Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.11.12

Überwachungsbefugnisse im Thüringischen PAG z.T. verfassungswidrig

In Thüringen wurde das Polizeiaufgabengesetz (PAG) 2008 im Hinblick auf die Befugnisse der Polizei zur heimlichen Erhebung von Daten neu geregelt und erweitert. Es geht hierbei u.a. um den Einsatz verdeckter Ermittler, das Abhören von Telefonaten sowie die optische und akustische Wohnraumüberwachung.

Diese Neuregelungen sind vom Thüringischen Verfassungsgerichtshof mit Urteil vom heutigen 21.11.2012 (Az.: VerfGH 19/09) überwiegend für verfassungswidrig erklärt worden. Die Entscheidung wirft sicherlich auch die Frage der Verfassungswidrigkeit ähnlicher Regelungen in den Polizeiaufgabengesetzen anderer Bundesländer auf.

In der Pressemitteilung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs heißt es u.a.:

Insbesondere bleibt unklar, inwieweit nach der Vorstellung des Gesetzgebers Berufsgeheimnisträger von polizeilichen Maßnahmen ausgenommen bleiben sollen. Ebenso unzureichend sind die Befugnisse zu heimlichen Datenerhebungen geregelt,
die der Verhütung von Straftaten dienen. Hier reicht es nicht aus, auf einen Katalog von Strafrechtsnormen zu verweisen. Der Charakter der Gefahrenabwehr als Rechtsgüterschutz verlangt insoweit, dass diese polizeilichen Befugnisse das geschützte Rechtsgut und den Grad seiner Gefährdung eindeutig erkennen lassen.
Der durch die Menschenwürde gebotene Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist lückenhaft ausgestaltet worden. Bei der Überwachung der Telekommunikation und der Erhebung von Daten mit besonderen Mitteln (z. B. beim Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb einer Wohnung) fehlt eine umfassende und eindeutige Vorschrift, dass im Fall der Verletzung des Kernbereichs die Maßnahme abzubrechen ist. Ebenso hat der Gesetzgeber es unterlassen, die Polizei zu verpflichten, die Tatsache der Erfassung und die Löschung aller kernbereichsrelevanten Daten zu protokollieren. Die Dokumentation ist für den Betroffenen unabdingbar, um eine Verletzung seiner Rechte vor den Gerichten geltend zu machen. Zudem ist der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht geworden, soweit er die nachträgliche Benachrichtigung über heimliche Überwachungen geregelt hat. Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben der Polizei, von der Unterrichtung abzusehen, wenn sie den weiteren Einsatz einer verdeckt ermittelnden Person (z. B. eines verdeckten Ermittlers oder einer Vertrauensperson) beabsichtigt. Diese Regelung lässt außer Acht, dass jeder, der von einer heimlichen Überwachung betroffen ist, einen grundrechtlich gesicherten Anspruch hat, nach Beendigung der Maßnahme von dem Eingriff in seine Privatsphäre informiert zu werden. Ausnahmen müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten und im Hinblick auf die Schwere des Grundrechtseingriffs eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ermöglichen.

posted by Stadler at 17:05  

4 Comments

  1. Werden eigentlich die für das PAG verantwortlichen Politiker vom Verfassungsschutz überwacht?

    Comment by Michael — 21.11, 2012 @ 17:25

  2. @Michael: Nein, der Verfassungsschutz ist ganz dem Finanzieren und Organisieren von Neonazi-Umtrieben gewidmet.

    Comment by Volker Birk — 21.11, 2012 @ 20:25

  3. Ein wahrhaft (und zurecht) vernichtendes Urteil vom VerfGH.

    Comment by SC — 21.11, 2012 @ 21:41

  4. Befürchter staatlicher Maßnahmen sollten sich im Netz Wanzensucher besorgen, um ihre Wohnung sauber zu halten. Die meisten Wanzen und Kameras werden mittels Wohnungseinbruch von den Behörden installiert. Den Einbruch bekommt man nicht mit, da spezielle Mittel zum Türschlossknacken genutzt werden. Da hilft nur Gegenwehr mittels hervorragender Aufspürgeräte oder das gute, alte Tesafilm. Desweiteren sollten sich Betroffene selber die Wohnungen mit Kameras ausstatten. Ist doch nett, die staatlichen Einbrecher bei der Arbeit zu beobachten. Richtig witzig.

    Aus dem Osten kam noch nie was Gutes, hat meine Oma immer gesagt. Sie hat bis heute recht.

    FG

    Comment by Ulf — 25.11, 2012 @ 13:53

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