Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.8.14

BVerfG: Versammlungsfreiheit auf einem Friedhof

Die Stadt Dresden hatte eine Gedenkveranstaltung auf dem Gelände des Dresdner Heidefriedhofs, einem kommunalen Friedhof abgehalten. Die Veranstaltung diente der Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkrieges sowie der Opfer des Alliierten Bombenangriffs auf Dresden am 13. Februar 1945. Gegendemonstranten hatten sich hierzu ebenfalls eingefunden und ein Transparent mit dem Schriftzug: „Es gibt nichts zu trauern – nur zu verhindern. Nie wieder Volksgemeinschaft – destroy the spirit of Dresden. Den Deutschen Gedenkzirkus beenden. Antifaschistische Aktion“ ausgerollt.

Hiergegen hat die Stadt eine Geldbuße von 150 EUR wegen Verstoßes gegen die Frieddhofssatzung verhängt, die vom Amtsgericht Dresden bestätigt wurde.

Zu Unrecht, wie das Bundesverfassungsgericht nunmehr entschieden hat. Denn auch auf einem städtischen Friedhof gilt die Versammlungsfreiheit, sofern dort im konkreten Zeitpunkt ein kommunikativer Verkehr eröffnet war, was die Stadt Dresden durch ihre Gedenkveranstaltung getan hat. In dem Beschluss vom 20.06.2014 (Az.: 1 BvR 980/13) heißt es dazu:

Die Zusammenkunft auf dem Heidefriedhof und das Entrollen des Transparents fallen unter den Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG.

a) Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und umfasst auch provokative Äußerungen (vgl. BVerfGE 69, 315 <342 f.>; 104, 92 <104>; BVerfGK 11, 102 <108>). Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen (vgl. BVerfGE 73, 206 <248>; 87, 399 <406>; 104, 92 <103 f.>). Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (vgl. BVerfGE 69, 315 <345>).

Die Versammlungsfreiheit verschafft damit allerdings kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten (vgl. BVerfGE 128, 226 <251>). Insbesondere gewährt sie keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird (vgl. BVerfGE 128, 226 <251>). Die Versammlungsfreiheit verbürgt die Durchführungen von Versammlungen jedoch dort, wo ein kommunikativer Verkehr eröffnet ist; ausschlaggebend ist die tatsächliche Bereitstellung des Ortes und ob nach diesen Umständen ein allgemeines öffentliches Forum eröffnet ist (vgl. BVerfGE 128, 226 <251 ff.>).

Der Schutz des Art. 8 GG besteht unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (vgl. BVerfGE 69, 315 <351>; BVerfGK 4, 154 <158>; 11, 102 <108>). Er endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (vgl. BVerfGE 73, 206 <250>).

Nach diesen Kriterien handelte es sich bei der Zusammenkunft, an welcher der Beschwerdeführer teilgenommen hat, um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG. Die Zusammenkunft hatte den Zweck, gegen das Gedenken Stellung zu nehmen und mit einem Transparent gemeinsam Position gegen die Gedenkveranstaltung zu beziehen; hierbei handelte es sich um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung.

posted by Stadler at 14:25  

Ein Kommentar

  1. Zieht beim BVerfG endlich etwas Verantwortung ein? Kaum zu glauben.

    Comment by Rolf Schälike — 9.08, 2014 @ 17:05

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