Nicht lustig: Die Klopapier-Affäre und ihre Folgen
Die Uneinsichtigkeit und Beharrlichkeit mit der Ermittlungsbehörden rechtswidrige Maßnahmen verfolgen, ist manchmal lächerlich, manchmal angsteinflößend oder auch beides.
Im LKA Thüringen wurde vor einigen Jahren eine Überwachungkamera montiert um einen vermeintlichen Dieb von Klopapier zu ermitteln. Der Täter wurde nie gefasst, aber irgendein Whistleblower aus dem LKA hatte die Klopapier-Affäre den Medien gesteckt.
Das führte natürlich dazu, dass man alles daran setzen musste, den Nestbeschmutzer aus den eigenen Reihen zu finden. Diese Ermittlungen beschränkten sich schon sehr bald auf einen einzigen Polizeibeamten. Verdächtig hatte den Beamten der Umstand gemacht, dass er mit einem Journalisten des MDR bekannt war. Das Innenministerium hatte hierzu die „Ermächtigung zur Verfolgung der zur Last gelegten Tat der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht“ erteilt.
Bei dem Beamten wurde dann ein erweiterte Sicherheitsüberprüfung durchgeführt, die u.a. Abfragen bei den Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten, beim Bundeszentralregister und beim BKA zum Inhalte hatte.
Die Staatsanwaltschaft beantragte schließlich beim Amtsgericht Erfurt eine Durchsuchungsanordnung, die das Gericht allerdings, anschließend bestätigt durch das Landgericht, ablehnte. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den Beamten, vielmehr seien alle 40 in Betracht kommenden Beamten gleichermaßen verdächtig. Was für eine Erkenntnis.
Es ist manchmal schon erschütternd wie unverhältnismäßig und rechtsstaatswidrig Behörden agieren können.
Man kann sich jetzt wenigstens ausmahlen, wie dort und anderswo gegen „Aussenstehende“, nämlich den Bürger vorgehen. Bestimmt nicht zimperlicher.
Comment by M — 4.09, 2014 @ 18:08
Ich finde diese Entwicklung gut. Wir brauchen möglichst viele Kollateralschäden, sowohl auf Seiten der „normalen“ Bürger als auch bei den Überwachern selbst. Erst wenn jeder jederzeit und überall zu Unrecht Opfer von Überwachung und Verfolgung werden kann, wird es ein Umdenken in den Köpfen der Massen geben. Wir brauchen die schöpferische Zerstörung.
Es brauchte erst Chernobyl, bis die Atomkraftkritiker nicht mehr als Verschwörungstheoretiker und Spinner diffamiert wurden. Heute ist es Mainstream, Atomkraft doof zu finden. Das ist unser Vorbild.
Comment by collateral — 4.09, 2014 @ 21:02
Was ist hier rechtsstaatswidrig?
Herr Stadler, könnten Sie das bitte juristisch erklären.
Comment by Rolf Schälike — 4.09, 2014 @ 22:39
Ich hole mir des öfteren bei den Gerichtsverhandlungen die Papierhandtücher, die es am Waschbecken im Klo des Gerichts gibt, als Schnupftücher.
Ist das Diebstahl?
Wäre die Verfolgung rechtsstaatwidrig?
Comment by Rolf Schälike — 4.09, 2014 @ 22:44
Wer Sitzungsaushänge unbefugt entfernt oder sonst unbrauchbar macht, muss damit rechnen, ein Hausverbot zu erhalten ggf. angezeigt zu werden.
Präsidentin des Landgerichts Hamburg
http://www.buskeismus-lexikon.de/images/terminrolle_140417.pdf
Richter Dr. Thomas Linke des LG HH meint, das Entfernen der Terminrollen nach der Verhandlung wäre Diebstahl.
Ist doch rechtsstaatlich korrekt.
Comment by Rolf Schälike — 4.09, 2014 @ 22:54
Notebookanschlus an die Steckdose in der Gerichtskantine ist Stromdiebstahl
Rechtsstaatlich korrekt.
Nur, weil es Klopapier ist, darf man klauen?
Comment by Rolf Schälike — 4.09, 2014 @ 22:58
Der Beschuldigte war nicht mit „einem“ MDR-Journalisten befreundet, sondern genau mit dem, der die Recherche durchführte. Und natürlich begründet das einen intensivierten Verdacht gegen diese Person. Die Begründung der Gerichte, mit der diese sich um die eigentliche Verhältnismäßigkeitsprüfung herumdrücken, ist deshalb sicher falsch.
Comment by Jens — 5.09, 2014 @ 08:36
Man merkt, daß Herr Stadler ein Fachanwalt für IT-Recht ist, schreibt er doch von einem Netzbeschmutzer. Ein lustiger, freudscher Verschreiber. :-)
Ich vermute eher, daß sich einige Ostbehörden immer noch nicht von ihrer Stasi-Vergangenheit lösen können. Die Feinde lauern eben überall, innen und außen. Soweit ich das in Erinnerung habe, war doch eigentlich die Installation der Kamera der Anstoß des Ärgernisses?
Comment by Colin — 5.09, 2014 @ 12:50
Für alle, die hier die offensichtliche Rechtswidrigkeit nicht gleich erkennen, empfehle ich, sich durch die zufällige Bekanntschaft mit einem Schwarzfahrer oder aktiven Linken usdgl. eine Hausdurchsuchung einzuhandeln. Das ist gar nicht so schwer und wird eine lebensprägende Erfahrung sein. Viel Spaß!
Comment by M — 7.09, 2014 @ 14:34
Viel Glück den Verteidigern von Post-Privacy.
Comment by Inge — 8.09, 2014 @ 09:30