Das Spannungsverhältnis von Freiheit und Konzernmacht
Es ist mit Sicherheit nur Zufall, dass Sibylle Berg (SPON) und Miriam Meckel (SZ) zeitgleich zwei Meinungsbeiträge mit den ähnlichen Titeln „Die Lüge von der großen Freiheit“ und „Wo im Internet die Freiheit endet“ und ähnlich pessimistischem Grundtenor veröffentlicht haben. Beiden geht es um die Macht großer IT-Unternehmen wie Apple und Google.
Die Dominanz einiger US-Konzerne im Netz ist ein ernsthaftes Problem, aber der mediale Umgang damit ist es nicht minder, wie die Texte von Berg und Meckel belegen.
Wenn Sibylle Berg anführt, dass niemand mehr wisse, wie ein PC funktioniert und, dass dies zur Abhängigkeit von Konzernen wie Apple und damit zur Unfreiheit führe, reibt man sich angesichts dieser Argumentationslinie doch einigermaßen erstaunt die Augen. Letztlich kritisiert Berg die arbeitsteilige Gesellschaft, die dazu geführt hat, dass wir von den Produkten die wir kaufen nicht mehr wissen wie sie funktionieren oder wie sie hergestellt werden. Wer von uns weiß schon genau wie ein Auto oder ein Fernseher funktioniert, oder wie die Nahrungsmittel aus dem Supermarkt hergestellt werden? Sibylle Berg präsentiert uns einen Kulturpessimismus, der sich als Freiheitsproblem tarnt. Mit dem Internet hat das aber wenig zu tun.
Der Text Meckels ist deutlich besser, enthält aber eine Reihe durchaus fragwürdiger Beispiele und Begründungsansätze. Wenn sich Meckel über iTunes beschwert und über ihre Probleme, sich beim US-Store zu registrieren, so zielt diese Kritik auf Apple. Sie verkennt dabei aber, dass es sich hier um originär urheberrechtliche Probleme handelt und nicht um das Marketingkonzept von Apple. Apple hat kein Interesse daran, die Anmeldung von Ausländern besipielsweise zum US-Store zu erschweren, es sind vielmehr das nationale Urheberrecht und die Vorgaben der Rechteinhaber, die Apple dazu zwingen.
Miriam Meckel spricht aber anschließend einen sehr wichtigen Aspekt an, von dem auch die deutsche und europäische Datenschutzdebatte geprägt ist. Es geht um die Frage der selbstbestimmten Entscheidung des Nutzers, die ihm nur dann möglich ist, wenn er über ausreichend Informationen verfügt. Datenschützer sprechen hier gerne von einer informierten Einwilligung. Danach ist eine Einwilligung in die Verarbeitung von Daten nur dann wirksam, wenn der Bürger über Umfang und Folgen der Speicherung seiner Daten ausreichend informiert wird. Und genau hier liegt der Knackpunkt der gesamten Debatte um die Macht von Konzernen wie Facebook, Google oder Apple. Das Anliegen von Google und Co. besteht darin, möglichst viele Daten seiner Nutzer speichern, verarbeiten und weitergeben zu können und gleichzeitig den Nutzer soweit wie möglich darüber im Unklaren zu lassen, was mit den Daten genau geschieht. Der Ausgleich dieses Spannungsverhältnisses gehört zu den wesentlichen Aufgaben und Herauforderungen einer globalen Netzpolitik. Das von Meckel an dieser Stelle bemühte Transparenzargument halte ich allerdings für zweischneidig. Wenn Transparenz hier zu einem Mittel der Unfreiheit wird, dann nur deshalb weil es Google und Facebook möglich ist, selbst gänzlich intransparent zu agieren. Intransparenz dient also als Mittel dazu, andere, nämlich die Nutzer, immer durchsichtiger zu machen. Auch hier ist es also mit der einfachen Aussage, dass zu viel Transparenz schädlich sei, nicht getan. An dieser Stelle brauchen wir nämlich gerade mehr Transparenz, allerdings im Bezug auf die Mechanismen von Unternehmen wie Facebook, Apple oder Google und nicht beim Nutzer.
