Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.3.13

Das Fotografieren im öffentlichen Raum ist gefährlich

Ob die Bundespolizei den nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordenten Nico Kern nun festgenommen, festgesetzt oder, was eher zutreffend sein dürfte, nur einer polizeilichen Maßnahme unterzogen hat, der Fall ist kurios und stimmt nachdenklich.

Denn Kern hatte nur einen Rewe-Markt und ein Rewe-Logo in einem Bahnhof fotografiert, um wie er selbst sagt, über Rewe To Go zu twittern.  Kern wurde zunächst vom Sicherheitsdienst festgehalten und anschließend von der Bundespolizei aufgefordert, alle Fotos zu löschen, auf denen Personen erkennbar sind. Die Situation habe sich erst dann entspannt, als Kern seinen Abgeordnetenausweis vorgezeigt hat.

Man fragt sich allerdings, weshalb die Bundespolizei hier unbedingt zum Schutz (privater) Persönlichkeitsrechte tätig werden musste. Denn strafbar ist eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild nur, wenn ein Bild verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt wird (§ 33 KUG) – und das auch nur auf Antrag – oder, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen ist (§ 201a StGB). Das war aber hier sicher nicht der Fall.

Andererseits wird im öffentlichen Raum ständig fotografiert. Dabei werden zwangsläufig auch gelegentlich Personen mit erfasst. Soll sich die Polizei künftig etwa am Brandenburger Tor, am Kölner Dom und am Marienplatz aufstellen und darauf achten, dass Touristen keine Menschen fotografieren?

posted by Stadler at 18:28  

22 Comments

  1. Ob ein Bahnhofsgebäude öffentlicher Raum ist, wird im Netz wohl kontrovers diskutiert. Gefühlsmäßig würde ich sagen, nein, denn wie ich gerade bei +Birgit Nietsch auf G+ kommentierte:

    „Bahnhofsgelände ist IMHO eher kein öffentlicher Raum; Google liefert mir allerdings sehr widersprüchliche Informationen und kontroverse Diskussionen in Juristenforen. Generell würde Dir die Bahn aber sicher sagen, daß das ihr Gelände ist (sie bestimmt ja auch, wo Du innerhalb dieses Raumes nicht hindarfst, z.B. auf die Gleise oder in Personalräume).

    Das mit der Hausordnung stimmt. Ich habe schon mehrfach ausführlich in Bahnhöfen fotografiert und wurde nie angesprochen deswegen. Verboten sind allerdings Stative (vermutlich weil sie Fluchtwege blockieren könnten) und starke Blitzgeräte (weil die Zugführer sonst geblendet werden könnten). Auch daß solche Einschränkungen ausgesprochen werden können, deutet darauf hin, daß Bahnhofsgelände kein normaler öffentlicher Raum ist, denn auf der Straße kann Dir keiner verbieten, ein Stativ zu verwenden.“

    Wie siehst Du das, Thomas?

    Gruß, Frosch

    Comment by Sabine Engelhardt — 19.03, 2013 @ 18:33

  2. Es gab ja durchaus schon Urteile, die im Einzelfall selbst das Erstellen von Bildern ohne Veröffentlichungsabsicht verbieten:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Recht_am_eigenen_Bild#.28blo.C3.9Fes.29_Erstellen_von_Bildern

    Comment by Wolfgang Messer — 19.03, 2013 @ 18:50

  3. Ich habe auf dem Kölner Hbf. schon viel und oft photographiert, jedoch hat mich noch nie die Bundespolizei oder sonst jemand, weder mit noch ohne Uniform, darauf angesprochen oder gar versucht, daran zu hindern.

    Ich kann mit den oben geschilderten Vorfall nur so erklären, dass Langeweile das Motiv war – zu diesem Zeitpunk gab es einfach keinen greifbaren Obdachlosen oder schlafenden Alkoholisierten zur Beschäftigung ;-) Mal sehen, was noch nachkommt.

    Comment by Marie BIschoff — 19.03, 2013 @ 18:53

  4. Na ja da sollte die Bundespolizei auch die Ausnahmetatbestände kennen B-) ich sage nur „Beiwerk“ …;-)

    Comment by arnd — 19.03, 2013 @ 18:56

  5. Ob ein Bahnhofsgebäude öffentlicher Raum ist, wird im Netz wohl kontrovers diskutiert.

    Ein Bahnhof ist jedenfalls ein öffentlicher Kommunikationsraum (BVerfG, Urteil vom 22. 2. 2011 – 1 BvR 699/06).

    Comment by OG — 19.03, 2013 @ 19:06

  6. Es kann auch nicht ausgeschlosen werden, dass Nico Kern den Sachverhalt falsch darstellt. Die Stellungnahme der BuPo klingt anders.

