Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.4.14

EuGH: Privatkopien müssen aus rechtmäßiger Vorlage stammen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute zur Auslegung der Richtlinie 2001/29 (Urheberrechtsrichtlinie) entschieden, dass Privatkopien – als Ausnahme zum Vervielfältigungsrecht des Urhebers – nur dann zulässig sein können, wenn sie aus legalen Quellen stammen (Urteil vom 10.04.2014, Az.:  C – 435/12).

Nationale Vorschriften, die nicht zwischen Privatkopien, die auf der Grundlage von rechtmäßigen Quellen angefertigt werden, und solchen unterscheiden, die auf der Grundlage von nachgeahmten oder gefälschten Werken angefertigt werden, sind nach Ansicht des EuGH europarechtswidrig.

Im Urteil heißt es hierzu:

28  Insbesondere können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 eine Ausnahme von dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers an seinem Werk vorsehen, wenn es sich um Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke handelt (sogenannte „Privatkopieausnahme“).

29  Diese Bestimmung enthält aber keine ausdrücklichen Feststellungen zur Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Quelle, auf deren Grundlage eine Vervielfältigung des Werks angefertigt werden kann.

30  Eine Auslegung des Wortlauts dieser Bestimmung muss daher – wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt – unter Heranziehung des Grundsatzes einer engen Auslegung erfolgen.

31  Eine solche Auslegung verlangt, Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin zu verstehen, dass die Privatkopieausnahme den Inhabern des Urheberrechts zwar untersagt, ihr ausschließliches Recht, Vervielfältigungen zu erlauben oder zu verbieten, gegenüber Personen geltend zu machen, die private Kopien von ihren Werken anfertigen, sie steht aber einer Lesart dieser Bestimmung entgegen, wonach sie den Inhabern des Urheberrechts über diese ausdrücklich vorgesehene Beschränkung hinaus auferlegt, Verletzungen ihrer Rechte, die mit der Anfertigung von Privatkopien einhergehen können, zu tolerieren.

(…)

37  Nationale Rechtsvorschriften, die in keiner Weise zwischen Privatkopien, die auf der Grundlage von rechtmäßigen Quellen angefertigt werden, und solchen unterscheiden, die auf der Grundlage von nachgeahmten oder gefälschten Werken angefertigt werden, können somit nicht geduldet werden.

Auch die deutsche Vorschrift des § 53 Abs. 1 UrhG dürfte damit auf dem Prüfstand stehen. Ob sie noch den Anforderungen des EuGH genügt, weil sie nicht anwendbar ist, wenn zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird, erscheint zweifelhaft. Denn der EuGH postuliert, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 nicht für den Fall gilt, dass Privatkopien auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt worden sind.

Der EuGH wählt hier eine äußerst rechteinhaberfreundliche Auslegung, die mir angesichts von Wortlaut und Erwägungsgründen der Richtlinie nicht zwingend erscheint.

posted by Stadler at 15:58  

4 Comments

  1. Das Urteil besagt ja wohl, dass ganz normale Internetnutzer ab sofort massenhaft und auf abmahnfähige Weise Urheberrechte verletzen, weil sie nicht in der Lage sind, in Einzelfällen hellseherisch zu erkennen, ob die Texte und Bilder, die sie sich für den Privatbedarf abspeichern oder ausdrucken, von einem möglicherweise Unberechtigten bereitgestellt wurden.
    Nett.

    Comment by S. Keller — 10.04, 2014 @ 17:32

  2. Die Gerichte sind mit dem Urheberrecht überfordert. Am bestem schafft man die Privatkopien ganz ab und dann natürlich auch die Privatkopie-Abgaben, die wir alle zahlen. Ich habe schon mal die Frist für das Cachen in meinem Internet-Browser auf Null Tage eingestellt.

    Comment by Schmunzelkunst — 10.04, 2014 @ 20:16

  3. Die Richtung war schon vor Jahren vorgegeben und ich meine dieses Mal nicht durch die Lobbyisten, sondern allein durch die Tatsache, dass das Recht auf Privatkopie nur in den deutschsprachigen Ländern existierte. In anderen Ländern war das Kopieren auch für private Zwecke verboten mit einigen wenigen Ausnahmen wie Bildung und Forschung. Irgendwann mussten alle diese Länder auf europäischer Ebene einen Mittelweg finden.

    Deutschland hat 2008 vorgeprescht mit den Bestimmungen über „offensichtliche“ Rechtswidrigkeit. GB bewegt sich erst im Juni dieses Jahr weg vom fast absoluten Verbot mit neuen Bestimmungen, die das Kopieren von „selbst gekauften“ Inhalten erlaubt. Es bleibt weiterhin illegal – ohne Zustimmung des Urhebers – Kopien von ausgeliehenem Material zu erstellen.
    http://de.scribd.com/doc/215022716/Copyright-Guidance-Consumers

    Ich meine, die Tendenz zu einem gesetzlichen Kompromiss ist ersichtlich. Die Frage ist: wo treffen sich die zwei Stränge? Die deutsche Fassung ist schwammig und wird sich schwer international durchsetzen. Die britische Fassung riskiert ganz einfach, dass die Verbraucher sie nicht respektieren bzw. sie ignorieren, sowie sie diese Regel seit dem Aufkommen von Kassettenrecordern ignorieren.

    Der große Wurf, der ein Einkommen und den notwendigen Respekt für die Urheber garantiert und gleichzeitig eine Freigabe der Technologie beinhaltet, ist noch nicht in Sicht.

    Comment by Dreizack — 10.04, 2014 @ 23:11

  4. Ist damit auch eine Kaskade der rechtmäßigen Vorlagen/legalen Quellen abgedeckt?

    Eine Kopie von einem „Original“ ist erlaubt und da nun die Privatkopie aus einer rechtmäßigen Vorlage stammt, ihrerseits also völlig rechtmäßig entstanden ist….wie steht es nun mit einer Kopie aus dieser „rechtmäßigen Vorlage“?
    Oder …vergleichbar … nach dem englischen Modell, ein Käufer fertigt von der Kopie eine weitere Privatkopie an….usw.

    Da ist die deutsche Variante – mit ihren Schwächen – wesentlich besser in der „Anwendung“…

    Comment by AS — 12.04, 2014 @ 09:41

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