Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.10.13

Jagdszenen aus Niederbayern

Die niederbayerische Kleinstadt Abensberg ist vor allen Dingen wegen des Volksfests Gillamoos überregional bekannt. Und seit einigen Tagen auch wegen einer umstrittenen Form des Internetprangers, der im Netz auf viel Widerspruch gestoßen ist. Die Stadt Abensberg veröffentlicht nämlich Blitzer-Fotos von Geschwindigkeitsmessungen auf Facebook.

Der Kollege Udo Vettter hält das Vorgehen der Kommune sogar für strafrechtlich relevant. Denn bei den Fotos handelt es sich nach der Einschätzung des Strafverteidigers Vetter, vor allem auch wegen der eingeblendeten Messdaten, um “amtliche Schriftstücke eines Bußgeldverfahrens”. Und solche Dokumente dürfen nicht veröffentlicht werden, bevor sie in der Hauptverhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. (§ 353d StGB).

Darüber hinaus ist aber auch ein ziemlich eindeutiger Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gegeben, der, nachdem eine Behörde handelt, als unmittelbarer Grundrechtseingriff zu bewerten ist. Die Gesichter sind zwar verpixelt, aber aufgrund des Fahrzeugs und der Kleidung des Fahrers, sowie der Angabe von Ort und Zeit des Verkehrsverstoßes, muss man gerade in einer Kleinstadt, in der fast jeder jeden kennt, davon ausgehen, dass die Betroffenen vor Ort nicht unerkannt bleiben werden. Und genau das ist vermutlich auch das Konzept dahinter. Es geht um die Erzeugung von sozialem Druck und damit in der Tat um eine Prangerwirkung.

Das Verhalten der Stadt ist also jedenfalls ein Fall für die Kommunalaufsicht und auch den bayerischen Datenschutzbeauftragten. Die Kommune hat wohl mittlerweile erkannt, dass Ihr Vorgehen weder juristisch noch mit Blick auf die Öffentlichkeitswirkung sonderlich durchdacht war und „fühlt sich vorverurteilt„.

posted by Stadler at 14:01  

16 Comments

  1. Ja, unsere Bayern, das besondere Bundesland. Mit den Volksfesten, den schwarzbraunen. Immer mit der besonderen Justiz und Polizei, Idioten und Schläger. Sie meinen, sie haben Sonderkonditionen.

    Der liebe Udo hat Recht. Ich werde mal wieder Strafanzeige erstatten müssen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

    Comment by Jonas Schneider — 19.10, 2013 @ 14:21

  2. Ich möchte mal wissen, wo unsere Juristen sind, wenn die RTL-Gruppe mal wieder säumige Zahler bis vor die Haustür verfolgt, im Knast filmt, wenn sich Inhaftierte ausziehen müssen, mit den Bullen unterwegs sind, filmen, wie sich Ausländer bücken und die Hinterbacken auseinanderziehen müssen vor laufender Kamera, die ihre Rechte nicht kennen. Ich möchte wissen, wo unsere Juristen sind, wenn Terror-RTL unterwegs ist! Werden diese Leute nicht erkannt aufgrund des Hauses und der Haustür? Sind die Rechte von Inhaftierten nichts mehr wert, wenn RTL, Pro7 und KabelEins bis in die Haftzellen hinein filmen?? Bin ICH im falschen Film??? Wo sind DORT die Anwälte??? NICHTS!!!!

    Gegen die Stadt Abensberg werde ich Strafanzeige/Strafantrag stellen nebst Unterlassungsklage.

    Irgendwann reicht es.

    Comment by Jonas Schneider — 19.10, 2013 @ 14:44

  3. Muss man deswegen denn gleich eine friedliebende Gemeinde an den Internet-Pranger stellen?

    Mal im Ernst: Ein Pranger ist ja dazu gedacht, dass der dorthin Gestellte öffentlich ausgestellt wird und angespuckt werden kann. Virtuell angespuckt werden kann aber alles, was auf Facebook ausgestellt wird – auch das Altenheim, das der Bürgermeister besucht, oder die Schulklasse, die an einem Verkehrserziehungskurs der Polizei teilnimmt, die Bauarbeiter, die Straßenschäden reparieren usw.

    Die anderen Argumente (Verfahrensrecht, Persönlichkeitsrecht) unbenommen: Dass womöglich aufgrund der äußeren Umstände jemand Anonymisiertes „erkannt“ werden könnte (Ungewissheit verbleibt ja, wenn Kennzeichen und Gesicht unkenntlich sind) und das in der Öffentlichkeit erhobene Material deshalb nicht gezeigt werden darf, erscheint mir nicht so ganz plausibel.

    Sollen sie die entstehenden Bilder eben so weiterverarbeiten, dass die Detailkritiken nicht mehr zutreffen. § 353d StGB (3) verbietet ja nur Veröffentlichung „ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut“. Da lässt man die wesentlichen Teile (Gesicht, Kennzeichen, evtl. Messergebnis) weg und verwandelt das Foto mit einem Geschwindigkeitshervorhebenden Photoshop-Filter in ein Kunstwerk, und schon kann man eindrucksvoll öffentlich auf das Raserproblem hinweisen.

    Es ist ja nicht so, dass sich ein wütender Mob wegen einer Geschwindigkeitsübertretung versammeln würde. Außer vielleicht, der Verkehrsminister überschreitet auf dem Heimweg vom Oktoberfest die Geschwindigkeit und fährt jemanden tot. Soll’s in Bayern ja schon gegeben haben. Von einem Mob hat man allerdings nichts gehört.

