Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.5.13

Bundesprüfstelle indiziert Punksampler

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat am 02.05.2013 den Tonträger „Chaostage – We are Punks“ in die Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen.

Als indizierungsrelevant hat die Bundesprüfstelle vor allen Dingen den Uralttitel „Bullenschweine“ der Band Slime bewertet.

Der Musiker Alec Empire (Atari Teenage Riot), der den Song für den Sampler und Filmsoundtrack neu aufgenommen hat, beklagt sich auf Twitter über „state controlled art in Germany„.

Der Fall macht einmal mehr deutlich, dass die Maßstäbe des Jugendschutzes deutlich strenger sind als die des Strafrechts, worüber man in Zukunft sicher noch rechtspolitisch zu diskutieren haben wird. Die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart (Beschluss vom 15. März 201, Az. 9 Qs 9/13) nach der der Songtext nicht strafrechtlich relevant ist, ändert aus Sicht der Bundesprüfstelle nichts an der Qualifizierung als einfach jugendgefährdend im Sinne von § 18 Abs. 1 JuSchG.

Dass der Songtext von Slime – den ich bereits aus meiner Jugend kenne – geeignet ist, bei Kindern und Jugendlichen anno 2013 Sadismus und Gewalttätigkeit, Hinterlist und gemeiner Schadenfreude zu wecken und damit einen verrohenden Einfluss auszuüben, darf man getrost bezweifeln. Wenn man sich zudem die Liste der Künstler ansieht, die Slime zitieren oder covern, muss man mittlerweile außerdem eine gewisse kulturelle Bedeutung unterstellen.

Der Jugendschutz treibt in Deutschland immer wieder seltsame Blüten.

posted by Stadler at 18:47  

11 Comments

  1. Dass die Maßstäbe des Jugendschutzrechts strenger sind als die des Strafrechts sollte kaum verwundern, weil die Zielrichtung und die Rechtsfolgen andere sind.

    Die von Ihnen zitierten Elemente („Sadismus und Gewalttätigkeit, Hinterlist und gemeiner Schadenfreude zu wecken und damit einen verrohenden Einfluss auszuüben“) umschreiben den Verrohungstatbestand, der ja nur einer von etlichen Jugendgefährdungstatbeständen ist.

    Ich habe zwar nicht die Indizierungsentscheidung, wohl aber den Text des Titels gelesen, und halte aufgrunddessen z.B. den Tatbestand des Anreizens zu Gewalttätigkeit und Verbrechen (§ 18 Abs. 1 S. 2, 3. Alt.) für gegeben.

    Ziel des Jugendschutzes ist es im Übrigen ganz allgemein auch, schädliche Einflüsse von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten. Dazu gehören auch Medien, die bestimmtes unerwünschtes Verhalten propagieren; all dies mit dem Gedanken dass ein Kind oder Jugendlicher, mit einer noch nicht völlig gefestigten Persönlichkeit, solche Inhalte anders wahrnimmt als ein verantwortungsbewusster und reifer Erwachsener, der die Aufforderung zum Angriff auf Polizeibeamte in diesem Titel selbstverständlich ausschließlich als künstlerische Ausdrucksform und keinesfalls als Aufruf zum Handeln in der realen Welt verstehen wird.

    Aus dem gleichen Grund sind auch die NPD „Schulhof-CDs“, zahlreiche HipHop- oder Gangsterrap-Titel und Inhalte, die selbtschädigendes Verhalten propagieren (Drogenkosnum, „proAna“) völlig zu recht indiziert worden.

    Comment by Felix — 31.05, 2013 @ 20:50

  2. Der Jugendschutz in Deutschland ist doch nicht streng, oder wie kann es sein, das ein Film wie „Django Unchained“ FSK16 ist?
    Gleich zu anfang sieht man einen Pferdekopf und einen Menschenkopf durch Schusseinwirkung Platzen, direkt und im Detail. Ganz davon abgesehen gibt es noch weitere direkt gezeigte Hinrichtungskopfschüsse.
    So ein Film müsste ab 18 sein, jeder Egoshooter ist dagegen Kinderkacke.

    Ich denke Jugendschutz wird hier in Deutschland als Zensur missbraucht. Leider ist der Künstler zu finanzschwach und hat keine so große Lobby wie Columbia Pictures, die Conmtend Mafia.

    Comment by Troll — 31.05, 2013 @ 21:36

  3. @Felix — Dass Zielrichtung des Index anders ist als die des Strafrechts, ist eine Binse; Rechtsfolge dito.

    Relevant ist natürlich die ökonomische Folge (sanktionsbewehrte Verkaufsbeschränkung) und die dadurch gesteuerte faktische staatliche Kontrolle über Informationsangebote für Heranwachsende.

    Die grundlegende Idee, Heranwachsende durch Informationssperre zu schützen, setzt eine Kausalität voraus, die gar nicht in die Kompetenz des Staates fällt, sondern in die der Wissenschaft.

    Der Staat verkauft uns eine Anmaßung über die Wahrheit als Jugendschutz. Die Zielsetzung ist nicht etwa Schutz, sondern Kontrolle der Jugend.

    Comment by Wolf-Dieter — 31.05, 2013 @ 21:38

  4. „Schadenfreude“ ist natürlich etwas, was bei Jugendlichen unbedingt unterbunden gehört.

    Liebe Jugend auf die Barrikaden mit euch.

