Sonor deutlich professionalisiert werden, die Erlöse sollen in die Organisation zurückfließen. In der ersten Phase des Programms zielt die Agentur auf die Produktwelt einer politisch interessierten, internet-affinen und modebewussten Zielgruppe: Handyschalen, Hoodies, T-Shirts, Jacken, Sonnenbrillen, Uhren, Schreibwaren, Messenger Bags etc. Hier wird Bavaria Sonor sowohl etablierte Unternehmen ansprechen als auch kleinere Szene-Labels.

Es muss die Frage erlaubt sein, ob es wirklich Community-kompatibel ist, dass sich Wikileaks und Assange auf diese Art und Weise von einem Unternehmen vertreten und vermarkten lassen, das auf Film- und Fernsehproduktionen spezialisiert ist. Zumal die Bavaria Media GmbH gegenüber dem Shopbetreiber GetDigital für ein vermeintlich professionelles Unternehmen doch recht unprofessionell auftritt. In der E-Mail-Abmahnung der Bavaria Media GmbH ist von einer euröpäischen Wort- und Bildmarke die Rede, die beim Europäischen Patentamt in Valencia angemeldet sei. Nun sitzt das Europäische Patentamt bekanntlich in München und das Europäische Markenamt (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) in Alicante. Wenn man dort recherchiert, stößt man dann allerdings tatsächlich auf eine Gemeinschaftsmarke aus dem Jahre 2011, die das Wikileaks-Logo als Bildmarke schützt.

Die entscheidende Frage lautet: Warum sollten Angehörige der Netzgemeinde weiterhin für Wikileaks spenden, wenn es der Organisation um Julian Assange offenbar nur noch um den Verkauf von Lizenzen geht, der in Deutschland noch dazu von einer dilettierenden bayerischen Lizenzagentur organisiert und betrieben wird? Das ist vielleicht auch eine Frage, die man sich bei der Wau Holland Stiftung stellen sollte.

Julian Assange hat sicherlich seine Verdienste und die Idee von Wikileaks fand ich immer großartig. Er scheint mir nur, unabhängig von den Vergewaltigungsvorwürfen aus Schweden, längst von seinem ursprünglichen Weg abgekommen zu sein und mittlerweile vordergründig auf die vermeintlich professionelle Vermarktung seiner Person bedacht zu sein. Glaubwürdigkeit geht anders.

Update:
Bavaria kennt wohl den Streisand-Effekt und hat sich bei GetDigital für die Form des Vorgehens entschuldigt. An meiner Bewertung ändert das aber nichts.

Update:
In den Kommentaren wurde ich gerade darauf hingewiesen, dass das Wikileaks-Logo urheberrechtlich unter einer CC-BY SA 3.0 Lizenz steht, was jedenfalls von Wikipedia auch so bestätigt wird. Das bedeutet dann allerdings, dass das urheberechtliche Werk Logo sogar in einem kommerziellen Kontext verwendet werden darf, soweit der Urheber benannt ist. Auf dieses urheberrechtliche Nutzungsrecht könnte man sich dann auch gegenüber markenrechtlichen Unterlassungsansprüchen berufen, zumal Wikileaks sich widersprüchlich verhält, wenn es die Nutzung des Logos unter CC-Lizenz gestattet und gleichzeitig die Verwendung des als Bildmarke geschützten Logos auf einem T-Shirt untersagen will.

posted by Stadler at 11:02  

7 Comments

  1. Anregung: Beleuchtung des Verhältnisses von Markenrechten zu CC-BY…

    Das Logo von Wikileaks steht – nach meinem Kenntnisstand – unter CC-BY 3.0 unported. Die Nutzung des Logos ist bei Einhaltung der Lizenzbedingungen also erlaubt – auch in einem kommerziellen Umfeld, weil NC nicht gewählt wurde. Wie verträgt sich die deutlich ältere urheberrechtliche Lizenzerteilung nach CC mit dem prioritätsschlechteren Monopolrecht aus den Marken? Das ist die eine Frage – und die Andere ist die bei Bekleidung typische: ist das Abdrucken des Logos auf der Vorderseite eine markenmäßige Benutzung (man erinnere BGH in Sachen DDR und CCCP).

    Im Angesicht, dass JA nunmehr den Unterstützern vor’s Schienbein tritt – getdigital hat Umsatz aus dem Verkauf über die WH-Stifung an WL gespendet: Ich für meinen Teil sortiere WL innerlich aus meiner Liste der positiven Vereinigungen, denen ich auch mal so einen Gefallen leiste, aus. Schließt aber andererseits natürlich nicht aus, dass ich mit Julian weiteres Bier trinke (die ersten waren in einer kleinen Runde auf dem 26c3), wenn er sich irgendwann mal wieder frei bewegen kann.

    Comment by le D — 15.10, 2014 @ 11:55

  2. @ le D: Dass das Wikileaks-Logo unter einer CC-BY 3.0 – Lizenz steht, war mir nicht geläufig. Das macht die Sache auch juristisch interessant. Wenn direkt das Logo aufgedruckt ist, dann entsteht der Eindruck, diese T-Shirts stammten von Wikileaks und das ist eine Markenverletzung (Verletzung der Herkunftsfunktion). Das ist in diesen CCCP-Fällen anders.

    Comment by Stadler — 15.10, 2014 @ 12:03

  3. Habe ich etwas übersehen oder beansprucht die erwähnte Gemeinschaftsmarke gar keinen Schutz für T-Shirts?

    Comment by Martin Steiger — 15.10, 2014 @ 15:47

  4. @Martin: https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/registerhabm?AKZ=009590563

    @Tomas: Ich habe Zweifel, dass das eine Verletzung der Herkunftsfunktion ist, sondern es braucht mE dafür zusätzliche Anhaltspunkte:

    „Die Antwort auf die Frage, ob der Verkehr ein auf der Vorderseite eines Bekleidungsstücks angebrachtes Motiv als produktbezogenen Hinweis auf die Herkunft oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann jedoch nach der Art und der Platzierung des Motivs variieren. Denn anders als bei eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken (hierzu BGH, Beschl. v. 24.4.2008 – I ZB 21/06, GRUR 2008, 1093 Tz. 22 = WRP 2008, 1428 – MarleneDietrich-Bildnis I) geht der Verkehr nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei Wörtern und Symbolen, die auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken angebracht sind, nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis. Ob dies der Fall ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall.“

    Und bei WL (also das Logo; beim Konterfei sieht’s anders aus) ist bekannt, dass sie (zumindest bislang) keine Bekleidung vertrieben haben.

    Ob das Logo wiklrich CC-BY ist, habe ich noch nicht im Detail nachvollzogen. In der WP ist sie so gelistet (und da ist mir bislang noch keine falsche Lizenzangabe untergekommen).

    Comment by le D — 15.10, 2014 @ 15:49

  5. Wikileaks (!) läßt wegen Markenrechten von Bildern abmahnen. Wie absurd ist das denn?

    Comment by Mirco — 15.10, 2014 @ 16:07

  6. Immer dieses Bashing gegen Wikileaks

    Comment by mayeure — 15.10, 2014 @ 18:16

  7. Besorgt und bezahlt lieber mal den Hubschrauber, der Julian aus der Botschaft abholt. Das ist auch einigen Knastbrüdern in scharfbewachten Gefängnissen schon gelungen, da wird es bei einer Botschaft kaum Probleme geben. Ein Dachfenster werden die ja wohl haben?

    Comment by Eckhard — 17.10, 2014 @ 13:32

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