Das deutsche Strafverfahren genügt den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht
Die ARD hat gestern Abend eine Reportage mit dem Titel „Unschuldig in Haft – Wenn der Staat zum Täter wird“ ausgestrahlt, die über zwei eklatante Fälle unrichtiger Strafurteile berichtet hat und über eine Justiz die auch dann noch mauert und abwiegelt, wenn die Fehler bereits offenkundig sind. Denn der Justizirrtum ist im System nicht vorgesehen und eigene Fehler räumt die Strafjustiz nur widerwillig ein.
Henning-Ernst Müller hat den ARD-Beitrag im Beck-Blog zum Anlass genommen, die Frage aufzuwerfen, was gegen den Justizirrtum helfen kann und nennt Vorschläge, die es seit Jahren gibt, wie „Tonbandaufnahmen von Vernehmungen, Wortprotokolle in der LG-Hauptverhandlung, die zweite Tatsacheninstanz auch (und gerade!) bei schweren Tatvorwürfen.“
Auch wenn ich kein wirklicher Strafverteidiger bin, übernehme ich in jedem Jahr auch ein paar Strafsachen und habe im Laufe meiner jetzt sechzehnjährigen Anwaltstätigkeit schon eine ganze Reihe von Strafverfahren als Verteidiger miterlebt.
Der nach meiner Wahrnehmung vermutlich eklatanteste Mangel des deutschen Strafverfahrens besteht im Fehlen eines ordentlichen Protokolls, insbesondere der fehlenden vollständigen Protokollierung von Zeugenaussagen. Das Problem ist im Gesetz selbst angelegt, weil eine wörtliche und/oder vollständige Protokollierung nicht verlangt wird. Lediglich die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmung sind in das Protokoll aufzunehmen. In der Praxis sieht das dann so aus, dass ein Mitglied des Gerichts handschriftliche Notizen anfertigt – die allzuoft äußerst lückenhaft sind -, die anschließend vom Vorsitzenden unterzeichnet und zur Akte genommen werden.
Weil eine ausreichende und transparente Dokumentation fehlt, habe ich es schon mehrfach erlebt, dass der Inhalt einer Zeugenaussage im Urteil dann deutlich anders wiedergegeben wurde, als es meiner Erinnerung entsprach. In diesem Kontext muss man sich auch bewusst machen, dass im Zivilrechtsstreit, selbst bei geringen Forderungsbeträgen, zumeist ein vernünftiges Protokoll mit einer im Regelfall ordentlichen Protokollierung von Zeugenaussagen angefertigt wird. Dasselbe findet man in Strafverfahren, in denen es wirklich um etwas geht, weil Menschen u.U. zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden, zumeist nicht.
Solange das Gesetz nicht zwingend eine wörtliche Protokollierung von Zeugenaussagen verlangt, wird auch künftig immer nur das festgehalten werden, was das Gericht – im Moment der Vernehmung – für wesentlich erachtet.
Als Anwalt ist man, nicht nur im Strafverfahren, sondern ebenso im Zivilverfahren, auch immer wieder darüber erstaunt, wie Richter die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen einschätzen. Obwohl zu diesem Thema eine ganze Menge Literatur existiert und spezielle Seminare angeboten werden, sind Richter regelmäßig nicht darauf geschult, typische Merkmale und Umstände die für oder gegen die Glaubwürdigkeit sprechen, abzuarbeiten, sondern entscheiden zumeist nur aus dem Bauch heraus. Es wäre deshalb zwingend erforderlich, die Richterschaft im Hinblick auf die Fragetechnik bei der Zeugeneinvernahme zu schulen sowie auch mit Blick auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Aussage.
Dass man es darüber hinaus immer wieder mit voreingenommenen Richtern zu tun hat, die sich ihre Meinung bereits gebildet haben, ist ein anderes Problem, das auch der Gesetzgeber nicht beseitigen kann. Speziell in Bayern fällt mir bei Strafrichtern außerdem immer wieder eine zu große Nähe zur Staatsanwaltschaft auf, was m.E. maßgeblich damit zusammenhängt, dass jeder Richter zu Beginn seiner Laufbahn mehrere Jahre als Staatsanwalt tätig gewesen sein muss und es auch ansonsten nicht unüblich ist, wenn zwischenzeitlich die Seiten gewechselt werden. Es wäre sinnvoll und notwendig, die Laufbahnen von Strafrichtern und Staatsanwälten strikt zu trennen.
