Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.10.14

Warum darf die heute show nicht im Bundestag drehen?

Der ZDF-Satiresendung heute show wurde eine Drehgenehmigung im Bundestag versagt, was medial hohe Wellen geschlagen hat, nachdem Moderator Oliver Welke die Weigerung der Bundestagsverwaltung in der Sendung öffentlich gemacht hatte.

Gegenüber der Süddeutschen hat die Bundestagsverwaltung die Verweigerung der Drehgenehmigung damit begründet, dass „die Absicht offenbar wurde, unter Verstoß gegen die hiesige Geschäftsordnung im Reichstagsgebäude eine Satire-Inszenierung aufzuzeichnen„. Die Produktionsfirma der heute show habe einen Protagonisten auf der Pressetribüne filmen wollen, was nach dem Beschluss des Ältestenrates nur zum Zwecke einer unmittelbaren politisch-parlamentarischen Berichterstattung erlaubt sei.

Diese Begründung ist rechtlich in jedem Fall problematisch, denn sie offenbart die Haltung der Bundestagsverwaltung, die heute show würde keine unmittelbare politisch-parlamentarische Berichterstattung bieten. Gerade diese Bewertung steht der Verwaltung aber nicht zu, wie der Kollege Jonas Kahl bei Telemedicus erläutert. Wie und in welcher Form berichtet wird, ist eine Entscheidung die das berichtende Presseorgan selbst zu treffen hat. Es ist gerade der Wesenskern der Pressefreiheit, dass die Verwaltung nicht darüber zu bestimmen hat, was man als seriöse Berichterstattung ansieht und was nicht. Formale und inhaltliche Anforderungen darf die Bundestagsverwaltung daher gar nicht erst stellen. Eine satirische oder belustigende Berichterstattung hat denselben Stellenwert wie die eines klassischen Nachrichtenformats. Das was die heute show macht, stellt deshalb natürlich auch eine unmittelbare politisch-parlamentarische Berichterstattung dar.

Vielleicht ist die satirische Berichterstattung sogar die bessere Berichterstattung, weil sie Aspekte darstellt und hervorhebt, die bei der „seriösen“ Berichterstattung verborgen bleiben. Oder wie es Jens Best auf Twitter formuliert hat:

Wenn Satire im Bundestag wirklich untersagt wäre, dann müsste auch einigen MdBs der Zutritt verweigert werden.

Dass die Bundestagsverwaltung Angst vor kritischer bzw. entlarvender Berichterstattung hat, die sich etwas außerhalb der gewohnten Bahnen bewegt, konnte man schon an der Verweigerung einer Jahresakkreditierung für das Blog netzpolitik.org sehen, die ebenfalls auf die Begründung gestützt wurde, netzpolitik.org würde keine parlamentarische Berichterstattung betreiben. Auch wenn dem Blog netzpolitik.org die Jahresakkreditierung zwischenzeitlich erteilt wurde, offenbaren diese Begründungsansätze der Bundestagsverwaltung eine eigentümliche Vorstellung von Berichterstattung und Pressefreiheit.

posted by Stadler at 12:19  

7 Comments

  1. Die Satiriker und Blogger sind die einzigen, die noch kritisch berichten, und bei denen diverse Einbindungsstrategien versagt haben. Der Rest der Presse nimmt seine Funktion ja gar nicht mehr ernst. Aber witzig ist das dann nicht, obwohl der Postillon schon 2011 gemutmaßt hat, Bild sei in Wahrheit ein Satireblatt ;-).

    Comment by Bernd Paysan — 21.10, 2014 @ 12:27

  2. Vllt sollte Herr Ernst Hebeker mal darüber nachdenken, ob sein Verhalten noch politisch-parlamentarische Tätigkeit ist…

    Comment by Pimperlitzchen — 21.10, 2014 @ 12:32

  3. Als dazu aufgefordert wurde, bei der zuständigen Stelle per Email »Beschwerde« gegen die Entscheidung einzulegen, habe ich darüber nachgedacht, zu schreiben, dass gerade die satirische Berichterstattung das noch belebende Element ist, während drei Entwicklungen wichtig sind.

    1. die Neigung der »jungen Leute« zur Politikverdrossenheit, die nicht unbedingt direkt von der heute-show repariert würde, sondern von der Mühe, die man sich macht, ihr durch Kompetenz zu entgehen bzw. mit Kompetenz gegen sie aufzutrumpfen.
    Offenbar wird das den Parlamentariern zunehmend nicht zugetraut.

    2. das allgemeine Misstrauen gegenüber klassischer politischer Berichterstattung, wo man in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht mehr weiß, welchem Nachrichtenmedium man hier vertraut.
    Offenbar ist man sich nicht des Mediums heute-show und der Vertrauenswirkung der Satire bewusst und/oder es greift 1.

    3. Norbert Lammert, entschiedener Gegner der heute-show, äußert sich hin und wieder darüber, dass die Debattenkultur, insb. Fragestunden etc., wie auch in der Sendung demonstriert, langweilig und bis zur Sinnlosigkeit entstellt sind. Offensichtlich will man daran aber eben auch nichts ändern.

