Wir sind das Netz?
Johnny Häusler hat bei Spreeblick vor ein paar Tagen einen sympathischen Appell an Blogger und aktive Webuser gerichtet, sich 2013 das Netz zurückzuerobern. Denn wer nur auf Facebook, Twitter und Google veröffentlicht, gibt nach Ansicht Häuslers die Kontrolle über seine Inhalte aus der Hand.
Dieser Text Häuslers hat eine fast bizarre Diskussion ausgelöst, die weitgehend jedenfalls an dem von Häusler angerissenen Thema vorbei geht. Als Reaktion auf den Text bei Spreeblick fordert Mathias Richel ein öffentlich-rechtliches Netz und Public Space Server, die der Staat betreibt und die über eine Abgabe der Access-Provider bezahlt werden.
Mir ist bislang allerdings nicht aufgefallen, dass es ein Problem mit dem Hosting geben würde. Es existieren ganz im Gegenteil in diesem Bereich derartig viele unterschiedliche Angebote, die es jedem erlauben, seine Inhalte auch abseits der großen (amerikanischen) Anbieter hosten zu lassen. Was die von Richel geforderten Public Space Server mit der von Häusler angesprochenen Dominanz amerikanischer Anbieter bei sozialen Netzen zu tun haben, erschließt sich mir auch nach längerem Nachdenken nicht. Es handelt sich um zwei verschiedene Aspekte. Was wäre die Konsequenz von Richels Idee? Der Internetzugang würde sich verteuern, weil die Zugangsprovider und TK-Unternehmen den von Richel geforderten „Netzeuro“ auf die Nutzer umlegen. Im Gegenzug bekäme man staatlich subventionierten (kostenlosen) Webspace. Und was würde das an der Dominanz von Facebook und Google ändern? Mathias Richel bietet uns eine Lösung für ein Problem das gar nicht existiert, aber keine für das Problem, das Johnny Häusler beschreibt.
In einem meines Erachtens eher diffusen Beitrag assistiert Jens Best indem er eine Regulierung – nur welche? – fordert. Wie der Versuch einer Regulierung von beispielsweise Google aussieht, kann man in Deutschland derzeit anhand des Gesetzesvorhabens zur Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse beobachten. Ich vermute, dass Jens Best diese Form der Regulierung nicht unterstützen möchte. Wer also nach dem Staat ruft, der möge bitte konkrete Vorschlägen präsentieren und zugleich erläutern, wie diese sinnvoll und konkret umzusetzen sind. Möglicherweise sind wir aber auch nur alle Idioten, mit Ausnahme von Jens Best.
Ich frage mich ernsthaft, weshalb der sinnvolle Aufruf Johnny Häuslers unbedingt durch unsinnige oder sachfremde, weil andere Themen betreffende, Blogbeiträge, zerfaselt werden muss. Vielleicht ist aber gerade diese Haltung der Grund dafür, dass wir eine Dominanz amerikanischer Anbieter beklagen (müssen).
Oje, die Amts-Cloud, in welche wir im Extremfall auch noch unsere privaten Daten hochladen, damit wir – und Vater Staat – von überall Zugriff darauf haben. Quellen-TKÜ wäre somit nur noch bei denen nötig, die suspekterweise ihren Webspace nicht nutzen. Ist der Richel etwa gar ein V-Mann der Sicherheitsfanatismus-Branche?
Comment by SC — 2.01, 2013 @ 00:20
Lieber Thomas, ich weiss nicht, warum du gleich wieder so reinprügeln musst, statt einfach mal zu fragen (man kann in meinem Blog auch in der Kommentarebene direkt nachfragen).
Aus einer einzigen Stelle meines längeren Blogposts auf einen überdurchschnittlichen Wunsch nach Regulierung zu schliessen, ist merkwürdig.