Andererseits möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht immer wieder gut und ordentlich arbeitenden Richtern begegne. Ein pauschales Richter-Bashing ist daher nicht angebracht.
Eine Reihe systembedingter Schwächen und Mängel müssen vom Gesetzgeber beseitigt werden. Vordringlich wäre eine Neufassung der Vorschriften über das Sitzungsprotokoll und die Beurkundung der Hauptverhandlung (§§ 271 ff. StPO), insbesondere die Einführung einer zwingenden wörtlichen Protokollierung. Das wäre dringend geboten, um den rechtsstaatlichen Anforderungen an ein faires Strafverfahren zu genügen.
wenn man sich gleichzeitig den in der Reportage interviewten Justizminister von Hessen, Jörg-Uwe Hahn (FDP!), angehört hat, sehe ich bei der Beseitigung systembedingter Schwächen seitens des Gesetzgebers schwarz. Es ist doch alles in Butter und die Fälle zeigen doch, dass auch unschuldig inhaftierte frei kommen. Also weitergehen, hier gibts nichts zu sehen.
Comment by Maik — 22.01, 2013 @ 11:57
Was spräche denn in heutiger Zeit gegen eine wörtliche Protokollierung sämtlicher Aussagen im Strafrechtsprozess? Früher wäre dafür eine vergleichsweise teure Schreibkraft erforderlich gewesen und/oder ein gigantisch großes Archiv mit Tonbändern. Heute könnten Millionen Protokolle auf minimalem Raum elektronisch gespeichert werden – selbst wenn man ein Netz und doppelten Boden einzieht, damit mit der relativ anfälligen Methode der elektronischen Speicherung nichts schief geht. Techniken der elektronischen Datenverarbeitungen sind nicht nur da, um Konsumenten und vermeintliche Verbrecher auszuforschen. Der Staat könnte sie manchmal auch sinnvoll einsetzen, um die Rechte seiner Bürger besser zu schützen.
Comment by Moki — 22.01, 2013 @ 12:14
Das überrascht mich jetzt echt, in Strafprozessen gibt es kein vernünftiges Protokoll? Das Gesetz ist nicht zufällig in einer gewissen, „dunklen“ Zeit deutscher Geschichte entstanden/geändert worden?
Zum Thema Richter/Staatsanwalt – wenn man mich fragt, empfehle ich, jeden zukünftigen Staatsdiener erst mal eine richtige Lehre und 5 Jahre im Beruf sammeln lassen, bevor man ihn zum Jurastudium zulässt. Ist wie bei den Berufspolitikern – viele haben von den echten Sorgen und Nöten und von der „harten Welt da draußen“ keinen blassen Dunst. Die Lebenswirklichkeit vieler Berufspolitiker/-juristen unterscheidet sich so krass von einem großteil der Bevölkerung, daß diese vermutlich garnicht nachvollziehen können, was denn das Problem ist.
Gruß
Comment by Frank Schenk — 22.01, 2013 @ 12:40
Eine wörtliche Protokollierung brächte aber nur etwas, wenn „Fehler“ in der Beweiswürdigung aufgrund Protokolls revisionsrechtlich geprüft werden könnten.
Ich stelle mir schon die BGH-Richter vor, wie sie tausende von Protokoll-Seiten durchlesen…
Comment by Ilonka — 22.01, 2013 @ 12:42
@Ilonka: Nein, bei derzeitigem Revisionsrecht müssten die Richter nur die Protokollteile lesen, auf die in der Revisionsschrift (mit direkt wörtlichem Zitat IN dieser Schrift) Bezug genommen wird. Etwa wenn die Verteidigung belegen will, dass die Würdigung einer bestimmten Zeugenbeweises mit der protokollierten Zeugenaussage zu diesem Punkt in der Hauptverhandlung nicht übereinstimmt.
Comment by Henning Ernst Müller — 22.01, 2013 @ 13:28
@ H E Müller:
Aber wäre dann der BGH im Grunde nicht eine weitere Tatsacheninstanz?
