Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.11.13

Koalition plant DNA-Rasterfahndung

§ 81 h StPO sieht sog. Massengentests vor. Allerdings sind diese grundsätzlich freiwillig und bedürfen der schriftlichen Einwilligung der Betroffenen. Bei der Fahndung in Mordfällen wird freilich ein erheblicher Druck erzeugt, weil sich der Testverweigerer zwangsläufig verdächtigt macht. Diese Regelung will die große Koalition nach einem Bericht von ZEIT-Online jetzt dahingehend ausweiten, dass künftig zur Aufklärung von Sexual- und Gewaltverbrechen bei Massengentests auch sogenannte Beinahetreffer verwertet werden können, wenn die Teilnehmer vorab über die Verwertbarkeit zulasten von Verwandten belehrt worden sind. Dieses „Family-Searching“ wäre bereits deshalb problematisch, weil damit das Erfordernis der Einwilligung des Betroffenen umgangen würde.

Derzeit dürfen festgestellte DNA-Identifizierungsmuster mit den DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisiert abgeglichen werden, um feszustellen, ob das Spurenmaterial von diesen Personen stammt. Künftig könnte man dann auch feststellen, ob das Spurenmaterial zu einem Verwandten einer Person passt, deren DNA man schon erfasst hat. Dieser Verwandte hat natürlich nie in den Gentest eingewilligt. Das ist nicht nur verfassungsrechtlich fragwürdig, sondern erhöht auch die Gefahr der Verdächtigung oder gar Verurteilung Unschuldiger. Denn es gibt auch uneindeutiges Spurenmaterial, das nicht wissenschaftlich exakt einer Person zuzuordnen ist.

In allen möglichen Bereichen erliegt die Politik immer wieder der Verlockung, alles das was technisch möglich ist bzw. möglich erscheint, auch umzusetzen. Das läuft auf eine rechtsstaatswidrige Ermittlung um jeden Preis hinaus, die die Grenze zum Unrechtsstaat langsam verwischt.

(via lawblog)

posted by Stadler at 17:31  

15 Comments

  1. Endlich, die Maske ist runter: Jetzt geht’s los!

    Die DDR 2.0 ist da, Mutti hat ihr FDJ-Klassenziel erreicht. Da lacht selbst der fiese SD-Himmler in der Lüneburger Heide unterm Handgranatenwurfplatz.

    Dieses Land ist grauenhaft.

    Comment by P. Räzis — 22.11, 2013 @ 18:13

  2. Ob das eine gute Ermittlungsmethode ist, darüber mag man streiten.

    Warum sie allerdings verfassungswidrig sein soll, ist mir nicht klar. Natürlich hat der Verwandte in den Gentest nicht eingewilligt. Seine DNA wird aber auch nicht untersucht. Geht das Recht an der eigenen DNA wirklich so weit, dass Verwandten, die ähnliche DNA tragen, verpflichtet wären nachzufragen, bevor die ihre DNA den Behörden offenbaren?

    Wollte man dies ernsthaft vertreten, dann müssten auch medizinische DNA-Tests mit Verwandten abgesprochen werden. Denn wenn z. B. die Mutter erfährt, dass sie ein Brustkrebs-Gen trägt, so enthüllt dies auch ein entsprechend hohes Risiko der Tochter, die u. U. gar nicht will, dass sie oder ihre Mutter darüber wissen.

    Dass sich dadurch die Gefahr der Verurteilung Unschuldiger nennensewrt erhöht, wage ich auch zu bezweifeln. Auch jede andere Ermittlungsmethode führt dazu, dass Personen unter Verdacht geraten, manche davon unschuldig. Ob die weiteren Ermittlungen einen falschen Verdacht erhärten, ist doch unabhängig davon, wie dieser erste Verdacht zustande kam.

    Comment by Pete — 22.11, 2013 @ 18:18

  3. Lieber Pete,

    es wird z.B. das Aussageverweigerungsrecht ausgehebelt.