Ich habe in mehreren Beispielen versucht darzustellen, dass „Öffentlichkeit“ und auch der „Öffentliche Raum“, in dem diese stattfindet sehr vielfältig ist und ebenso schützenswert wie die Privatsphäre.
Die angeblich „diffuse Art“ des Blogposts ist dieser eher hinweisenden Art geschuldet. Ich kann (und werde das in zukünftigen Postings auch tun) noch einige konkrete Beispiele bringen, wie dieser sensible und vielfältige Raum weiterentwickelt werden könnte.
Ein Beispiel (das auch ein wenig an das Richel-Thema anschliesst): Es gibt ja schon länger Umsetzungen und Entwürfe, wie das 1% der GEZ-Gebühren, welche seit Jahrzehnten an die Landesmedienanstalten gehen, um Bürgerfernsehen und -radio zu finanzieren, online zu nutzen sind bzw. sich an diesem alten Beispiel der Förderung einer freibürgerlichen Medienebene inspirieren.
Wie ich ebenso in meinem Blogpost verdeutlichte, ist auch die Diskussion über die nicht-gemeinnützige Natur der physischen und virtuellen Form des Web schon länger geführt und keiner, auch Richel, argumentiert hier aus einer Wünsch-Dir-Was-Haltung. Es ist ein(!) Aspekt in einer sehr komplexen Thematik – nämlich der der Öffentlichkeit.
Diese Öffentlichkeit formt unsere Gesellschaft entscheidend mit. Deswegen ist, ausgehend von Johnnys Initialposting die Beschäftigung mit einer gerechter umgesetzten Öffentlichkeit in einer digitalisierten offenen Gesellschaft eine Aufgabe, die nicht innerhalb von wenigen Tagen und ein paar gedanken-anregenden Postings erledigt sein kann.
Sprich auch du könntest versuchen einen konstruktiven Beitrag zu liefern. Anstatt wortgewaltigem Herumdissen mal deine Sicht der Dinge formulieren.
Comment by Jens Best — 2.01, 2013 @ 02:55
In der heutigen Zeit
– mit unseren Wertvorstellungen, die wir weltweit durchzusetzen versuchen und durchsetzen,
– mit dem tatsächlichem kulturellen und Bildungstand,
– mit den vorhandenen Machtstrukturen,
– mit der Informationsmacht der Herrschenden
– mit der eingespielten Herrschaft des Geldes
sind konstruktiven Beiträge für die Katz.
Es bleibt egal, ob privat oder staatlich. Ohne Kenntnis der Verstrickungen, der Rolle der Korruption, der Lobby, der Abhängigkeit der „Volksvertreter“, der Rolle des Beamtentum, der kriminellen Energie und Kriminalität der Marksbeherrscher etc. ändert jeder „konstruktive“ Betrag nichts.
Solange für „konstruktive“ Beiträge die schützenswerter Privatsphäre als das A und O gesehen wird, wird sich nichts verändern. Die Menschen bleiben manipulierbar, abhängig als moderne Sklaven. Das Gegenteil wird eintreten. Das Leid und Elend werden steigen, denn das Internet bietet ganz neue Möglichkeiten. Z.B., fürs Morden auf weite, sehr weite Distanz. Eine Netzneutralität gab es zu keiner Zeit, wird es nicht geben, solange unsere Wertvorstellungen sich nicht grundsätzlich verändert haben.
Comment by Rolf Schälike — 2.01, 2013 @ 06:46
Lieber Jens,
mir ist jetzt nicht ganz klar, worauf Du Dich mit „wieder reinprügeln“ beziehst.
Ich hätte mir schlicht eine konstruktive Form der Kritik gewünscht, die versucht aufzuzeigen, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt.
Die Diskussion die Du führen willst, hängt auch nur bedingt mit Johnnys Forderung zusammen. Bei mir entsteht einfach der Eindruck, dass da ein sinnvoller Appell wieder mal zerredet wird und zwar einerseits mit wirklich unsinnigen Vorschlägen wie denen von Mathias Richel und andererseits mit theoretisierenden Posts wie dem Deinen, die äußerst vage bleiben.