Comment by Ilonka — 22.01, 2013 @ 14:45
Zu voreingenommenen Richtern und Auffassungen von Zeugenaussagen sollten Sie mal ein Truppendienstgericht besuchen ( Geht ja leider nicht da immer nicht öffentlich ) Dort geht es zu wie in Reichgerichten. Ich weiss wovon ich spreche ich habe schon einige hinter mir. Dort wird mal so oder so geglaubt. Zwei sagen dasselbe und es ist nichts abgesprochen sondern entspricht der Wahrheit und der andere Zeuge ( einziger Belsatungszeuge ) sagt etwas anderes aus. Dann fragt der Richter den Entlastungszeugen ob man zum Angeklagten noch Kontakt hat und dieser bejaht die Antwort wahrheitsgemäß. Dann heißt es sofort das ist abgesprochen, obwohl alle Aussagen vorher immer mit dem gesagten, weil Wahrheit ist ) übereinstimmt. Nur der Belastungszeuge sagt mal so oder mal so aus und behauptet auch ganz falsche Dinge. Diese wiederrum werden vom Richter dann als „man kann sich ja mal irren als junegr Soldat“ eingestuft. WI_DER_LICH das System. Sprry, wollte nur kurz einwefen, das es noch schlimmere Systeme als Strafgerichte in Bayern gibt.
Comment by Eagle — 22.01, 2013 @ 14:50
@Ilonka: Nein, weil der BGH auch in diesem Fall nicht von sich aus nochmal Tatsachen ermitteln würde sondern nur vergleichen würde, ob die protokollierte Aussage mit der im Urteil widergegebenen Aussage übereinstimmt, also weiterhin die Tatsachen zugrundelegen würde, die das Erstgericht ermittelt hat. Der Vorteil wäre jedoch dass auf die Art verglichen werden kann, ob das Erstgericht wirklich die Aussage des Zeugen zugrundegelegt hat oder seine eigene Interpretation der Aussage.
Comment by SoWhy — 22.01, 2013 @ 15:21
@SoWhy:
Aber die „Interpretation“ der Zeugenaussagen – nicht nur nach dem reinen Wortlaut – ist doch die ureigenste Aufgabe des Tatgerichts, das den Zeugen persönlich vor sich hat.
Comment by Ilonka — 22.01, 2013 @ 15:30
Viele Forderung sind doch nicht neu.
Bossi hat das schon 2005 in seinem Buch: „Halbgötter in Schwarz“.
Was man aber sowohl zu den Fällen Arnold, als auch de Montgazon der Fall ist, dass dort im Vorfeld schon Fehlergemacht wurden.
Vor der Hauptverhandlung.
Fall Arnold:
Die Person des „Opfers“ wurde nicht gründlich durchleuchtet.
Die Verhältnisse an der Schule ebenso nicht.
Jeder der in den 1990er in der Schule war und mal 11 – 13 gemacht hat, hat auch mitgekriegt, wie „dünn“ Stellen gesät waren.
Es ist also durchaus „vorteilhaft“ Kollegen „auszuschalten“, wenn man auf eine feste Stelle hoffte.
Nur weil da jemand „17. Juli“ schreit kann man doch nicht jemanden gleich mal auf 5 Jahre wegschließen.
Die Ausführungen des Klinikchefs waren zwar formal richtig, aber die Gegenfrage “ kann es nicht auch so sein wie der Mensch es schildert“ sollte durchausdurchdacht werden.
Versagt hat übrigens auch die hessische Kultus Verwaltung:
Denn wie kann so eine Person, wie das „Opfer“ im Falle Arnold in den Schuldienst übernommen werden?
Anscheind wurde sie vor der Einstellung überhaupt nicht oder nicht grundlich untersucht.
Dabei läßt man den Schülern, seit Jahrzehnten, sämtliche Psycho-Test angedeihen.
Auch muss die Entschädigungsfrage, bematenrechtlich, geklärt werden, wenn ein Beamter, hier trifft dieses besonders Lehrer, unschuldig aus dem Beamtenstatus entfernt wurde und sich die Tatsachen für die Entlassung als falsch herausstellen, dann müssen die entgangenen Bezüge nachvergütet werden.