    Und bevor Sie sich zur Wahrscheinlichkeit der Verurteilung von Unschuldigen auslassen, sollten Sie sich eingehend mit Stochastik beschäftigen.

    mfg or

    Comment by or — 22.11, 2013 @ 18:37

  4. Ein Skandal ist es überhaupt, wenn Menschen im Stadtviertel eines Opfers Post von der Polizei bekommen, weil in deren Wohnumfeld eine Straftat erfolgt ist. Wenn hunderte Männer zur DNA-Abgabe genötigt werden, weil in der Gegend ein Sexualverbrechen stattgefunden hat, ist das rechtswidrig. Ein toter Säugling in der Mülltonne, sogleich bekommen alle Frauen im gebarfähigen Alter der Wohngegend eine Nötigung zur DNA-Abgabe, denn nichts anderes ist es. Keine Einladung, keine Vorladung, sondern eine Nötigung mit der Drohung, wer sich weigert, bekommt Hausbesuch der Polizei.

    Das ist grundgesetzwidrig. Ich kann nur jedem raten, sofort einen Anwalt einzuschalten und Strafanzeige wegen Nötigung und Belästigung zu erstatten.

    Der von Stadler genannte Sachverhalt setzt allem nur die Krone auf. Es ist aber nicht nur die Krone gesetzeswidrig, sondern das gesamte Vorgehen in jeder Hinsicht!

    Ich kann nur jedem raten, niemals zu so einer DNA-Abnahme-Veranstaltung hinzugehen!

    Comment by Siegbert — 22.11, 2013 @ 19:10

  5. Meine Anfrage an die Staatanwaltschaften, wenn sie im Umfeld, ganzen Stadtvierteln, keinen DNA-Treffer haben (vorausgesetzt, alle gehen hin, was nicht der Fall ist), wurde geantwortet: Dann weiten wir das eben aus. Ach, wie weit? Antwort: Dann auf die ganze Stadt.

    Erkannt? Am Besten auf ganz Deutschland. Besser noch jede DNA ab Geburt zu speichern, das erleichtert die Tätersuche.

    Deutschland auf dem Weg in den Überwachungsstaat, Deutschlands Staatsanwälte und Polizei freuen sich, wie sich sie schon immer gefreut haben seit 1914. Macht und weniger Arbeit, mehr Zeit für das Popeln in der eigenen Nase.

    Comment by Siegbert — 22.11, 2013 @ 19:27

  6. In fünf mir angetragen Fällen habe ich eine Unterlassungsklage gegen die Polizei erwirkt. Straftäter in Uniform werden sich unschuldigen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr nähern dürfen. Vor allem habe ich Strafantrag gegen die Beamten gestellt.

    Wer auch immer das liest, sollte daher wissen, was zu tun ist, wenn so ein Nötigungsschreiben im Briefkasten landet.

    Comment by Siegbert — 22.11, 2013 @ 19:52

  7. @Siegberg
    Verwenden Sie für Ihre Anträge zufällig unterschiedliche Schriften und Schriftgrößen?

    Comment by ameo — 23.11, 2013 @ 04:16

  8. „In allen möglichen Bereichen erliegt die Politik immer wieder der Verlockung, alles das was technisch möglich ist bzw. möglich erscheint, auch umzusetzen. Das läuft auf eine rechtsstaatswidrige Ermittlung um jeden Preis hinaus, die die Grenze zum Unrechtsstaat langsam verwischt.“

    Danke, Herr Stadler. Danke, dass Sie sich noch solche offenen Worte trauen auszusprechen.

    Comment by Danke — 23.11, 2013 @ 14:07

  9. Weiter so. Die Politik kann und macht was sie will. Der Bürger meckert aber handelt nicht. Und dann fragt man sich wieso die Menschen keine Kinder mehr wollen? So gemein bin ich nicht um ihnen die neue Welt anzutun.

    Comment by DDR Reloaded — 24.11, 2013 @ 13:08

  10. Ahoi Thomas,

    „Das läuft auf eine rechtsstaatswidrige Ermittlung um jeden Preis hinaus, die die Grenze zum Unrechtsstaat langsam verwischt.“

    Ähm lieber Kollege, „langsam“. Das geht seit den letzten beiden Legislaturen so schnell, dass man doch kaum mehr hinterherkommt. Die Verfassungsfeinde in der Regierung haben doch nicht mehr mit ernsthafter parlamentarischer Kontrolle zu rechnen (erst Recht nicht, seitdem die SPD-Spitze bereit ist, sich für ein paar Ministerpost in die große Koalition kaufen zu lassen).

    Comment by le D — 24.11, 2013 @ 15:53

  11. Family-Searching wäre ziemlicher Tritt gegen die Freiwilligkeit der ganzen Massentests, denn der Einwand nichts zu verbergen zu haben funktioniert nicht mehr.

