LG Mönchengladbach: Google haftet nicht für ehrverletzende Suchergebnisse
Über einen emeritierten Professor wurden in einem Blog ehrenrührige Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Er hat deshalb Google auf Unterlassung verklagt und beantragt, es zu unterlassen, bei Eingabe des Namens des Klägers in Zukunft in der Trefferliste der Suchmaschine die Webseite zu der URL (… )aufzuführen, insbesondere zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, dass der Kläger Teil eines bundesweiten Stasinetzwerkes sei und, dass der Kläger als Leiter der (…) abgesetzt worden sei und die Fachhochschule eine Notbremse gezogen habe, damit der Ruf ihrer Einrichtung durch Personen, wie den Kläger keinen Schaden nehme.
Das Landgericht Mönchengladbach hat die Klage mit Urteil vom 05.09.2013 (Az.:10 O 170/12) abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt:
1.) Die beanstandete Persönlichkeitsrechtsverletzung ist nicht durch die Beklagte erfolgt. Sie ist damit nicht Störerin und deshalb auch nicht zur Unterlassung verpflichtet. Störer ist nur, wer in zurechenbarer Weise durch sein Verhalten eine Ursache für die Rechtsverletzung setzt. Dies hat die Beklagte nicht getan. Sie hat unstreitig den beanstandeten Text nicht verfasst. Ebenso unstreitig befindet er sich nicht auf einem von ihr betriebenem Internetdienst. Insbesondere ist sie nicht Hostprovider des Blogs, in dessen Rahmen der Text verbreitet wurde (so aber in BGH VI ZR 93/10- zit. nach Juris). Die Beklagte beschränkt sich vielmehr auf das reine Bereitstellen von Suchergebnissen aufgrund eines technisch-mathematischen Vorgangs. Damit verbreitet sie keine Äußerungen, sondern listet nur das auf, was im Internet an anderer Stelle in Bezug auf den Kläger zu finden ist. Eine eigene Bewertung nimmt sie hier auch nicht im Rahmen der Suchwortergänzungsfunktion vor, bei der ein von ihr geschaffenes Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und dem Benutzer bei Eingabe bestimmter Worte oder Namen Vorschläge unterbreitet werden (dazu BGH VI ZR 269/12 – zit nach Juris). Der Kläger trägt vielmehr nichts dazu vor, dass bei Eingabe seines Namens eine Verknüpfung mit einer der beanstandeten Äußerungen stattfindet. Die beanstandeten Äußerungen finden sich nicht einmal in den sog. „Snippets“, d.h. in den unter dem Titel der URL auf der Suchergebnisseite ausgewiesenen der konkreten URL entnommenen Textschnipseln (vgl. dazu Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – zit. nach Juris). Diese lauten vielmehr ausweislich des vom Kläger vorgelegten Screenshots (Bl. 7 d.A.) nur……“. Weder die Verknüpfung mit einem Stasi-Netzwerk noch die Angaben zur Beendigung seiner Tätigkeit bei der Fachhochschule finden sich also in diesen „Snippets“. Die Beklagte stellt vielmehr ohne jede eigene redaktionelle Bewertung nur das Suchergebnis als eines unter mehreren bereit. Eine zurechenbare Mitwirkung an der Ehrverletzung des Autors oder des Hostproviders als unmittelbaren Störern liegt darin nicht.
2.) Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man dies anders sähe und das Generieren und Bereitstellen von Suchergebnissen für die Störereigenschaft genügen ließe, kein Unterlassungsanspruch bestünde. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die §§ 185 ff StGB schützen nämlich nicht vor jeglichen Äußerungen, die eine bestimmte Person betreffen. Vielmehr lösen nur Äußerungen einen Unterlassungsanspruch aus, die nach einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung als widerrechtlich erscheinen. Dies ist hier nicht der Fall, denn nach dem vorgetragenen Sachverhalt überwiegt das Interesse der Beklagten an einem wirtschaftlich sinnvollen Betrieb der Internetsuchmaschine das Interesse des Klägers, den beanstandeten Link nicht mehr anzuzeigen, weit.