Zum Fall de Montgazon:
Da kann man der Kriminaltechnik und an die Spurensicherung nur raten, dass die Berrichte verbessert werden müssen.
Das Verfahren hätte man sich sparen können, wenn es eine „saubere“ „Tatort-Darstellung gegeben hätte.
Also:
Wie sah das Zimmer vor dem Brand aus.
Was hat da gebrannt, außer dem geschädigten.
Als ich die Sache mit dem Spiritus, also Alkohol hörte, dachte ich zunächst an größere Mengen Desinfektionmittel, die dort verbrannt sein könnte, wobei mit 20 Liter auch etwas viel vorkam.
Als dann aber erwähnt wurde, dass am Brandort massenhaft Holz verbaut war, wurde mir dann aber schnell klar, dass man dort Rückstände von Celluso gefunden hat.
Holz besteht aus „Zuckern“, Zucker besteht u. a. aus Alkoholen (O-H) wenn man Holz kocht, dann kann man Alkohol gewinnen.
In der DDR wurde Holzschnaps „produziert“.
Comment by Anonymous — 22.01, 2013 @ 16:47
Wichtig wäre vor allem auch eine zwingende Tonbandaufnahme bei einer polizeilichen Vernehmung eines Zeugen oder auch des Beschuldigten. Was da erstmal zu Papier gebracht wurde bekommt man im Prozess kaum mehr weg.
Comment by Mark — 22.01, 2013 @ 16:50
Die StPO sieht sogar die Bestrafung Unschuldiger gesetzlich vor.
Erscheint ein von der 1. Instanz fälschlich Verurteilter nicht in der zweiten Instanz (Berufungsinstanz) zur Verhandlung, so muss er laut StPO trotz Wissens der Richter, der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers, dass der Beklagte unschuldig ist, verurteilt werden.
Das geschieht in Deutschland oft, falls nicht täglich mehrmals.
Das wissen alle Strafverteidiger und alle Strafrichter.
Niemand von denen hat damit ein Problem. Das Gesetz sieht das ja so vor: Unschuldige sind zu verurteilen.
Comment by Rolf Schälike — 22.01, 2013 @ 17:13
Wichtig sind Kameras bei der Polizei! Kürzlich wurde bekannt (natürlich wieder mal Bayern), daß jemandem die Polizeiknarre an den Kopf gehalten wurde, um ihn zu einem Geständnis zu „überreden“. Der Mann hat Strafanzeige erstattet. Es wurde natürlich wie immer mit Gegenanzeigen reagiert. Also stand der Mann, das Opfer, wegen Verleumdung vor Gericht und wurde freigesprochen. Es stellte sich heraus, daß seine Angaben den Tatsachen entsprechen. Die Straftaten der „Beamten“ werden natürlich nicht erfolgt. Usus.
Wo auch immer Kameras unangebracht sind, bei der Bullerei bin ich dafür. Was sich da an Straftaten abspielen, ist für diesen Rechtsstaat nicht mehr tragbar!
Wir haben ein massives Bullenproblem auf der Weide!
Comment by Corinna — 22.01, 2013 @ 17:19
„Wichtig sind Kameras bei der Polizei!“
Vor allem, weil Polizei und Innenministerium doch sonst immer für schärfere Kameraüberwachung sind … nur bei sich selbst… -.-
Comment by Heinz — 22.01, 2013 @ 17:47
Ich verfolge gelegentlich Gerichtsverfahren und protokolliere mit. Was ich da erlebe macht mich fassungslos. Das Amtsgericht Ahrensburg ignoriert die ZPO, ignoriert Anträge und verurteilt Unschuldige ( nicht mich ). Es gab keinen Beweis für eine Vergewaltigung – nur sehr fragwürdige Zeugenaussagen eines Opfers, welches 2 Wochen nach der „schlimmen Vergewaltigung“ im Bett in der Wohnung des „Täters“ nochmals mit diesem schlief. Diesmal komplett einvernehmlich. Der Täter sagt: Ich habe nix gemnacht. Ergebnis: Urteil: 1,5 Jahre Haft auf Bewährung. Dann die Berufung in Lübeck: Der „Täter“ ruft an, könne nicht kommen. Ergebnis: Die Richterin verwirft die Berufung, der „Täter“bleibt verurteilt – Anwalt und Betreuer des „Täters“ zucken mit den Schultern. Nun das Beste: Die Richterin sagt am Schluß: Ich wollte ihn freisprechen, aber er ist ja nicht gekommen und der Gesetzgeber schreibt ja vor, dann die Berufung zu verwerfen.
