Verletzt die Rubrik „Stimmt’s?“ bei web.de die Rechte der ZEIT?
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.03.2012 (Az.: I ZR 102/10), das heute im Volltext veröffentlicht wurde, entschieden, dass die Bezeichnung einer Zeitungskolumne („Stimmt’s?) der ZEIT Schutz als Wertitel nach dem Markengesetz genießt. Hierzu führt der BGH u.a. aus:
Nach diesen Grundsätzen kann auch der Bezeichnung einer Kolumne, die seit vielen Jahren zu einem bestimmten Themengebiet in einer Zeitung oder Zeitschrift erscheint, Titelschutz zukommen. Der Kolumnentitel wird dann zur geschäftlichen Bezeichnung der darunter erscheinenden redaktionellen Beiträge. Die erforderliche äußerliche Selbständigkeit der Kolumne gegenüber dem übrigen Inhalt der Zeitschrift ergibt sich aus ihrer drucktechnischen Gestaltung, die sie von anderen Beiträgen abgrenzt. Nicht entscheidend ist, ob die Kolumne einen größeren oder kleineren Teil einer Zeitungs- oder Zeitschriftenseite einnimmt. Titelschutz kann für eine Kolumne auch dann bestehen, wenn sie regelmäßig nur wenige Absätze umfasst.
Dennoch war die Klage der ZEIT, die es dem Internetportal web.de verbieten wollte, unter der Bezeichnung „Stimmt’s?“ eine redaktionelle Rubrik anzubieten, beim BGH erfolglos. Denn die Rubrik „Stimmt’s“, die web.de online anbietet, ist nach Ansicht des BGH nicht mit der Kolumne der ZEIT verwechslungsfähig. Das begründet der BGH mit folgenden Erwägungen:
Auf der Grundlage einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft reichen Titelidentität und Ähnlichkeit der mit dem Titel bezeichneten Inhalte für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht aus. Denn die Art der Präsentation und die mediale Einbettung der angegriffenen Bezeichnung können eher gegen die Gefahr einer Verwechslung der beiden in Rede stehenden Titel sprechen. Es ist nicht auszuschließen, dass auch der Teil des Verkehrs, dem der Kolumnentitel „Stimmt’s?“ der Klägerin geläufig ist und dem unter dem gleichen Titel die Rubrik im Internetportal der Beklagten begegnet, wegen der unterschiedlichen medialen Einbettung mit Blick auf den deutlichen Inhaltsbezug des Titels von einer zufälligen Übereinstimmung ausgehen und nicht annehmen wird, die hier wie dort unter diesem Titel erscheinenden Beiträge seien Teil derselben Serie. Dabei ist zu berücksichtigen, dass – worauf die Revision mit Recht hinweist – die Nutzer eines Internetportals nach der Lebenserfahrung in aller Regel wissen, wessen Informationsangebot sie gerade in Anspruch nehmen.
Der BGH hat allerdings nicht abschließend entschieden, sondern an das OLG Hamburg zurückverwiesen, dessen Entscheidung er aufgehoben hatte.
Das hätte man auch mit gleicher Argumentation genau andersherum entscheiden können. Denn gerade derartige Webportale wie web.de arbeiten ja an vielen Stellen mit anderen Anbietern zusammen und beziehen deren Inhalte in ihren eigenen Auftritt mit ein. Angesichts dieser Tatsache halte ich es für falsch zu behaupten, dass „die Nutzer eines Internetportals nach der Lebenserfahrung in aller Regel wissen, wessen Informationsangebot sie gerade in Anspruch nehmen.“
Comment by RA Sebastian Dosch — 16.10, 2012 @ 11:22
Mich erinnert das an die Klage von O2 gegen den Industriegas-Hersteller Linde.
Manchem Unternehmen hat irgendwer kräftig ins Gehirn geschissen. Sollten wir von nun einen Idiotentest für Rechtsanwälte, die bei Unternehmen (einschl. RA-Kanzleien) fordern?
Comment by Bernhard Schülke — 18.10, 2012 @ 22:18
…die bei Unternehmen (einschl. RA-Kanzleien) arbeiten, fordern?
Comment by Bernhard Schülke — 18.10, 2012 @ 22:19