Die Anzeige von Suchergebnissen aufgrund rein mathematischer Vorgänge ohne eigene inhaltliche Bewertung stellt den Kern der wirtschaftlichen Betätigung eines Suchmaschinenbetreibers dar. Der Nutzer verlässt sich gerade darauf, dass die Ergebnisse seiner Suche „neutral“, d.h. ohne eigene redaktionelle Bearbeitung des Suchmaschinenbetreibers, ausgeworfen werden. Würde bekannt, dass bestimmte Ergebnisse zuvor aussortiert und nicht mehr angezeigt würden, würde dies nicht nur die Verlässlichkeit der Suche aus Nutzersicht zweifelhaft machen, sondern den Betreiber auch sehr schnell in den Ruf der „Zensur“ bringen. Sinn und Zweck einer Suchmaschine, die nicht darin besteht, eigene Bewertungen vorzunehmen, sondern darin, fremde Inhalte nachzuweisen, würde daher durch auf dem Inhalt bestimmter Textseiten gründende Unterlassungsansprüche ganz empfindlich eingeschränkt (vgl. Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – Rn 113, zit. nach Juris). Entsprechendes gilt für die Pressefreiheit des Internets, die auch einem Suchmaschinenbetreiber zusteht (Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – Rn. 126, zit. nach Juris). Hinzu kommt, dass es für die Beklagte eines immensen personellen und materiellen Aufwands bedürfen würde, Suchergebnisse auf einen sogar erst im verlinkten Text enthaltenen ehrverletzenden Inhalt zu untersuchen (vgl. Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – Rn 126, zit. nach Juris). Im Ergebnis würde durch derartige Unterlassungsansprüche der Betrieb einer Internetsuchmaschine im vom Nutzer erwarteten Umfang nahezu unmöglich. Damit stünde die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten insgesamt in Frage.
Die Interessen des Klägers überwiegen dieses Interesse nicht. Dagegen spricht schon, dass eine Entfernung des Suchergebnisses durch die Beklagte nichts daran ändern würde, dass der Text sich weiterhin im Internet befindet und über andere Suchmaschinen nach wie vor auffindbar bleibt. Die Ehrverletzungen blieben also auch bei Entfernung des URL durch die Beklagte erhalten. Demgemäß ist auch nicht auszuschließen, dass dem Kläger ein verlässlicherer und sowohl die Freiheit des Internets im Rahmen der Pressefreiheit als auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten weniger belastender Weg zur Wahrung seines Persönlichkeitsrechts zur Verfügung steht. Er ist ehrverletzenden Äußerungen im Internet keineswegs schutzlos ausgeliefert, sondern er kann sowohl den Verfasser des Textes als auch den Host-Provider als Störer in Anspruch nehmen, was zur Entfernung des Textes aus dem Netz führen und damit die Störung unmittelbar beseitigen würde. Dies hat er aber, wie bis zur mündlichen Verhandlung unstreitig war, nicht getan. Unter diesen Umständen ist eine Haftung der Beklagten unzumutbar.
Das Landgericht Mönchengladbach verneint also jegliche Störereigenschaft von Google als Suchmaschinenbetreiber. Es stellt zudem ergänzend die Hilfsüberlegung an, dass man auch bei grundsätzlicher Annahme einer Störereigenschaft nicht zu einer Haftung von Google gelangen würde. Insoweit weist das Gericht auf die Bedeutung und den Sinn und Zweck von Suchmaschinen hin und betont, dass der Betrieb einer Suchmaschine nahezu unmöglich würde, wenn man derartige Unterlassungsansprüche bejahen würde. Außerdem weist das Landgericht auch darauf hin, dass Google nicht in der Lage ist, die eigentliche Rechtsverletzung abzustellen. Der beanstandete Blogbeitrag würde auch ohne den Verweis von Google weiterhin online bleiben.
Eine im Ergebnis richtige und begrüßenswerte Entscheidung.
Was bedeutet das jetzt für die ganze „Eskort“-Sache?
Hier wurde doch gegen Google entschieden.
Comment by Troll — 2.10, 2013 @ 12:03
Ein erstaunliches Urteil.
Man könnte die technische Argumentation und Definition von Störer direkt auf offene WLAN-Zugänge übertragen. Altruismus ist jedenfalls keine Ursache für Rechtsverletzung – sondern der komplette Gegensatz. Die rechts-verletzende Absicht müsste also wenigstens immer konkret und im Einzelfall nachgewiesen werden.
Und genau so lässt sich bei Internetsperren argumentieren. Der Inhalt bleibt im Netz und es gibt wirksame Alternativen.