    Comment by uwe — 19.03, 2013 @ 19:12

  7. @uwe: Ich finde diese Stellungnahme leider nicht. Hast Du mal bitte einen Link?

    Comment by Sabine Engelhardt — 19.03, 2013 @ 19:21

  8. Selbst wenn die Bahn per Hausordnung das Fotografieren generell verbieten könnte (was ich nicht denke), heißt das noch lange nicht, dass die Bundespolizei eine private Hausordnung ohne Antrag im Einzelfall durchsetzen muss. Das ist kein privater Wachdienst, sondern eine staatliche Polizei!

    Comment by AndreasP — 19.03, 2013 @ 19:49

  9. Wenn fotografieren im Bahnhof verboten wäre müsste man instagram dicht machen.

    Comment by Sven — 19.03, 2013 @ 20:44

  10. @uwe
    Ob die BuPo den Sachverhalt richtig darstellt, kann auch nicht ausgeschlossen werden.
    So wie Stellungnahmen der Polizei ablaufen, ist sogar schwer an zu nehmen das der Sachverhalt von der BuPo falsch dar gestellt wird.

    Comment by Troll — 19.03, 2013 @ 22:15

  11. Ich würde den Polizeiberichten gar nichts glauben. Seitdem ich in Dresden gesehen habe wie 150 Rechte ein Wohnhaus angegriffen haben, ohne dass die Polizei eingegriffen hätte und am nächsten Tag in der Pressmitteilung von der Polizei stand, dass nur durch ihr beherztes Eingreifen schlimmeres verhindert wurde, glaube ich dem Laden erst mal gar nichts, wenn Aussage gegen Aussage steht.

    Comment by trollololo — 20.03, 2013 @ 01:28

  12. „Die Situation habe sich erst dann entspannt, als Kern seinen Abgeordnetenausweis vorgezeigt hat.“

    Fraglich ist doch – und das lässt auf typische Verhaltentsweisen bei der Staatsgewalt schließen – was passiert wäre wenn:

    a) er seinen Fitness-Ausweis
    b) seinen Pfadfinder-Ausweis
    c) ein CDU-Partei-Mitgliedausweis oder
    d) einen NPD-Mitgliedausweis gezeigt hätte.

    In dieser Reihenfolge wären die Folgen vielleicht gemindert gewesen.

    Comment by mk — 20.03, 2013 @ 08:57

  13. Ich sehe das so, dass der Sicherheitsdienst alsHausrechtsbeauftragter der Bahn gehandelt hat und die BuPo nur deren Forderungen durchgesetzt hat, da der SSicherheitsdienst das ja nicht selber darf.

    Comment by Olli — 20.03, 2013 @ 11:37

  14. Natürlich nur „Sicherheitsdienst“

    Comment by Olli — 20.03, 2013 @ 11:39

  15. Wo ist das Problem?
    Was ist daran schlimm?

    Es ist Aufgabe der staatlichen Sicherheitsorgane, die privatwirtschaftlichen Interessen von Unternehmen zu schützen.

    Recht ist, was der Wirtschaft nützt.

    Wenn irgendein selbsternannter Pirat bei einem Supermarkt-Unternehmen wildern will, muss er damit rechnen, dass die Polizei das Unternehmen schützt.

    Wo kämen wir denn da hin, wenn die Polizei nicht mehr für Sicherheit und Ordnung für die Unternehmen sorgt?

    Die ganzen Gutmenschen hier, die meinen die Polizei sei dazu da, ihre Zeit mit dem Schutz von Bürgern zu verschwenden. Seit wann schützt die Polizei die Persönlichkeitsrechte von einfachen Bürgern? Dafür ist die Polizei nicht zuständig.

    Comment by Pro — 20.03, 2013 @ 12:47

  16. Die Gängelung unbescholtener Bürger in öffentlich zugänglichen Räumen durch freidrehende „Sicherheitsleute“ ist für photographierende Freunde des Schienenverkehrs ein alter, aber immer wieder ärgelicher Hut, obgleich die Regelungen im Großen und Ganzen klar sind:

    http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?2,2999027,page=1
    http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?3,5886016
    http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?16,4761391,page=all

    Besonderes dreist:
    http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?5,5551943,page=all

    http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?5,5917074,page=all

    Selbst Sehhilfen zum Entziffern von FIS (Fahrgastinformationssystem) können ein Problem sein:
    http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?102,3523759

    Comment by arnim — 20.03, 2013 @ 15:20

  17. Ist mir im HBf Hamburg auch schon passiert. DB Sicherheit kam auf mich zu und unterband auch durch „körperliche Anwesenheit“ ein Foto durch mich. Ferner teilte man mir mit, Fotografieren sei zwar erlaubt aber nicht mit Stativ. Habe den Fotoapparat dann auf einen kleinen Sims gelegt und quasi ein identisches Foto ohne Stativ gemacht. Keine Ahnung was für einen komischen Film die da drehen. Ich vermute eine schwachsinnige Dienstanweisung. Das ganze ist schon länger her, daher kann ich die Details leider nicht wirklich gut wiedergeben, IMHO ging es da aber auch mal wieder um die geliebte Sicherheit. Als ob es eine Rolle spielt, ob ein Foto mit oder ohne Stativ gemacht wurde.

