Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.7.14

Klage gegen E-Mail-Überwachung des BND unzulässig

Der Berliner Anwaltskollege Niko Härting hatte beim Bundesverwaltungsgericht gegen die E-Mail-Überwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Rahmen der sog. strategischen Fernmeldekontrolle geklagt. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil Härting nicht konkret darlegen konnte, dass der BND auch tatsächlich E-Mails des Rechtsanwalts erfasst hatte (Urteil vom 28.05.2014, Az.: BVerwG 6 A 1.13). Dagegen hat Rechtsanwalt Härting Verfassungsbeschwerde angekündigt.

Das Urteil des BVerwG liegt mittlerweile im Vollext vor und ist stellenweise durchaus aufschlussreich. Grundsätzlich erachtet das BVerwG den Rechtsweg für eröffnet und sieht sich auch als zuständig an.

Das Gericht weist sodann darauf hin, dass jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten eines Bürgers in den Schutzbereich von Art. 10 GG eingreift. Bereits die Erfassung von E-Mails – was sowohl die Inhalte als auch die Metadaten betreffen dürfte – durch den BND stellt einen solchen Eingriff dar, weil sie die Basis für den nachfolgenden Abgleich mit Suchbegriffen bildet. Schon die grundsätzliche Datenerhebung bewirkt also den Grundrechtseingriff und nicht erst die anschließende Auswertung bzw. Filterung.

Das BVerwG geht allerdings davon aus, dass zwar die Möglichkeit gegeben ist, dass E-Mail-Kommunikation von Rechtsanwalt Härting erfasst worden ist, dass hierfür aber keine überwiegende Warscheinlichkeit besteht und die bloße Möglichkeit für die Annahme einer individuellen Betroffenheit nicht ausreicht. Im Rahmen der Festellungsklage müsse ein konkretes Rechtsverhältnis dargelegt werden, die abstrakte Möglichkeit einer Betroffenheit reiche nicht.

Dieses Ergebnis ist letztlich unbefriedigend. Denn es bedeutet, dass zwar ein nicht ganz unerheblicher Teil von Inländern von der strategischen Fernmeldekontrolle betroffen ist, dass aber im Grunde niemand seine individuelle Betroffenheit darstellen kann, weil schließlich niemand davon erfährt, dass seine E-Mails vom BND erfasst werden. Damit läuft jedenfalls der gerichtliche Rechtsschutz faktisch leer.

Es stellt sich zudem die Frage, ob die Annahme des Gerichts, die strategische Fernmeldekontrolle sei fragmentarisch und würde nur einen geringen Teil des Fernmeldeverkehrs betreffen, zutrifft. Der BND hat gegenüber dem Gericht ganz offenbar erklärt, dass deutlich weniger als 20 % der Telekommunikation auf diese Art und Weise erfasst würde. Ob das zutrifft oder nur eine Schutzbehauptung des BND ist um die Einhaltung der einfachgesetzlichen Vorgaben darstellen zu können, bleibt offen.

posted by Stadler at 15:48  

12 Comments

  1. Anders gesagt: Lieber Bürger, wir sagen Dir nicht, ob Du überwacht wirst – wir tun es einfach.
    Du darfst gerne klagen, denn Du lebst ja in einem Rechtsstaat. Du darfst aber nur dann klagen, wenn Du genau weißt, daß wir Dich überwachen.

    Comment by Peter Maier — 23.07, 2014 @ 17:38

  2. Weniger als 20 % der Telekommunikation wird erfasst? Mag sein, aber die meisten Menschen schreiben in ihrem Leben deutlich mehr als 5 E-Mails.

    Comment by W — 23.07, 2014 @ 18:53

  3. wir haben irgendwo auf dem weg unsere freiheit verloren und es scheint keinen weg zu geben diese wiederzubekommen, solange man noch teil der gesellschaft sein will.

    Comment by andreas — 23.07, 2014 @ 20:55

  4. im Gesetz heisst es „Weiterhin ist festzulegen, welcher Anteil der auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf. In den Fällen des § 5 darf dieser Anteil höchstens 20 vom Hundert betragen.“
    Ist ja nicht so, als seien die Kapazitäten am Limit. Ist da der genaue Wortlaut des BND bekannt?

    Comment by nuunjaa — 23.07, 2014 @ 21:08

  5. Ganz einfach. An einem Tag 1000 Emails schreiben, jede einzeln absenden, ergibt eine statistische Wahrscheinlichkeit von 200 überwachten Mails, und die Begründung, das wenn es eine eigzige ist, das Grundrecht bereits gebrochen wird…

    Deal with ist, liebes BVerwG!
    Thomas

    Comment by Sir Thomas Marc — 23.07, 2014 @ 22:37

  6. Würden bei einer Auswertung von Logfiles eines Blogs, über dessen Domain auch eMails abgewickelt werden, eine oder mehrere IP Adressen des BNDs auffällig werden, könnte dies einen Anfangsverdacht ausreichend begründen um Ermittlungen einzuleiten?