Ich finds falsch und glaube auch nicht, dass die Bürger in Deutschland wollen, dass Unschuldige verurteilt werden oder verurteilt bleiben, wenn selbst die Richterin der 2.ten Instanz an die Unschuld glaubt.
So ein Zustand herrscht…nach Hitler und nach Honecker. Mich kotzt sowas an.
Comment by Klaus H. Schädel — 22.01, 2013 @ 18:04
In der Frage der zwingenden Verwerfung der Berufung gemäß § 329 I StPO dürfte eine Änderung zu erwarten sein, bedingt durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Vgl. diesen Beitrag: http://kanzleiundrecht.wordpress.com/2013/01/04/der-egmr-stellt-die-stpo-auf-den-kopf/
Comment by Osman Isfen — 22.01, 2013 @ 22:39
Hier geht – abgesehen vom Ausgangsbeitrag Herrn Stadlers, dem ich in Teilen zustimme – einiges durcheinander.
@Klaus Schädel : meinen Sie jetzt ZPO oder StPO?
@Corinna: das mit der Knarre am Kopf hat der Herr (der 17 Vorstrafen vorweisen konnte) behauptet, ob es stimmt, weiß keiner. Er wurde übrigens in derselben Verhandlung in Landshut nicht nur vom Vorwurf der Verleumdung (wegen der Geschichte mit der Knarre) freigesprochen, sondern wegen uneidlicher Falschaussage auch noch verurteilt (da er im Wiederaufnahmeverfahren nachweislich gelogen hatte). Soviel zur Frage, warum man vielleicht nicht alles blind nachplappern oder als Beleg für schreiendes Justizunrecht nehmen sollte. Kameras in Polizeifahrzeugen und -wachen hielte ich auch für sinnvoll. in den USA ist das recht verbreitet. Auf youtube findet man unter dashcam übrigens sehr viel mehr Videos, die Angriffe auf Polizisten zeigen, als umgekehrt. Aber für Sie ist das vermutlich ohnehin die lebensunwerte Bullerei, die selbst schuld ist, wenn sie abgeknallt wird (z.B. in der tube: „west memphis shooting“ oder „arkansas police officer shot dead“).
@Frank Schenk: Nein, die StPO ist von 1877 und bereits damals war die Protokollierung nur der wesentlichen Inhalte der Aussagen beim Schöffengericht vorgesehen . Übrigens gibt es in den USA z.B. zwar ein ausführliches Protokoll. Aber dafür sind die Urteile sehr knapp, da hat ein ein Todesurteil schon mal auf einer halben Seite Platz. Das liegt daran, dass die Jury den Schuldspruch in geheimer Abstimmung fällt und ihn in keiner Weise begründen muss. Und damit auch jede nachprüfbare Begründung für ein Urteil fehlt. Vermuten Sie da auch eine Herkunft aus „finsterer Zeit“ ?
Comment by klabauter — 22.01, 2013 @ 23:09
Kleine Korrektur zum Artikel des Herrn Stadler: Die Mitschriften des Beisitzers werden NICHT vom Vorsitzenden unterzeichnet und zur Akte genommen. Die Mitschriften werden nicht Aktenbestandteil.
Als Praktiker kann ich sagen, dass die wörtliche Protokollierung der Verhandlung zwar wünschenswert wäre. Derzeit ist sie aber nicht zu erwarten.
Die automatische Spracherkennung ist meilenweit davon entfernt, die stockende Aussage eines unbekannten Sprechers auch nur annhähernd fehlerfrei zu übertragen. Bei den meisten Verhandlungssälen gibt es noch nicht einmal ein funktionierendes Mikrofon/Lautsprechersystem.