    Wenn es nur darum ginge zu beweisen, dass ich es nicht war, aus 1000 Verdächtigen 999 zu machen, dann kann ich mich dem Druck beugen und hab meine Ruhe.

    Aber Family-Searching? Weiß ich, das mein Bruder, meine Tante oder mein Cousin nichts zu verbergen hat? Und das muss nichts mit der Tat zu tun haben, es reichen wenn rechtliche und biologische Verwandtschaftsbeziehungen auseinanderfallen.

    Mal so als Beispiel. Der Onkel hatte sich sein Studium unter anderm durch Samenspenden finanziert. Das Family-Searching liefert einen Treffer nach dem andern. Nur keinen Volltreffer. Letztlich ist die Suche umfassend, aber erfolglos. Dafür wissen alle, das unserer Familie einer was mit der Tat zu tun hat, oder sonst von sonstigen Intelligenzsenkenden Maßnahmen gelebt hat. Einschließlich eines Verwandten, mit dem man nicht zu tun hat, nichts weiß und nicht wissen will, der aber viel schlimmer als wahrscheinlich interessiertester Beobachter etwas mehr über seine Herkunft weiß und in einigen Jahren überraschend mit Erbschaftsansprüchen auftauchen wird.

    Mit Family-Searching hat jeder durchaus etwas zu verbergen, wenigstens soviel, dass es sich lohnt dem Druck Stand zuhalten und die Freiwilligen Quote einigen Schaden zuzufügen.

    Das kann aber durchaus einkalkuliert sein. Man braucht ja nur noch Familientreffer, da können schon 10% Beteiligung helfen. Bei den wahren Verbrechern liegt das Verbrecher-Gen sowieso in der Familie und einer davon ist sicher schon in der Datenbank.

    Comment by Mirco — 24.11, 2013 @ 21:40

  12. Die Koalition könnte den Sack auch gleich zumachen und in jeder Wohnung Mikrofone und Kameras anbringen, denn nur so kann man sicher leben.
    Wenn die Technik weit genug ist, sollten auch Chips transplantiert werden, die sicherstellen, dass jeder Mensch mit schlechten Gedanken VOR einem Verbrechen festgenommen werden kann.

    Abgeordnete sollte man natürlich von diesen Maßnahmen freistellen, damit diese weiterhin nach freiem Gewissen entscheiden können.

    Wer gegen diese Maßnahmen ist muss ein Terrorist sein, denn wir anständigen Menschen haben ja nichts zu verbergen.

    Comment by Trollfresser — 25.11, 2013 @ 20:32

  13. In jeder Wohnung Kameras und Mikrofone anbringen? Na, aber klar doch! Die neuen „Smart TVs“ von LG und Samsung haben das bereits serienmäßig eingebaut!

    Comment by Wilma B. Umsen — 28.11, 2013 @ 15:08

  14. Irgendwann ist dieses Land reif dafür, allen Säuglingen die DNA abzunehmen und zu speichern. So einfach wie eine Impfung. Wozu sich noch lange mit dem Grundgesetz herumplagen, wenn die Tätersuche doch so einfach sein könnte? Da bekommen Bullen feuchte Träume.

    Deutschland ist bereits auf dem Holzweg. Er führt direkt in den Überwachungs- und Polizeistaat. Von der Justiz und Politik in weiten Teilen erwünscht.

    Darf ich nochmal kurz darauf aufmerksam machen, daß dieser Staat der Bürgerschaft zu dienen hat und nicht umgekehrt. Die Bürgerschaft wird mittlerweile zum kleinen Kind degradiert, welches überwacht, gemaßregelt und gezüchtigt werden muß.

    Die nächsten vier Jahre werden die Dunkelheit über Deutschland bringen. Es kann nur schlimmer werden.

    Comment by Ian — 30.11, 2013 @ 15:28

  15. Witz am Rande zur DNA:

    Das BKA hat jahrelang nach einer weiblichen Person gefahndet. Die Fahndung den Staat über eine Million Euro gekostet hat. Fazit: Es war eine Mitarbeiterin eines Unternehmens, das Wattestäbchen für die Behörden hergestellt hat.

    Idioten unter sich.

    Comment by Ian — 30.11, 2013 @ 17:07

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.