Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.4.13

BGH: Ready To Fuck als Marke nicht eintragungsfähig

Der BGH hält die Wortfolge „Ready To Fuck“ als Marke, wegen Verstoß gegen die guten Sitten nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG für nicht eintragungsfähig (Beschluss vom 2. Oktober 2012, Az.: I ZB 89/11).

In der Begründung heißt es u.a.:

Die Bezeichnung „READY TO FUCK“ stellt eine als abstoßend empfundene, vulgäre Aussage dar, die das sittliche Empfinden überwiegender Bevölkerungskreise über Gebühr beeinträchtigt. In diese Beurteilung hat das Bundespatentgericht – anders als die Rechtsbeschwerde meint – auch zu Recht die Frage einbezogen, wie eine derartige Marke auf die Teile des Verkehrs wirkt, die für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich sind. Da die angemeldete Marke Schutz für Waren und Dienstleistungen beansprucht, mit der im Alltag alle Bevölkerungskreise in Kontakt kommen, ist in die Beurteilung auch der Umstand einzubeziehen, dass Kinder und Jugendliche die Marke sehen sowie ihren Bedeutungsgehalt erkennen und ob dies das allgemeine Publikum als anstößig ansieht.

Man kann durchaus darüber streiten, ob der BGH hier eine übermäßig konservative Position eingenommen hat, oder ob es (auch) aus Gründen des Jugendschutzes notwendig ist, solche Marken vom Publikum fernzuhalten.

posted by Stadler at 17:30  

13 Comments

  1. Jugendschutz? Soll man Kinder und Jugendliche von ihrer eigenen Sprache fernhalten? Meinen ersten vulgären Witz habe ich mit 6 gehört und lange gebraucht ihn zu verstehen :-) Heute gucken die Kinder in Gruppenarbeit Youtube und analysieren die verfremdeten (vulgären nach BGH) Texte von Hermine, die Harry und den anderen zu bestimmten Handlungen auffordert. Abweichend vom Text von J.K. Rowling. Wie alt waren die Richter? Haben die das Internet ausgedruckt?
    Man fröhnt wohl lieber der bayerischen Hochkultur:
    http://einestages.spiegel.de/static/entry/auf_der_alm_da_gibt_s_koan_sinn/107627/_unterm_dirndl_wird_gejodelt.html

    WTF und RTFM kommen dann den urteilenden auch nicht ins Haus?
    Um Missverständnissen vorzubeugen: ich habe 5 Romane vorgelesen, die ich selbst in Papier gekauft habe, und habe ordentlich bei allen Filmen den Kinoeintritt bezahlt mit der ganzen Blase. Ich bin einer der Täter, die J.K. Rowling zur Milliardärin gemacht haben. Aber es gab die o.g. Zweitverwertung halt auch in Jugendsprache :-)

    Comment by Wolfgang Ksoll — 10.04, 2013 @ 18:40

  2. Mittlerweile werden alle Gebote und Verbote mit dem Jugendschutz begründet. Man vergisst dabei, daß die meisten Menschen in Deutschland über 18 Jahre alt sind.

    Sitte und Anstand? Wer bestimmt das?

    Der BGH ist für seine Flachflieger-Urteile bekannt. Wird Zeit, daß sich dort einige Greise verabschieden. Der BGH ist gerade in den letzten Jahren negativ aufgefallen. Dessen Urteile wurden von EuGH oftmals kassiert.

    Wenn es um den Jugendschutz geht, kann man beinahe alles verbieten. Es war schon angedacht in 2012, für Jugendliche eine Ausgangssperre ab 20 Uhr einzuführen. Kein Scherz! Ländersache, aber das spricht für sich.

    Man sollte sich vor Augen führen, daß der Staat seine Bürgerschaft nicht zu drangsalieren hat. Für die Justiz gilt das vornehmlich.

    BGH? Schon lange ein Treppenwitz.

    Comment by Nettikette — 10.04, 2013 @ 20:06

  3. Ps.

    Die „Jugend“ zieht sich in diesem Moment harte Pornos rein, spielt Ballerkrawall, programiert den nächsten Angriff auf Webseiten, macht auf Facebook kriminelle Faxen und ist auch sonst gut drauf.

    BGH möchte „Ready to Fuck“ aufgrund der „guten Sitten“ verhindern.

    Einen an der Klatsche, oder wie die „Jugend“ posten würde „wir nehmen uns jetzt mal die Seiten des BGH vor“.

    Viel Spaß!

    Comment by Nettikette — 10.04, 2013 @ 20:31

  4. Und außerdem ist ja zu beachten, dass bei einer Eintragung der Marke darüber eine Urkunde MIT DEM BUNDESADLER ausgestellt würde!