Die einzige Möglichkeit wäre damit die Protokollierung durch stenographiekundige Justizbedienstete. Solche gibt es aber bisher allenfalls zufällig, da Stenographie nicht (mehr?) zur Ausbildung gehört. Neue Planstellen für solche Steno-Kräfte sind nicht zu erwarten. In der Justiz wird bekanntlich an allen Ecken und Enden gespart…
Comment by Dante — 23.01, 2013 @ 09:51
@Dante: Seltsam, denn ich habe diese handschriftlichen Mitschriften im Rahmen von Akteneinsichten schon häufiger gesehen. ;-)
Comment by Stadler — 23.01, 2013 @ 11:28
@ Dante:
Zum protokollieren bräuchte nicht mal Stenografen, sondern man könnte viel über ein normales Texverarteitungssystem schaffen.
Die Hilfsmittel sind eigentlich schon da,
„Auto Text“, Vervollständugungen und Textbausteine.
Diese müssen nur Korrekt angewendet werden und man braucht jemand der schnell tippen kann.
Wo bei die 240 / Minute, die bei Datenerfassern Standard sind dürften reichen.
Die Akkustik ist natürlich ein Problem das jeweils Lokal gelöst werden muss.
Comment by Anonymous — 23.01, 2013 @ 15:49
In einem Strafverfahren gegen mich am LG Dortmund traten sech Polizisten und eine Polizistin auf. Vorwurf: Grundlos und überraschend (niedrige Bewegungsgründe und heimtückisch) sollte ich versucht haben, die Polizistin RÜCKWÄRTS eine Treppe hinab zu stoßen. Nach meiner Lesart ist das versuchter Mord (bedingter Vorsatz), denn natürlich wäre ein Genickbruch oder eine tödliche Schädelfraktur eine mögliche Folge, mit der man rechnen muss.
Angeklagt wurde allerdings nur wg. angeblichen Widerstandes gegen die Staatsgewalt.
Erhoben wurde der Vorwurf erst, als ich Tage später Strafanzeige wg. Körperverletzung gegen die Polizisten erstattet hatte.
Dabei hatten jene Polizisten mich doch unter Vorbringung einer anderen Lüge (angeblicher Suizidversuch) doch just an dem Tage in die geschlossene Psychiatrie DO-Aplerbeck verschleppt, an dem ich die Tat an der Polizistin begangen haben sollte.
Schon damit war der Vorwurf nicht haltbar: Natürlich hätten die Dortmunder-Staatsschutzpolizisten es den Ärzten in der LWL-Klinik berichten müssen, wenn ich einen so gefährlichen Angriff auf eine Polizistin begangegn gehabt hätte – aber das fiel ihnen eben erst wesentlich später ein…
Die Polizisten widersprachen sich in allem, ich wurde freigesprochen, weil das Gericht gar nicht mehr davon ausging, dass überhaupt eine Widerstandshandlung vorgelegen habe.
Stets hatte ich Protokollierung der Zeugenaussagen beantragt (schriftlich). Der erste Antrag wurde mit dem Hinweis auf eine BGH-Emtscheidung abgeschmettert, nach der es auf den genauen Wortlaut nicht ankomme. Und protokolliert wurde überhaupt nichts.
Ab dem zweiten schriftlichen Antrag enthielten meine Anträge stets den Hinweis, dass es zwar auf den genauen Wortlaut nicht ankommen möge, aber jedenfalls auf den Inhalt. Auch diese Anträge wurden mit der Begründung abgeschmettert, dass es nach BGH-Entscheidung auf den genauen Wortlaut nicht ankomme.
Das ist keine Justiz. Das ist ein Verbrechersyndikat.
Comment by Winfried Sobottka — 24.01, 2013 @ 02:53
Dito Herr Sobottka.
Auf die völlig unzureichende Trennung der drei Gewalten ist leider nicht weiter eingegangen worden.
Doch wer sich mal eine Abschlussfeier der zukünftigen Rechts- oder soll ich schreiben Unrechtsvertretenden angeschaut hat, muss sich angewidert abwenden, wie wir seinerzeit. Und nicht nur bei Bossi nachlesen, auch bei Mark Beneke z.B., oder bei Ex LG Chef Wassermann und bei vielen Anderen ist zu erkennen das es schon lange nicht mehr um Recht geht, sonden wer es am Besten verdrehen kann und bzw. oder das meiste Geld hat.