    Comment by kay — 20.03, 2013 @ 23:04

  18. Die Rechtslage ist klar. Die DB gestattet das fotografieren in öffentlich zugänglichen Orten, die ihrem Hausrecht unterliegen. Dies ist auch schon mal durch eine Pressemitteilung artikuliert worden.

    Entgegen der landläufigen Meinung, scheint die Polizei weder unterbesetzt noch qualifiziert zu sein.

    Comment by Grundgesetz — 21.03, 2013 @ 14:02

  19. Mitgenommen hat die Polizei Herrn Kern nur wegen dem letzten Bild, das angeblich das Urheberrecht verletzen solle und er sich weigerte es Vorort zu löschen.

    Ich weiß nicht, ob die Polizei hier tätigen werden musste, aber wie ich den Artikel hier verstehen, nur auf Antrag des Eigentümers. Bezüglich der Auseinandersetzung wegen dem letzten Bild gibt es nicht hinreichend Informationen.

    Das Beschlagnahmen des Handys bzw. der Speicherkarte wäre allerdings von keinem Urteil oder Rechtsprechung abgedeckt, sofern keine Veröffentlichung vorlag.

    Comment by Mark — 21.03, 2013 @ 17:11

  20. Bereits gestern wurde bei Telepolis darüber ausführlich und kontrovers diskutiert. Ich wurde durch die Diskussionen auf ein überraschendes Urteil des Verwaltungsgerichts Mannheim aufmerksam:

    http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VGH%20Baden-W%FCrttemberg&Datum=08.05.2008&Aktenzeichen=1%20S%202914/07

    Ob das Urteil auch polizeiliches Handeln bei einer vermuteten Urheberrechts- beziehungsweise Markenrechtsverletzung rechtfertigen würde, kann vermutlich nur ein Jurist beantworten. Auf jeden Fall habe ich aufgrund der neuen Erkenntnisse meine Webseite zu rechtlichen Fragen rund um die Fotografie gründlich überarbeitet:

    http://www.digitaler-fotokurs.de/Rechtliche_Fragen.html

    Der Fall, der die ganze Diskussion ausgelöst hat, wirft auf jeden Fall viele Fragen auf, zumal der Landtagsabgeordnete der Piratenpartei Kern selbst Jurist ist und ihm anscheinend kein anderes Mittel übrig blieb, als sich sich auf seine Immunität zu berufen. Andererseits lässt seine eigene Nachricht über Twitter vermuten, dass er es auf ein solches Ergebnis geradezu angelegt hatte:

    https://twitter.com/TeilerDoehrden/status/313783859856687104

    Comment by Gerhard — 21.03, 2013 @ 19:50

  21. Hier nochmal ein Hinweis darauf, dass die DB AG das Fotografieren und Filmen für private Zwecke grundsätzlich erlaubt hat (Stand Dezember 2000):

    „Eines der wenigen Unternehmen, das eindeutig zum Photographieren und Filmen durch Kunden Stellung bezieht, ist die Deutsche Bahn AG. Mit Datum vom 22. Dezember 2000 stellt die DB-Abteilung „Medienbetreuung Film/Fernsehen GKE 1“ fest, daß Photo- und Filmaufnahmen für private Zwecke grundsätzlich ohne Genehmigung/Legitimation jederzeit gestattet sind. Eine mündliche oder schriftliche Genehmigung durch DB-Mitarbeiter ist nur dann erforderlich, wenn Hobbyphotographen oder -filmer Bereiche einsehen wollen, die der allgemeinen Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Diese Position wurde veröffentlicht in den geschäftlichen Mitteilungen der Deutschen Bahn AG, Ausgabe Nr.3 vom 19. Januar 2001.“

    Aus: http://www.mein-dortmund.de/photorecht.html

    Comment by zat — 22.03, 2013 @ 17:25

  22. Ich hatte heute ein ähnliches Problem, ich wurde in einen Rewe Markt festgesetzt da ich ein Foto machte. Das den Standort zeigt von dem Produkt was ich gekauft habe. Ich musste es löschen, meine Personalien wurden aufgenommen und ich bekam eine Verwarnung. Nur zum besseren Verständnis, es ware keine personen auf diesem Foto. Das war definitive der letzte einkauf, den ich bei diesem Unternehmen gemacht habe.

    Comment by Anonymous — 7.07, 2014 @ 15:44

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