Deine These ist ja, dass Unternehmen den öffentlichen Raum stärker okkupiert haben, als es ihnen zusteht. An dieser Stelle musst Du dann aber erläutern, was dagegen zu tun ist.
Comment by Stadler — 2.01, 2013 @ 08:56
Ich bin aus Hr. Bests Ausführungen auch nicht ganz schlau geworden.
Im Generellen geht die Debatte (wie soll eigentlich mein Internet funktionieren) deswegen so in die Breite, weil ganz viele Leute noch nicht verstanden haben, wie das Internet funktioniert. Das ist so ein bisschen, wie Fernsehen, jeder weiß das er einen Bildschirm braucht und eine Antenne oder ein Kabel, was tatsächlich im Hintergrund läuft interessiert nicht (was ein bisschen auch klassisch deutsche Technikignoranz ist).
Wir befinden uns gerade am Umbruch, wie das klassische Internet, das mehr oder weniger profitlos (oder zum Selbstkostenpreis) eine Vernetzung ermöglicht hat zu einer Infrastruktur auf die sich viele (aber noch nicht Alle) verlassen (wollen), bei der es aber ziemlich unklar ist, wer zahlt und wer betreibt. Und ich denke Jens Best möchte da mitgestalten und auch selber einen Netzbetreiber gründen…
Das Problem ist, das das Internet zwar irgendwie da ist, aber noch nicht in dem Zustand wie es aussehen soll.
Comment by Philip Engstrand — 2.01, 2013 @ 09:37
Herr Stadler, Sie posten: Deine (Jens) These ist ja, dass Unternehmen den öffentlichen Raum stärker okkupiert haben, als es ihnen zusteht. An dieser Stelle musst Du dann aber erläutern, was dagegen zu tun ist.
So lange
– die Entscheidungen eines Einzelnen davon abhängen, wie viel Geld man für die eigenen Handlungen bekommt,
– wenig Bereitschaft besteht, notwendige Tätigkeiten kostenlos zu erbringen,
– der Maßstab für die eigenen Bedürfnisse, der Besitzt und das Leben des Nachbarn ist,
– etc.
werden Unternehmen, die Mafia, die Kriminellen, der Staat auch die neuen Technologien effektiver nutzen als der Einzelne. Solange das Geld regiert, ist dagegen kein Kraut gewachsen.
Was dagegen tun? Sich verweigern an immer mehr, immer schneller, immer weiter!! Alternativen zu Maßstäben suchen, die nicht nur vom Geld bestimmt werden, erst recht nicht von der Maximierung des Profits.
Geld macht frei, aber auch abhängig und käuflich.
Comment by Rolf Schälike — 2.01, 2013 @ 09:44
@Thomas #4
Da ich leider nirgends entdecken kann, was deiner Meinung nach der Kern von Johnnys Blogpost ist, muss ich mal hinnehmen was du sagst.
Für mich geht Johnnys Blogpost über die Tatsache, dass User-Bequemlichkeit und Webkonzerne eine Gefahr für die Strukturen des offenen Web darstellen.
Das offene Web als Öffentlichkeit zu verstehen (was Johnny tut) ist gut und richtig, muss allerdings gesellschaftlich und politisch reflektiert werden, um sowohl in der Tiefe als auch in der Breite verstanden zu werden.
Dafür schreibe ich (auch mit mit meinem neuen Posting zum öffentlich-rechtlichen Aspekt der konvergenten Medien: http://wp.me/p2CzNP-1U
), das tut Richel auf seine Weise. Du kannst das gerne auch tun, aber die Hoheit über den Kern einer (von Johnny mitangestossenen) Diskussion hast du nicht. Ich freue mich also auf deine Sicht der Dinge.