Zum Polizisten unter den Kommentatoren sei gefragt, warum es so viele Videos von Gewalt gegen Polizei gibt, vielleicht weil so viele andere verschwinden, und warum die Polizei sich dagegen wert sich zu kennzeichnen, egal ob mit Namen oder Nummer…
Von schlechtem Gewissen können wir ja nicht reden, oder?
Es wird endlich wieder Zeit das die Gewalt wirklich vom Volk ausgeht…
Comment by PetRa — 24.01, 2013 @ 12:08
Wenn die Polizei keine Hemmungen hat, vor laufenden Kameras bei Demos mit Springerstiefeln auf am Boden liegende Menschen einzutreten, auf sie einzudreschen, liegt das daran, daß sie anonym bleiben können.
Bullen sind zu kennzeichnen. Ich plädiere für eine gelbe Ohrmarke, wie es sich für Bullen gehört. Dann weiß man doch, von wem man zusammengeschlagen, vergewaltigt, gedemütigt, drangsaliert, gefoltert, bedroht, beleidigt und verleumdet wurde.
Deutsche Bullen sind mit Marken zu versehen und an die Kette zu legen. In Bayern vor allem, wo sich einige Beamte anscheinend zuviele TV-Sendungen reingezogen haben, in denen Bullengewalt als besonders „cool“ und völlig normal dargestellt wird. Den Schuh dürfen sich die Kack-Sender anziehen!
Ein Thema, bei dem ich hochkoche wie ein Ofen!
Comment by Corinna — 25.01, 2013 @ 14:46
Guten Tag,
Herr RA Thomas Stadler,
Ihre wohlmeinende Absicht bestreite ich ebenso wenig wie das „minimal requirement“, wenigstens ordentlich (auch durch Video als ´technische Möglichkeit´) zu protokollieren als Mindeststandard anstatt die „freie“ berufsrichterliche Beweiswürdigung fröh´lich Urständ´ feiern zu lassen.
Ohne Ihnen jetzt (das wäre nicht fair) spezielle „Fälle“ aus dem Archiv meines weiland online-Magazins für Menschen und Bürgerrechte http://rechtskultur.de umme Ohrn zu haun – auch diese Forderung greift zu kurz. Und verkennt den systemischen Charakter der Krux im Strafrecht, das der soziologische Gründer, viel klarer als sein „follower“ Ralf Dahrendorf mit der zentralen-Rolle-der-Staatsanwaltschaft-im-deutschen-Strafverfahren-These (1965), vor 110 Jahren schlicht so beschrieb ( http://duckhome.de/tb/archives/8852-ZWANGSGEWALT.html ):
„Im Strafrecht setzt sich die Zwangsgewalt des Staates, um den bestehenden öffentlichen und privatrechtlichen Zustand aufrecht zu erhalten, am unmittelbarsten der Freiheit des einzelnen entgegen.“
Sie kommentierten in Ihrem Blog auch (mehr oder weniger) kritisch das im Wortsinn verrückte Mollath-Verfahren (seit 2004). Darf ich Ihr besonderes Augenmerk auf die Bedeutung des fiktiven, vom Herrn Vorsitzenden Landesgerichter Otto Brixner im (allein von ihm unterschriebenen) Urteil vom 8. 8. 2006 fingierten, Mollath-Freispruch, der siebenjähriges Wegsperren, davon drei Jahre härteste bayrische Geschlossene, bewirkte, lenken?
Der aktuelle „Fall Mollath“ erinnerte (mich) an eine scheinbare logische und historische Banalität: sollte es so sein, daß formell freigesprochen wird und materiell schuldig, daß dieses rechtskräftig ist und rechtswissenschaftlich gerechtfertigt wird, dann entspricht´s der (spät)mittelalterlichen Logik von Hexenverfolgung und Hexenprozessen gegen „weise Frauen“ (und engagierte Männer) und wirkt wie „gesetzliches Unrecht“ (Gustav Radbruch 1946).
