Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

2.10.14

Auch überspitzte Äußerungen fallen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer neuen Entscheidung (Beschluss vom 28.7.2014, Az.: 1 BvR 482/13) erneut die Grenzen der sog. Schmähkritik, die nicht mehr den Schutz der Meinungsfreiheit genießt, eng gezogen und betont, dass auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung macht. Vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund steht. Nur dann kann ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden.

Aus diesem Grund, so das BVerfG,  wird eine Schmähkritik bei Äußerungen zu Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren, nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben.

Im konkreten Fall hatte der Beschwerdeführer im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen eine Richterin u.a. ausgeführt, er protestiere „gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin“ und meinte, „sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät“. Der Beschwerdeführer wurde deswegen wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt, was das BVerfG beanstandet.

Im Urteil heißt es hierzu:

Das Urteil des Landgerichts, dem sich das Oberlandesgericht anschließt, nimmt in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Art und Weise an, dass es sich bei den für strafbar erachteten Äußerungen um Schmähkritik handele. Hierbei verkennt das Landgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 <3018>). Dem genügt die Entscheidung des Landgerichts nicht. Auch bezüglich der Äußerung, es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerate, steht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund. Der Beschwerdeführer bezieht sich auf das von ihm in der Dienstaufsichtsbeschwerde kritisierte Verhalten und bezweckt eine Überprüfung dieses Verhaltens durch eine übergeordnete Stelle. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Bezüglich der weiteren Äußerungen begründet das Landgericht seine Einordnung als Schmähkritik überhaupt nicht.

posted by Stadler at 16:57  

5 Comments

  1. Unser gutes altes BVG. Wo kann man eigentlich Fanshirts kaufen?

    Comment by Frank Topel — 2.10, 2014 @ 20:24

  2. Es wird Zeit, daß Menschen alles sagen dürfen, was die wollen, denn es ist ihr Urrecht! Aus dem antiken Strafgesetzbuch sind zu streichen:

    -Beleidigung (Warum darf man ein AL nicht AL nennen?)

    -Schmähkritik (Eine dumme Worthülse, die nichts aussagt, außer den eigenen Schwachsinn)

    -Volksverhetzung (Erfunden, weil die Macher des Grundgesetztes die Deutschen aufgrund der Nazi-Zeit für so dumm hielten, daß sie dem Volk jegliche Klugheit in der Zukunft abgesprochen haben. Mittlerweile sind wir hoffentlich klug genug)

    -Üble Nachrede (Beißt sich immer mit der Meinungsfreiheit, daher ist der Mist abzuschaffen, ansonsten wirkt die Verleumdung)

    Der Straftatbestand der Verleumdung hat seine Rechtfertigung und sollte erhalten bleiben.

    Comment by Eckhard — 2.10, 2014 @ 21:10

  3. Ps. Die Worte Diffamierung, Schmähung, Herabsetzung können oft genug ihre Gründe haben.

    -Diffamierung ist Verleumdung

    -Schmähung wird missbraucht

    Es sollte jeder damit klar kommen, verschmäht zu werden, denn das Wort bezeichnet nur eine Abneigung und Ablehnung. Ist das verboten?

    -Herabsetzung

    Um herabgesetzt zu werden, muß man sich vorher irgendwo oben befinden. Wenn sich ein Mensch herabgesetzt fühlt, liegt es wahrscheinlich eher an dessen Minderwertigkeitskomplexen. Daran kann man arbeiten. Das ist nicht Aufgabe der Justiz. Wenn jemand einen Song rausbringt und singt: „Männer sind Schweine“, dann ist es doch eher so, daß sich die Tierschützer zu Recht aufregen.

    In diesem fröhlichen Sinne.

    Comment by Eckhard — 2.10, 2014 @ 21:48

  4. > Unser gutes altes BVG. Wo kann man eigentlich Fanshirts kaufen?

    Keine Sorge, da gibt es auch eine Menge Korruption.

    Comment by Heinz — 3.10, 2014 @ 09:52

  5. Mir ist 1993 einmal jemand begegnet, der von sich behauptete, einer über zehnjährigen Haftstrafe durch Zahlung einer Summe von mehreren hunderttausend DM
    an einen zuständigen Richter entgangen zu sein. Möglichwerweise war da schon jemand auf die schiefe Bahn geraten.

    Da Rechtsbeugung in der Bundesrepublik so gut wie nicht verfolgt wird ( im Unterschied zum Feudalsystem des 19. Jh. ) dürfte der eine oder andere auf eine Bahn geraten sein, für es ohnehin keine Bezeichnung mehr gibt in der deutschen Sprache.

    Für die anwaltliche Praxis ist die Anfertigung einer Preisliste sicher nützlich, und eine Datenbank mit
    ausnutzbaren Schwächen. So sind Auskünfte über laufende Ermittlungen schon für weniger als 1000,– Euro erhältlich, wenn man weiß, wen man ansprechen muss,
    das Verschwindenlassen eines Vorgangs kostet da schon etwas mehr, und ein Urteil kann teuer sein. Umsonst sind Auskünfte, die unbeabsichtigt im Vollrausch abgegeben werden.

    Im Übrigen werden Brüller, die in eigener Sache Beschwerden einreichen, meist nicht verfolgt, da man sie für befangen hält.

    Comment by Arne Rathjen, RA — 3.10, 2014 @ 21:04

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