    Mit freundlichen Grüßen,
    yt

    Comment by yt — 24.07, 2014 @ 06:42

  7. „… zwar die Möglichkeit gegeben ist, dass E-Mail-Kommunikation … erfasst worden ist, dass hierfür aber keine überwiegende Warscheinlichkeit besteht und die bloße Möglichkeit für die Annahme einer individuellen Betroffenheit nicht ausreicht.“

    Dafür fällt mir nur ein: „kafkaesk“.

    Comment by Anonymous — 24.07, 2014 @ 14:14

  8. „… zwar die Möglichkeit gegeben ist, dass E-Mail-Kommunikation … erfasst worden ist, dass hierfür aber keine überwiegende Warscheinlichkeit besteht und die bloße Möglichkeit für die Annahme einer individuellen Betroffenheit nicht ausreicht.“

    Dafür fällt mir nur ein: „kafkaesk“.

    Comment by GustavMahler — 24.07, 2014 @ 14:15

  9. Wieviele E-Mails hat Herr Härting denn verfasst, seit der BND dieses „Programm“ fährt?

    Davon ausgehend, dass die Auswahl der behaupteten 20% zufällig vorgenommen wird, ergeben sich folgende Wahrscheinlichkeiten:

    1. Bei 10 geschriebenen E-Mails beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass keine davon vom BND erfasst wurde 0.8^10 ~= 10,74%.

    2. Bei 20 geschriebenen E-Mails beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass keine davon vom BND erfasst wurde 0.8^20 ~= 1,153%.

    3. Bei 50 geschriebenen E-Mails beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass keine davon vom BND erfasst wurde 0.8^50 ~= 0,00143%.

    4. Bei 50 geschriebenen E-Mails beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass keine davon vom BND erfasst wurde 0.8^50 ~= 0,00143%.

    5. Bei 1000 geschriebenen E-Mails beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass keine davon vom BND erfasst wurde 0.8^50 ~= 1,2302319221611171769315588132768e-95 %. Das entspricht ~ 0,0000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000001 %, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eine E-Mail darunter vom BND erfasst wurde, liegt bei 99,9999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999998 %.

    In der Begründung des Gerichts heißt es „dass hierfür aber keine überwiegende Warscheinlichkeit besteht“. Wenn das Gericht schon mit Wahrscheinlichkeiten argumentiert, so möge es doch bitte offenbaren, ab welcher Wahrscheinlichkeit es bereit wäre, davon auszugehen, dass Herr Härting betroffen ist?

    Comment by Frank Topel — 25.07, 2014 @ 08:30

  10. Wenn man annimmt, dass eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ als (W-Keit > 50%) zu interpretieren ist, so reichen übrigens bereits 4 verfasste E-Mails aus.

    Comment by Frank Topel — 25.07, 2014 @ 08:50

  11. In der Tat wird es Klägern nur in den wenigsten Fällen möglich sein, zu belegen, dass ihre Kommunikation überwacht wird. Damit wird der Rechtsschutz gegen Telefonüberwachungen erheblich eingeschränkt.

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte legt daher die Schwelle für Beschwerden gegen Massnahmen, die in der Regel heimlich erfolgen, niedriger. Er lässt es genügen, dass der Beschwerdeführer zu der Kategorie von Personen gehört, die mit einiger Wahrscheinlichkeit abgehört werden oder (in einigen Fällen), dass ein Abhören möglich erscheint.

    Comment by Holger — 26.07, 2014 @ 23:43

  12. Erfreulich immerhin, dass die Erfassung von Metadaten
    als Grundrechtseingriff bewertet wird. Aus einer Kollektion von Metadaten lassen sich oft weiter reichende Rückschlüsse ziehen als aus abgefangenen inhaltlich vollständigen Einzelmails.

    Nicht erfreulich: potentiellen Klägern wird auferlegt,
    Fakten darzulegen, die aufgrund strafrechtlicher
    und sonstiger Hemmnisse nicht bekannt / erreichbar sind.

    Immerhin hilft das Argument, dass man heutzutage damit rechnen kann, dass alles und jeder ohne Rücksicht auf Verluste abgehört und erfasst wird, so dass man die Beweislast umkehren könnte. War denn der Kläger ausnahmsweise nicht betroffen und warum ?

    Da Rechtsanwälte gerne von Sicherheitsbehörden wegen ihrer Tätigkeit als solcher als Risiko eingestuft werden, müsste für die Zulässigkeit genügen anzugeben, dass man anwaltlich tätig ist.

    Comment by Arne Rathjen, RA — 5.08, 2014 @ 22:13

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.