Das heißt erstens: innert der letzten etwa vier Jahrhunderte hat sich erstens dieser Teil der Menschheit in diesem Weltteil nicht humanisiert; von einer Zivilisationsfunktion des (Straf-) Rechts kann keine Rede sein. Und das meint zweitens: diese Justiz als zentraler antihuman-unmenschlicher Erzwingungsstab des Staates ist von innen nicht reformierbar. Sondern kann nur von außen gebrochen und zerstört werden.
Und sollte es denn je bei diesem Schätzchen deutscher Herrschaft, Rechtsunordnung und Justitia „zur Sache“ gehen, dann gehn Sie bitte davon aus, daß Werner Enkes Prognose (1967) zutreffen wird:
„Es wird böse enden …“ (http://www.wernerenke.de/ ).
Mit freundlichem Gruß
Dr. Richard Albrecht, 270113
http://eingreifendes-denken.net
Comment by richard albrecht — 28.01, 2013 @ 08:06
Guten Tag,
Herr RA Thomas Stadler,
Ihre wohlmeinende Absicht bestreite ich ebenso wenig wie das „minimal requirement“, wenigstens ordentlich (auch durch Video als ´technische Möglichkeit´) zu protokollieren als Mindeststandard anstatt die „freie“ berufsrichterliche Beweiswürdigung fröh´lich Urständ´ feiern zu lassen.
Ohne Ihnen jetzt (das wäre nicht fair) spezielle „Fälle“ aus dem Archiv meines weiland online-Magazins für Menschen und Bürgerrechte http://rechtskultur.de umme Ohrn zu haun – auch diese Forderung greift zu kurz. Und verkennt den systemischen Charakter der Krux im Strafrecht, das der soziologische Gründer, viel klarer als sein „follower“ Ralf Dahrendorf mit der zentralen-Rolle-der-Staatsanwaltschaft-im-deutschen-Strafverfahren-These (1965), vor 110 Jahren schlicht so beschrieb ( http://duckhome.de/tb/archives/8852-ZWANGSGEWALT.html ):
„Im Strafrecht setzt sich die Zwangsgewalt des Staates, um den bestehenden öffentlichen und privatrechtlichen Zustand aufrecht zu erhalten, am unmittelbarsten der Freiheit des einzelnen entgegen.“
Sie kommentierten in Ihrem Blog auch (mehr oder weniger) kritisch das im Wortsinn verrückte Mollath-Verfahren (seit 2004). Darf ich Ihr besonderes Augenmerk auf die Bedeutung des fiktiven, vom Herrn Vorsitzenden Landesgerichter Otto Brixner im (allein von ihm unterschriebenen) Urteil vom 8. 8. 2006 fingierten, Mollath-Freispruch, der siebenjähriges Wegsperren, davon drei Jahre härteste bayrische Geschlossene, bewirkte, lenken?
Der aktuelle „Fall Mollath“ erinnerte (mich) an eine scheinbare logische und historische Banalität: sollte es so sein, daß formell freigesprochen wird und materiell schuldig, daß dieses rechtskräftig ist und rechtswissenschaftlich gerechtfertigt wird, dann entspricht´s der (spät)mittelalterlichen Logik von Hexenverfolgung und Hexenprozessen gegen „weise Frauen“ (und engagierte Männer) und wirkt wie „gesetzliches Unrecht“ (Gustav Radbruch 1946).
Das heißt erstens: innert der letzten etwa vier Jahrhunderte hat sich erstens dieser Teil der Menschheit in diesem Weltteil trotz Formenwandel im Kern nicht humanisiert; auch kann von einer Zivilisationsfunktion des (Straf-) Rechts keine Rede sein. Und das meint zweitens: diese Justiz als zentraler antihuman-unmenschlicher Erzwingungsstab des Staates ist von innen nicht reformierbar. Sondern kann nur von außen gebrochen und zerstört werden.
Und sollte es denn je bei diesem Schätzchen deutscher Herrschaft, Rechtsunordnung und Justitia „zur Sache“ gehen, dann gehn Sie bitte davon aus, daß Werner Enkes Prognose (1967) zutreffen wird:
„Es wird böse enden …“ (http://www.wernerenke.de/ ).
Mit freundlichem Gruß
Dr. Richard Albrecht, 270113
http://eingreifendes-denken.net
Comment by richard albrecht — 28.01, 2013 @ 13:20