    Comment by Jens — 10.04, 2013 @ 22:37

  5. Ich halte die Entscheidung für wenig problematisch. Es geht ja nicht darum den Ausdruck in Wort und Schrift zu verbieten, sondern ihn nicht monopolisieren zu lassen. Solange man in sachlich begründeten Auseinandersetzungen seiner subjektiven Einschätzung, etwa wozu jemand bereit ist, auch pointiert Ausdruck verleihen darf, fällt der Shitstorm gegen den BGH heute für mich aus.

    Comment by ThorstenV — 11.04, 2013 @ 09:15

  6. Wenn ich mir hier so die Kommentare durchlese, stelle ich eins fest. Moral und Anstand sind Werte, die nicht mehr vermittelt werden. Hier wird ein Versuch des BGH, moralische Grundwerte aufrecht zu erhalten, mit Resignation und Egalität schlecht geredet. Das spiegelt wunderbar unsere Gesellschaft, in der es um vieles einfacher ist an pornografisches Material zu kommen als an Geld. Die Eltern, denen diese Wertevermittlung eigentlich obliegt, sofern sie den selbst moralische Erziehung genießen durften, sind so sehr mit dem beschaffen des Geldes befasst (sie MÜSSEN das tun, um u.a. sozialer Ausgrenzung der Kinder und auch ihrer zuvor zu kommen), dass unsere Kinder dieser Wertevermittler fehlt. In der Schule werden solche Versuche mit Ignoranz kreditiert. Der BGH hat hier einen einsamen Versuch des moralischen Schutzes betrieben und verdient dafür eine gewisse Anerkennung.

    Comment by Reality today — 11.04, 2013 @ 09:55

  7. Es geht nicht darum, ob man diese Begrifflichkeit „Ready to fuck“ an vielerlei Orten wieder finden kann oder ob der Zugang zu pornografischen Inhalten einfacher wäre, sondern ob diese drei Wort e als Marke schützenswert sind.

    Würde die angesprochene Wortfolge ALLEIN für Gegenstände/Produkte für Erwachsene eingetragen werden, ließe sich darüber ja streiten, aber offensichtlich geht es um Produkte, die auch Kinder und Jugendliche erreichen sollen.

    Comment by schnorri — 11.04, 2013 @ 12:33

  8. Ich stimme Reality today zu. Nur weil man Pornos oder Schimpfwörter oder andere für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht förderliche Dinge über das Internet relativ einfach bekommen kann bedeutet das nicht, dass die guten Sitten damit ad acta gelegt werden.

    @Stadler: Der BGH stellt ja nicht allein auf Jugendschutz, sondern auch auf das sittliche Empfinden überwiegender Bevölkerungskreise ab. Ich frage mich, wenn die Aussage „ready to fuck“ § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG nicht erfüllen soll, welche Aussage tut es dann? Und darüber hinaus: Wieso ist es konservativ, wenn einem solchen Zeichen der Schutz versagt wird? Ist es im Umkehrschluss nach Ihrer Meinung progressiv, wenn sich derartige „Slogans“ als Marken etablieren? Ein solcher Begriff hat den Schutz der Rechtsordnung m.E. nicht verdient.

    @Netikette: Sie haben sich mit der Rechtsprechung des BGH bisher offenbar nicht ernsthaft beschäftigt.

    @Wolfgang Ksoll: Es ist ein Unterschied, ob man WTF oder RTFM beim (informellen) Chatten oder meinetwegen Bloggen verwendet oder ob man einen solchen Begriff rechtlich schützt und ihnen ein Verbotsrecht an die Hand gibt. Außerdem repräsentiert ihre individuelle Erfahrung, mit 6 Jahren einen vulgären Witz gehört zu haben, nicht das sittliche Empfinden überwiegender Bevölkerungskreise. Was ihren Link angeht, ist mir der Zusammenhang mit der Thematik hier nicht klar.

    Ich will zugestehen, dass der Begriff der guten Sachen letztlich eine moralische Frage ist, aber auch Moral ist ein wichtiger Wert und sollte nicht einfach als „konservativ“ abgekanzelt werden.

    Comment by Duke — 11.04, 2013 @ 15:51

  9. Und was ist mit der Marke „Ficken“ ?
    Mich wunderst ja auch das die bei diesen FB Moralaposteln noch nicht raus geflogen sind.