    Comment by Erbloggtes — 19.10, 2013 @ 14:55

  4. Bilder aus Bußgeldverfahren oder Strafverfahren haben nix auf Facebook zu suchen. Es wird Zeit, dass den Amtsschranzen mehr Druck gemacht wird, damit diese sich erinnern , dass es so etwas wie ein Persönlichkeitsrecht gibt. Ein typisch bayerisches Problem ist das nicht; jedes Bundesland hat seine anmaßenden Schranzen.

    Comment by Alex Bold — 19.10, 2013 @ 15:04

  5. Alles vorbereitet, alles formuliert. Montag geht das raus.

    Irgendwann ist Schluß, Feierabend und Ende!

    Wenn Menschen aus anderen Bundesländern von Bayern hören, kriegen sie das Kotzen! Bayern ist sowas von …. ne, ich lasse es….hat keine Wert. Jeder Satz dazu ist einer zuviel.

    Comment by Jonas Schneider — 19.10, 2013 @ 15:04

  6. Nein! Nichts ist gut in Bayern.

    NICHTS IST GUT! Es ist mies bei Euch!!

    Ciao!

    Comment by Jonas Schneider — 19.10, 2013 @ 19:51

  7. Justiz korrupt
    Politik korrupt
    Presse korrupt

    Comment by Armes Deutschland — 19.10, 2013 @ 20:17

  8. Deutschand ist ein Folterstaat.

    Man kann verzweifeln. Man möchte es nicht glauben, aber es ist so.

    Deutschland ist ein Folterstaat.

    –>Schönes Wochenende!<–

    Comment by Jonas Schneider — 19.10, 2013 @ 20:29

  9. Na ja, Bayern eben. Sind das nicht die mit dem Leitsatz „Die Landesfarben sind weiss-blau“ in ihrer Verfassung – sowohl in der schriftlichen Landes- als auch in der durchschnittlichen Gemütsverfassung? Wo man ab einer gewissen Anzahl Promille im Blut bei Verkehrsunfällen mit Todesfolge für einen Beteiligten zur Strafe Verkehrsminister wird, sofern man das richtige Parteibuch besitzt, wie einst O.Wiesheu?

    Comment by Arno — 19.10, 2013 @ 21:10

  10. Ach ja, noch was: ich kann mich an Zeiten erinnern, da wurde in Freising hinter einem als Zeichen der Verachtung auf dem Bürgersteig ausgespuckt, wenn man längere Haare hatte als der typische Sepp mit der Krachledernen haben darf. Ist zwar nicht so offensichtlich, dieser „Individual-Pranger“, aber war vor wenigen Jahrzehnten gängige Praxis.

    Comment by Arno — 19.10, 2013 @ 21:14

  11. Wenn man sich den „Facebook-Pranger“-fall letztes Jahr in Emden anschaut erahnt man, wozu das führen kann (!).
    Einige Mitbürger nehmen ihre Moralpredigten bzgl. überschreiten der V/max nämlich sehr ernst – stellt sie doch für diese den alleinigen Grund dar, warum es so viele Unfälle etc. auf den Straßen gibt. Gerade auf dieser Plattform kochen dann die Gemüter und die Moralpredigten gerne mal hoch. Wenn dazu dann noch der vermeintliche „Täter“ (in den Kommentaren zu den Bildern wird schnell von einem „kriminellen“ gesprochen) bekannt sein sollte, schreitet die Bürgerwehr eben zur Tat und jagt den „Verbrecher“ mit Fackeln und Mistgabeln durch den Ort.

    Ich übertreibe? Schön wäre es – man schaue sich den Fall in Emden (anderes Vergehen – klar) mal an und übertrage diesen hierauf.

    Ich will die sog. „Raser“ hier keinesfalls unterstützen bzw. dulden oder das was sie machen damit rechtfertigen – nur haben wir hierzulande noch ein (halbwegs) funktionierende Justiz und man sollte doch besser die Profis ranlassen, als soetwas über Moralpredigten öffentlich an den Pranger zu stellen und zu denunzieren!

    Comment by _Nachtflug_ — 19.10, 2013 @ 21:47

  12. Für mich ist ein „Raser“ jemand, der in einer 30er Zone vor dem Kindergarten mit 50 oder irgendwo bei Nebel mit 100 unterwegs ist.
    Ob jemand auf einer dreispurigen Autobahn bei Sonnenschein und wenig Verkehr mit 160 statt der erlaubten 130 unterwegs ist, halte ich hingegen für völlig uninteressant.

    Comment by Rangar — 21.10, 2013 @ 14:01

  13. Und Google-Glass hat auch was für sich. So weiss man gleich, mit welchem Beamten man es zutun hat.

    Die eigene Datenbank aufbauen.

    Comment by Junk. — 23.10, 2013 @ 20:45

  14. Was ist jetzt mit den Klagen??? Lt. Staatsanwaltschaft ist bis Freitag noch gar nichts eingegangen.

    Fingerzeiger Vetter und Konsorten sollten tätig werden, oder ist deren Gewitter wieder mal nur heiße Luft? Sollen andere die Arbeit erledigen, während sich die Herrschaften zurücklehnen?

    Herr Vetter, wo bleibt Ihre Klage? Wir warten!

    Comment by Degenhardt — 27.10, 2013 @ 14:12

  15. @Degi, der Udo ist jetzt bei den Piraten
    *hüstel*

    Comment by Ingo — 27.10, 2013 @ 14:54

  16. Ja und? Er ist als Mensch und Jurist jedenfalls auf dem richtigen Weg, wenn auch auf dem falschen Dampfer, um in der Seefahrt zu bleiben.

    Comment by Oliver — 29.10, 2013 @ 20:01

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