Comment by Jens Best — 2.01, 2013 @ 09:58
@Jens #7: Für mich ist der besagte „Kern“ offensichtlich: es ist die „Walled Garden“-Problematik (http://en.wikipedia.org/wiki/Walled_garden_technology). Neben den in dem Spreeblick-Beitrag diskutierten Aspekten des Eingesperrt-Seins und der Hoheit des Garden-Betreibers über den Content gibt es den zusätzlichen Aspekt des Ausgesperrt-Seins, nämlich für alle die (aus welchen Gründen auch immer) keinen Account bei dem jeweiligen Walled-Garden-Betreiber haben – oft ist es jedenfalls so, dass man als nicht bei dem jeweiligen Dienst registrierter Mensch auch keinen Lese-Zugriff auf den Content hat (wenn man z.B. Links folgt), so dass man effektiv ausgesperrt ist. Dieses wiederum führt dazu, dass sich immer mehr Menschen bei diesen Diensten registrieren, was wiederum diese Dienste darin bestärkt, das „normale“ Internet auszusperren, um ihren eigenen Walled Garden zu vergrößern. Letztlich führt das zum Zerfall des offenen Netzes, wie früher war. Zusätzlich wird es immer leichter, für diese Parallelwelten eigene Tarife einzuführen (z.B. für F**ebook), und damit das (Rest-)Internet für einen relevanten Teil der Nutzer faktisch abzuschaffen.
Comment by Wall Ed Garden — 2.01, 2013 @ 13:52
@Jens Für mich besteht der Kern von Johnnys Blogpost in der Aussage, dass man Content nur dann selbstbestimmt veröffentlichen kann, wenn man es im eigenen Blog macht und nicht auf Plattformen wie Facebook oder Google+. Mehr muss man nicht reininterpretieren.
Johnny hat einen Appel formuliert, der sich an (einzelne) Blogger und aktive Nutzer richtet. Demgegenüber kritisierst Du bestimmte Phänomene, ohne Lösungsansätze zu skizzieren. Das eine hat nur bedingt etwas mit dem anderen zu tun, weshalb Du es vielleicht hättest vermeiden sollen, Deinen Blogbeitrag als Kritik bzw. Replik auf Johnnys Beitrag zu formulieren.
Comment by Stadler — 2.01, 2013 @ 20:44
Yes! Schöne Diskussion! Weiter so (ernsthaft)!
Danke dafür!
Gruß, Baxter
Comment by Baxter — 3.01, 2013 @ 01:02
Es ist eben wie mit Windows: Die Bequemlichkeit siegte, darum wurde genommen was am einfachsten geboten wurde und daher die jetzige Marktmacht.
Twitter, Faceboock und Co. bieten eben eine wesentlich niedrigere Hürde seiner Geschwätzigkeit freien Lauf zu lassen als eine eigene Seite, die zuerst installiert und bezahlt werden muss und jeder Artikel überlegt sein sollte.
Blogs und Blogger wird es vermutlich immer geben (solange der Staat es noch zu lässt), aber reduziert auf diejenigen, die sich Gedanken machen über das was sie schreiben und die Kontrolle darüber behalten möchten, wo und wie es veröffentlicht wird.
So wie das Wasser sich seinen Weg sucht, wird sich auch die Erkenntnis durchsetzen, dass es leicht ist, einen Blogartikel überall bekannt zu machen und zu verlinken, aber umgekehrt unheimlich schwer, einen gesperrten Artikel in z.B. Facebook wieder frei zu bekommen, weil es angeblich gegen irgendwelche exotische Regeln verstoßen solle.
Es dauert nur etwas, bis manchen klar wird, was Google+, Facebook und Twitter bedeuten. Am klarsten würde das werden, wenn man sich vorstellt, dass besagte Firmen in China, Nordkorea oder Iran beheimatet wären und dessen Regeln als AGB hätten.
Wie frei ist dagegen die Welt des Bloggers!
Comment by Frank — 10.01, 2013 @ 10:48