    Comment by Troll — 11.04, 2013 @ 16:54

  10. Mich würde die Dienstleistung mit Markennamen „Ready to Fuck“ interessieren

    Comment by Troll — 11.04, 2013 @ 16:55

  11. Der derzeitige Jugendschutz verdient den Namen nicht und wird regelmäßig nur zur Durchsetzung erzkonservativer Dogmen und Weltbilder missbraucht. Sonst (also wann immer der Bürger mehr bezahlen soll) ist gern vom mündigen Bürger die Rede, sobald es aber irgendwer „denkt doch mal an die Kinder“ in irgendeiner Ausformung ruft, sind die Bürger (hier die Eltern) plötzlich so unmündig, dass man vorschreiben muss was geht und was nicht. Das führt dann zu so absurden Situationen, dass selbst Erwachsene nicht mehr an ungeschnittene Medien herankommen – außer natürlich, sie bestellen z.B. in Österreich oder UK.

    Ob es nun einer solchen „Marke“ bedarf und ob man so einen (Halb-)Satz überhaupt schützen können sollte, ist ein anderes Thema.

    Comment by Drizzt — 11.04, 2013 @ 17:44

  12. @Duke
    „Außerdem repräsentiert ihre individuelle Erfahrung, mit 6 Jahren einen vulgären Witz gehört zu haben, nicht das sittliche Empfinden überwiegender Bevölkerungskreise.“

    Nun, meine Aussage ist durch Zeugenaussage belegbar. Die Behauptung der BGH spräche für „überwiegende Bevölkerungskreis“ dagegen nicht. Es gibt darüber zu dem Thema keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Das ist Schnack alter Männer.

    Im Gegenteil. Empirische Untersuchung zeigen, dass Fuck normaler Teil der Jugendsprache ist:
    http://books.google.de/books?id=p5OgAkgKhwcC&pg=PA110&lpg=PA110&dq=fuck+jugendsprache&source=bl&ots=jmEGpssIj7&sig=1HuNQA1CGn0JXrBid_S_xCqOqtg&hl=de&sa=X&ei=fONmUffKPIOK4ASU8YGoBQ&redir_esc=y#v=onepage&q=fuck%20jugendsprache&f=false

    http://books.google.de/books?id=WXM186SI8D8C&pg=PA10&lpg=PA10&dq=fuck+jugendsprache&source=bl&ots=f3lVYBTyEi&sig=vkj9Z-d4Mf30BctzZCCid9mmEPI&hl=de&sa=X&ei=fONmUffKPIOK4ASU8YGoBQ&redir_esc=y#v=onepage&q=fuck%20jugendsprache&f=false

    Bei diesem empirischen Befund sehen die kecken Sprüche eher wie Altersterrorismus aus. :-)

    RTFM ist auch seit Jahren in Wikipedia
    http://en.wikipedia.org/wiki/RTFM
    (Wobei viele nicht wissen, was LINPACK ist und ein Tektronix Salesman, der den Term 1979 erstmals urkundlich erwähnen ließ.

    Möglicherweise leißen sich die Richter auch von erzreaktionärem Antiamerikanismus verstaubter Alt68er leiten und würden mit dem Jodeln in der Lederhose viel besser zurecht kommen als mit der Gegenwartssprache.

    „Maßstab für die Beurteilung des Sittenverstoßes ist eine normal tolerante und durchschnittlich sensible Sichtweise der maßgeblichen Verkehrskreise.“

    Wir dürfen uns also bei der Beurteilung von „Ready to Fuck“ fragen, mit wem die Richter vom BGH Verkehr haben, wenn sie das für ihre Verkehrspartner ausschliessen wollen. Zudem haben sie offenbar ihren Verkehr als maßgeblich angesehen, und nicht den der Jugend oder der allgemeinen Bevölkerung. Da fragt es sich dann, ob die Verkehre der Richter tatsächlich maßgeblich sein sollen, wenn deutsche Sprache gesprochen wird. Das nackte Grauen.

    Aber vielleicht bin auch nur befangen, weil ich gerade Fallada lese: „Jeder stirbt für sich selbst allein“ in dem ein gewisser Richter Feisler (in dem Roman) dem Volksgerichtshof vorsitzt, der mit harter Hand die moralischen Maßstäbe bei seinen Volksgenossinnen per Todesstrafe durchsetzt. Gott sei Dank ist das nur Fiktion, da ich mir nicht vorstellen kann, dass es in Deutschland je solche Richter geben könnte.

    Am Rande: im Ersten Zivilsenat sitzen nur Männer:
    http://www.bundesgerichtshof.de/DE/Richter/BesetzungSenate/Zivilsenate/IZivilsenat.html?nn=589462
    Der jüngste 50, der älteste 65. Eine illustre Verkehrsgemeinschaft.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 11.04, 2013 @ 18:57

  13. @Duke

    Ich kenne den BGH nur zu gut. Unterirdisch ist da oft noch ein Kompliment!

    @Wolfgang

    Danke für Deinen astreinen Beitrag.

    Comment by Nettikette — 12.04, 2013 @ 18:40

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