Ja. Danke.
(Und zum letzten Aspekt: Der Umfang der Einwilligung in die Verwendung der Daten steht in den Nutzungsbestimmungen. Der Sachverhalt ist sehr klar, dass die Unternehmen damit ihre Produkte optimieren.
Das eigentliche Problem sind Juristen, die durchweg ignorieren, dass Nutzungsbestimmungen von 60 Seiten und mehr (Apple) nicht gelesen werden, geschweige denn verstanden. Wir beide haben doch selbst genug Fälle erlebt, bei denen sogar Journalisten die AGB falsch verstanden haben. Die Lösungen sind dort zu suchen, wo Juristen normalerweise nicht suchen, nämlich in Standardisierten Nutzungstypen, so dass die Texte kürzer werden.
Abgesehen davon scheint auch Juristen nicht mehr klar zu sein, dass sie in einer Fachsprache reden. Da lobe ich mir noch alte Dorfrichter wie sie im Buche stehen.)
Comment by Christoph Kappes — 5.11, 2012 @ 10:27
Mein erster Gedanke war: Jetzt bekommt Frau Berg auf die Mütze, weil sie sich erdreistet, die „Netzgemeinde“ zu kritisieren. Dann habe ich den Text von Frau Berg gelesen und war selbst erschreckt. Es klingt wie das beängstigte Krächzen einer Seniorin, die die Welt nicht mehr versteht. Sie hätte vielleicht kritisieren können, dass es im Netz keine Freiheit gibt, weil den Nutzern an vielen Stellen die Kontrolle darüber entgleitet, was mit ihren Daten geschieht. Aber Frau Berg beklagt sich tatsächlich darüber, dass sie nicht mehr versteht, wie ihr PC funktioniert. Da gehe ich mal davon aus, sie repariert ihr Auto selbst und schneidet sich den Blinddarum raus, wenn es im Bauch zwickt… So einen Quatsch habe ich auf SPON wirklich selten gelesen.
Comment by Moki — 5.11, 2012 @ 10:42
Ich glaube nicht, dass Sibylle Berg alle zu Hackern ausbilden will. Zumindest habe ich in dem Text diese Aufforderung nicht herausgelesen.
Ich habe den Artikel eher so verstanden, dass sie die Frage stellt wie sich die Nutzung des Internets durch die Konzentration auf wenige große Konzerne und Plattformen ändert. Können und kennen wir in 5 Jahren noch mehr als Facebook, Google+ und Amazon? Ich finde das ist eine durchaus berechtigt Frage.
Comment by Georg — 5.11, 2012 @ 11:08
Von Frau Berg einen freudesprühenden optimistischen Text mit fundierten Ausführungen zu „Freiheit vs. technischer Fortschritt“ zu erwarten, wäre angesichts ihrer bisher veröffentlichten Bücher(die ich durchaus schätze) verfehlt.
Comment by klabauter — 5.11, 2012 @ 14:09
Frau Berg ist Künstlerin. Wenn die eine Performance wie Andreas Gryphius macht („Es ist alles eitel!“), dann ist das nicht unter sachlogischer Rationaltät des Aristoteles zu deuten, sondern und er der ästhetisch mystischen Funktion des Kunstwerkes. Man kann Picasso nicht über die Wellenlängen seiner verwendeten Farben bei kommen. Also kann man Frau Berg auch beiseite lassen.