Sogar die Notwendigkeit für „die Freiheit des Internets“ wurde erkannt.
Die Argumentation mit wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit ist aber zweifelhaft. Die sollte nicht über die Freiheit der restlichen Netzbenutzer gestellt werden (was das Gericht hier gar nicht tat). Dann könnte es auch mit der Netzneutralität klappen.
Comment by Joachim — 2.10, 2013 @ 12:47
Ja, wie passt das zum o.a. Eskort-Fall? Das klingt doch widersprüchlich
Comment by Christian — 2.10, 2013 @ 12:50
Die Escort Sache betrifft die Auto-Vervollständigen Funktion bei Google.
Wenn der Herr Professor seinen Namen bei Google anbietet und Google zusätzlich zu seinem Suchbegriff noch Stasi vorschlägt, hätte er wohl wegen Persänlichkeitsrecht dagegen vorgehen können.
Vermutlich hat der Professor das aber auch gleichgesetzt, das man jetzt Google verklagen kann weil der eigene Name mit was „schlimmen“ in Verbindung steht.
Comment by Christian — 2.10, 2013 @ 13:57
Die Analyse der möglichen Analogie zu der Störerhaftung im Bezug auf W-LANs würde mich auch interessieren; wäre doch im Prinzip übertragbar, oder?
Comment by GIJoe — 2.10, 2013 @ 16:25
Bei dieser Klage war Wolfgang Dreßen wohl nicht sehr gut beraten. Falls der Text im Schmalenbergblog rechtswidrig ist, hätte er vorgängig gegen den Blogschreiber und dann den Hoster vorgehen müssen.
Wenn der Blogeintrag verschwindet ist er nicht mehr im Index vorhanden. Aktuell wird „Stasi“ erst dann vorgeschlagen, wenn man nach dem Namen den Buchstaben s eingibt….
Comment by igendeiner — 3.10, 2013 @ 12:47
Eine Suchmaschine sucht, was sich im Netz befindet. Nicht mehr und nicht weniger.
Mal wieder streiten sich Juristen um Dinge, die unbestritten sind. Ein klarer Menschenverstand würde diese Klagen verhindern, doch haben Juristen genau den nicht in petto.
Comment by Forensiker — 3.10, 2013 @ 12:51
Ein sehr geiles Argument:
„Die Interessen des Klägers überwiegen dieses Interesse nicht. Dagegen spricht schon, dass eine Entfernung des Suchergebnisses durch die Beklagte nichts daran ändern würde, dass der Text sich weiterhin im Internet befindet und über andere Suchmaschinen nach wie vor auffindbar bleibt.“
Wenn also X und Y beide A beleidigen, dann kann X nichts dagegen tun, dass A beleidigt wird. Denn selbst wenn X aufhören würde, A zu beleidigen, würde ja Y immer noch A beleidigen. Das gleiche gilt für Y. Es können also (gemäß dieses Arguments) weder X noch Y dafür belangt werden, dass sie A beleidigen.
Das gleiche Argument lässt sich natürlich auch auf andere Sachen als Beleidigungen ausdehnen. Was ein Unsinn.
Der Rest der Argumentation ist ja aber in Ordnung.
Comment by Der dicke Hecht — 4.10, 2013 @ 00:01
Man sollte eigentlich stolz darauf sein, als STÖRER durch die Welt zu geistern. Es ist ein Kompliment. Nur Störer ändern einen Zustand, das ist jedem Wissenschaftler bekannt. Ohne Störung gibt es niemals eine Veränderung, niemals eine Verbesserung, niemals ein Nachdenken.
Comment by Forensiker — 6.10, 2013 @ 15:14
Apropos Ehre: Die meisten Kläger habe keine Ehre, verhalten sich selber ehrlos, oder wissen nicht, was das mittelalterliche Wort bedeutet.
Leider ist dieses Wort mittlerweile genauso verkommen, wie alle anderen Worthülsen. Liebe, Achtung, Respekt…
Ehre hat man nicht, die muß man sich verdienen. Daher ist ein Mensch, der diese nicht verdient hat, immer ehrlos und darf auch so genannt werden.
Der Begriff Ehre sollte den heutigen Juristen nochmal deutlich erläutert werden, damit sie verstehen, über was sie urteilen.
Comment by Forensiker — 6.10, 2013 @ 15:41