    Ich erinnere mich noch gut an eine Berichterstattung der heute-show im Bundestag zum ESM, wo die Leute gefragt wurden, ob sie wüssten, um welche Summe es denn geht und offengelegt wurde, dass BT-Abgeordnete zuweilen über unverstandene Dinge abstimmen, ob kritisierte Entscheidung oder nicht. Der mündige Bildungsbürger muss die Möglichkeit haben, zu sagen, das ist kritisch, hier muss ich nochmal nachfragen. Ist das wirklich passiert? Wie können in dem Fall vom Fraktionszwang unabhängige »Gewissensentscheidungen« gefällt werden usw. usf. Zugegeben, die heute-show-Leute verdrehen oft Dinge, aber gerade das Noch-mal-Nachdenken ist doch ein kardinales Element der pol. Berichterstattung, zumindest sollte es das sein.

    P.S. Ich habe dann keine Mail geschickt, das kam mir dann zu kindisch vor.

    Comment by Phil89 — 21.10, 2014 @ 21:52

  4. Es ist noch nicht so lange her, da hätte ich mich über den verweigerten Zutritt aufgeregt. Die heute show hat in der Vergangenheit tatsächlich ein paar Dinge öffentlich gemacht, die in den Medien ansonsten untergegangen sind.

    Allerdings beobachte ich seit geraumer Zeit, dass die Sendung ihren Biss verloren hat und bestenfalls noch Klamauk abliefert wo mal ein Wahlabend, mal eine Fußgängerzone und mal der Bundestag als Kulisse herhalten soll. Im Moment habe ich Verständnis, wenn der Bundestag mit so etwas seine Zeit nicht mehr vertrödelt sehen will.

    Dass man netzpolitik.org keinen Zugang gewähren wollte, halte ich für einen echten Skandal, denn die *machen* politische Berichterstattung. Die sitzen tatsächlich stundenlang da, in den langweiligen Debatten, und schreiben alles wichtige dann zum Nachlesen auf. Und diese Arbeit macht tatsächlich einen Unterschied.

    Ob Kabelka, van Rissen und Co. im Bundestag schnell einen Beitrag zusammenkloppen oder nicht, ist mir ja sowas von egal inzwischen.

    Zum Glück gibt es mittlerweile die Anstalt; davon könnte sich die heute show gerne ein paar Scheiben abschneiden.

    Comment by Trittbretttreter — 21.10, 2014 @ 23:02

  5. Ich fand aber den Satz »Chantal aus Köln Porz hat mehr Ahnung von Wirtschaftspolitik als Sigmar Gabriel« und den Beitrag drum herum schon »aufklärend«, weil sich die Leute Gedanken machen über um die Makroökonomie, weil es S.G. aber nicht kann. Und ich fand die letzte Sendung schon bissiger als ein paar in der letzten Zeit, aber die Anstalt hat die Heute-Show schon gnadenlos überholt in ihrem Sarkasmus, unter anderem, weil sie es eben nicht nötig haben, Beiträge zusammenzuschneiden, an einer kritischen Stelle abzubrechen und Wirkungen entstehen zu lassen, die so nicht sind. Ich glaube, das ist die größte Schwäche der Heute-Show, gefolgt von den für mich charakterlich relativ blass gezeichneten Außenreportern, die zum Teil ja auch wirklich dumme Fragen stellen.

    Comment by Phil89 — 21.10, 2014 @ 23:11

  6. Der gemeinsame Nachrichtensender der ARD und des ZDF, Phoenix, überträgt alle Bundestagsdebatten live. Ich tue mir das auch oft genug von 9 Uhr bis 18 Uhr an, mal in der Freizeit, mal nebenher im Büro. Wenn es also darum geht, über die Debatten zu berichten, so ist das ZDF schon vor Ort. Die heute show kann sich die Rosinen rauspicken.

    Der heute-show geht es darum, vorbeilaufenden Politikern ein Micro unter die Nase zu halten, Fragen zu stellen, die auch wir spontan nicht beantworten könnten, und diese Bloßstellung zu senden für ein paar Lacher. Es wird natürlich stundenlang gefilmt und danach alles auf zwei Minuten der „Versager“ reduziert.

    Das ist sicher lustig, aber nicht für die Betroffenen. Vor allem mies, wenn es gerade die netten Politiker/innen trifft, die eben nicht abwinken und am Micro vorbeilaufen, sondern stehenbleiben und sich Zeit nehmen wollen. Die laufen ins offene Messer. Die heute show darf vor der Tür filmen, da gehört sie auch hin.

    Comment by Eckhard — 22.10, 2014 @ 17:43

  7. Ps. Die heute show ist sicher die einzige Sendung, die jüngere Leute abrufen. Anonsten wird das Grauen für Graue gesendet. Schwulst und Schmalz bis zum Abwinken.

    Ich bin auch überzeugt, daß wir uns um das ZDF mit deren Rechtsabteilung keine Sorgen machen müssen. Im Zweifelsfall wird gerne auch externer Rechtsbeistand gesucht. Das Geld ist da, die Zwangsabgabe ist eine ewig sprudelnde Geldquelle, da darf es auch mal etwas kostspieliger werden. Tante ZDF nebst heute show bleibt uns erhalten, ob wir wollen oder nicht.

    Euch eine schöne Wochenmitte.

    Comment by Eckhard — 22.10, 2014 @ 18:27

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.