Bei Frau Meckel ist es in der Tat so, dass sie Alt68er Antiamerikanismus mit den Problemen des nationalen Urheberrechts in einem globalen Medium verwechselt. Das ist einfach nur schlecht analysiert. Dementsprechend mangelt es auch an klarer Schlussfolgerung. Ich hatte das Beispiel des anachronistischen nationalen Urheberrechtes auch mal am Beispiel des Sherlock Holmes und der BBC diskutiert: das Verharren in nationalstaatlichen Urheberrechten behindert sowohl den Markt und noch viel schlimmer die Ausbreitung und Nutzung von Kultur. Bei den öffentlich-rechtlichen auch noch besonders schlimm bei Produkten, die von Zwangsabgaben der Allgemeinheit finanziert werden, aber der Allgemeinheit nicht frei zur Verfügung stehen, so dass ohne Entschädigung enteignet wird.
Das informierte Selbstbestimmungsrecht der Deutschen halte ich für eine Illusion. Es ist nirgendwo global durchgesetzt. Ich kann in China, Japan, Russland, Iran oder Kuwait nicht darüber bestimmen, welche Daten von mir von wem gespeichert werden.Das ständige Verkünden, dass wir ja in Deutschland so was hätten, ist pure Blasphemie: ich kann nicht mal darüber bestimmen, was mit meinen Handydaten, meinen Bankbewegungen oder meinen Fluggastdaten passiert. Aber auch Google und Facebook wird herum gehackt, weil man das Versagen im eigenen Land kaschieren will.
Die Aussage „Das Anliegen von Google und Co. besteht darin, möglichst viele Daten seiner Nutzer speichern, verarbeiten und weitergeben zu können“ hale ich für falsche. Mir ist kein Fall bekannt, dass Google oder Facebook personenbezogene Daten weitergeben, wie behauptet (ausser an Strafverfolgungsbehörden, so wie das jeder deutsche Bundesbürger auch tut/tun muss).
Wir sollten daher nicht mit solchen Verschwörungstheorien arbeiten, dass die unsere Daten verkaufen oder wir mit unseren Daten bezahlen. Google und Facebook nutzen die Daten. In erster Linie um (kostenlos) einen stark nachgefragten Dienst zu bringen, in zweiter Linie um diesen Dienst zu finanzieren, dadurch dass sie personenbezogene Werbung in unsere Downloads einzusprenkeln. Mehr nicht.
Wir sollten also nicht weiter Illusionen verbreiten aius den 1980ern, sondern uns überlegen, wie wir Datennutzungen verhindern können, die wir nicht mögen. Wollen wir keine personalisierte Warnung, obwohl der Dienst dadurch kostenlos wird? Wollen wir zulassen, dass die Schufa mit dem Hasso Plattner Institut an einem Ort, der unserem Recht nicht zugänglich ist, öffentlich zugängliche Daten von uns zu ihren Zwecken aggregieren?
Wenn wir uns einig sind, dass wir das nicht wollen, es global umsetzen und durchsetzen können, dann braucht es keine einzelnen „Selbstbestimmungstransaktionen“ von Milliarden Menschen. Das kann man effizienter haben.
Freiheit kann auch sein, dass mein Staat mich kollektiv davor schützt, was wir alle demokratisch nicht wollen.
(Aber nachdem unser größter Freiheitskünstler auch in Bochum 25.000 € auf eigene Tasche gemacht hat, um die Konkubine zu finanzieren, hat der Begriff Freiheit noch ein gesondertes Geschmäckle :-)
Comment by Wolfgang Ksoll — 5.11, 2012 @ 22:06
„Apple hat kein Interesse daran, die Anmeldung von Ausländern besipielsweise zum US-Store zu erschweren, es sind vielmehr das nationale Urheberrecht und die Vorgaben der Rechteinhaber, die Apple dazu zwingen.“
Apple wird zu iTunes gezwungen? Durch die Rechteinhaber?
Falls Apple etwas nicht will dann macht es Apple nicht !
Apple macht Itunes! Für Itunes ist _nur_ Apple verantwortlich !
Comment by Anonymous — 6.11, 2012 @ 00:35