    Comment by Troll — 31.05, 2013 @ 21:39

  5. Wenn jemand über Bullenschweine singt, singt er doch über die Realität.

    http://www.youtube.com/watch?v=ZN4vKB5WIbw

    Das Youtube Video fällt wohl dann auch unter Jugendschutz?

    Comment by Troll — 31.05, 2013 @ 21:58

  6. @Troll
    Sie suchen sich einen Film aus und behaupten, dass der Jugendschutz nicht streng sei. Bisschen wenig, gell! Dass es auch anders der Fall ist, verschweigen Sie. Denn ebenso gibt es Filme, die ab 18 freigegeben sind, obwohl sie auch ab 12 hätten freigegeben werden. Und da sieht man hingegen keine graphische Gewalt.

    @Felix
    auch Rammsteins letztes Album hat man indiziert, jedoch hat sich die Band dagegen gewehrt. Ebenso landen recht viele Death-Metal-Alben auf dem Index. Es ist nicht immer das Cover, das beanstandet wird, sondern auch der Text, der weder abgedruckt wird noch bei der Musikrichtung verständlich ist.
    Ich glaube, ein Roman mit gleichem Inhalt hätte es hier viel leichter als ein Musiktitel.

    Comment by J. S. — 1.06, 2013 @ 12:44

  7. Wieso verschweige ich etwas?
    Ich sage nur, das zu wenig Filme ab 18 sind.
    Filme deren Handlung und Inhalt nicht geeignet sind, sollten auch nicht ab 12 sein.
    Um welchen Film dreht es sich, den du meinst? Also der ab 18 ist und den du locker ab 12 machen würdest?

    Eine Alterseinstufung ab 0 Jahre ist z.b. völliger Blödsinn und Zeigt den Schwachsinn der FSK auf.

    Das Letzte Einhorn war füher z.b. ab 12 Jahre, heute ist es ab 6 Jahre.
    Damals habe ich es, mit gerade 12 Jahre, im Kino angeschaut. Die Nacht darauf habe ich schlecht geschlafen.
    Ich weis nicht warum man das Heute schon 6 Jährigen an tut.
    Die Gesellschaft erwartet heute von Kindern Dinge die diese nicht bewerkstelligen können.
    Traurig.

    Comment by Troll — 1.06, 2013 @ 14:17

  8. Bitte #8 + #9 löschen, war der Falsche Beitrag, sorry :-(

    Comment by Troll — 3.06, 2013 @ 13:56

  9. @Wolf-Dieter: Exzellent, bedankt.
    ;)

    Comment by Josh@_[°|°]_ — 3.06, 2013 @ 21:01

  10. Ganz allgemein (ich kenne das besagte Werk, um das es hier geht -offen gesagt- gar nicht und dementsprechend auch nicht den textlichen Inhalt. Ist auch uninteressant):
    Indizierungen machen m.M.n. solchen Kram sowieso nur interessanter…
    Beim Thema Zensur im Zusammenhang mit Jugendschutz bringe ich auch ganz gerne schon mal folgendes Beispiel:

    http://youtu.be/ymBBQN45shA

    Das kam (nur als Beispiel) in meiner Kindheit/Jugend als „gewaltverherrlichend“ auf’n Index (keine Bange, kann man wirklich getrost anklicken… ;-) ).
    JEDER, den ich seinerzeit kannte (und der ’n C64er hatte) hatte das natürlich. Auch und gerade weil es auf’m Index war…

    @Wolf-Dieter (#3):

    [..] die gar nicht in die Kompetenz des Staates fällt, sondern in die der Wissenschaft.

    Was genau meinst du mit „fällt in die Kompetenz der Wissenschaft“?
    Meiner persönlichen Meinung nach ist „Jugendschutz“ im Wesentlichen die Aufgabe der Eltern.
    Grundsätzlich gebe ich dir aber Recht: Index (bezogen auf Texte, also bezogen auf sprachliche Ausdrucksformen jeglicher Art) = Zensur und Zensur = (staatliche) Informationsfontrolle!
    Und diese Form der Kontrolle gilt es unbedingt zu bekämpfen! Art. 5, GG sollte ganz besonders heutzutage einen ganz besonders hohen Stellenwert haben! Leider geschieht m.M.n. gerade im Bezug auf das sog. „Internet“ genau das Gegenteil (wenn beispielsweise schon das UrhG -wie leider immer öfters passiert- den Art. 5, GG einschränken kann, dann läuft in unserer Gesellschaft etwas ganz extrem schief!)

    In diesem Sinne Gruß aus Kölle, Baxter
    ________________________
    Zitat Benjamin Franklin:
    If all printers were determined not to print anything till they were sure it would offend nobody, there would be very little printed.
    Zitat Dwight D. Eisenhower:
    Don’t join the book burners. Don’t think you’re going to conceal faults by concealing evidence that they ever existed. Don’t be afraid to go in your library and read every book…
    Und selbst die alten Römer wussten es schon (Zitat Juvenal):
    Quis custodiet ipsos custodes?

    Comment by Baxter — 4.06, 2013 @ 03:49

  11. Jeder Eintrag der Bundesprüfstelle ist ein kostenloser Werbeträger. Er ist begrüßenswert und treibt die Verkaufszahlen nach oben.

    Firma dankt.

    Comment by Wolle — 5.06, 2013 @ 18:21

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.