Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.10.12

Sollten Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte offen legen?

Wolfgang Kubicki ist FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Schleswig-Holstein und im Nebenberuf Rechtsanwalt. Im Interview mit der Welt vertritt der die Ansicht, dass es niemanden etwas angehe, was er durch seine Anwaltstätigkeit verdient.

Auch wenn ich einige der Argumente Kubicki nachvollziehen kann – wenngleich man die Eigennützigkeit seiner Argumentation nicht unberücksichtigt lassen sollte – halte ich sie im Ergebnis nicht für durchgreifend.

Die Offenlegung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten und der daraus erzielten Einkünfte ist aus zwei Gründen unabdingbar. Die Öffentlichkeit hat nämlich ein Recht darauf zu wissen, welchen Herren die gewählten Abgeordneten sonst noch dienen. Es muss erkennbar sein, welche Verflechtungen bestehen und welche wirtschaftlichen Interessen den Abgeordneten möglicherweise beinflussen. Außerdem sollte der Wähler sich ein Bild vom Umfang der Nebentätigkeit machen können, um zu sehen, ob die Nebentätigkeit nicht eher eine Haupttätigkeit ist und deshalb die ordnungsgemäße Ausübung des Mandats beeinträchtigt.

Die Abgeordneten müssen sich daran gewöhnen, dass es legitim und notwendig ist, von ihnen als Volksvertreter ein höheres Maß an Transparenz zu verlangen als von einem Normalbürger. Sie sind nunmal gewählte Volksvertreter mit ganz spezifischen Pflichten und einem hohen Maß an Verantwortung der gesamten Bevölkerung gegenüber. Dieser Umstand scheint bei einigen allerdings in Vergessenheit geraten zu sein.

Die Argumentation des Anwaltskollegen Kubicki weist auch einige interessante Brüche auf. Wenn er als Anwalt einen Vertreter einstellen muss, weil er seine Anwaltstätigkeit nicht mehr oder nur noch sehr reduziert ausüben kann, dann sollte er doch auch kein Problem damit haben, seine insoweit niedrigen Einkünfte offenzulegen. Speziell bei Anwälten, die in Parlamente gewählt werden, ist es allerdings nicht selten so, dass dadurch eine bislang vielleicht gar nicht so gut gehende Kanzlei erst richtig in Schwung kommt. Womit ich natürlich nichts über den Kollegen Kubicki gesagt haben möchte.

posted by Stadler at 22:16  

12 Comments

  1. Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.

    Hmmm… so fühlt sich das also an.

    Comment by _Flin_ — 17.10, 2012 @ 22:25

  2. Der gläserne Abgeordnete ist legitim, der gläserne Bürger nicht. Denn der Abgeordnete ist Teil der Staatsgewalt.

    Comment by Stadler — 17.10, 2012 @ 22:33

  3. Was im Fall Wolfgang Kubicki erschwerend hinzu kommt: Er ist Fachanwalt für Steuerrecht und hier speziell für Steuerstrafverfahren (sprich Steuerhinterzieher). Gibt es fachlich bestimmt nichts dagegen zu sagen.
    Wenn aber einer gleichzeitig Gesetze gegen Steuerhinterzieher als Abgeordneter vertreten muß und dann im Sinne seiner Mandanten gegenteilig tätig wird, fühlt sich das schon eigenartig an.

    Comment by Hans-Joachim Taschner — 17.10, 2012 @ 22:40

  4. „Die Abgeordneten müssen sich daran gewöhnen, dass es legitim und notwendig ist, von ihnen als Volksvertreter ein höheres Maß an Transparenz zu verlangen als von einem Normalbürger.“

    Das mag allerdings nur stimmen soweit in Arbeitsverträgen nichts anderes bestimmt ist: Angestellte im öff. Dienst müssen alle Nebentätigkeiten anzeigen. Bei den meisten Angestellten im privaten Bereich ist das nicht anders.

    Zwar darf der Arbeitgeber grds. die Nebentätigkeit nicht verweigern. Allerdings darf die Haupttätigkeit nicht beeinträchtigt sein (stichwort Übermüdung) oder es darf sich nicht um eine Konkurrenzbeschäftigung handeln.

    Beamte müssen sich sogar (fast) jede Nebentätigkeit genehmigen lassen.

    Die höhere Transparenz liegt bei den Abgeordneten nur darin, dass ihre Nebentätigkeiten der Art nach im Nachhinein ans schwarze Brett genagelt werden.

    Comment by Maik — 17.10, 2012 @ 23:17

  5. @Maik: Die (sehr eingeschränkte) Transparenz gegenüber dem Arbeitgeber ist aber etwas vollkommen anderes als eine Veröffentlichung, jedenfalls in der Wirkung, wenn auch vielleicht nicht in der Theorie, denn der „Arbeitgeber“ der Regierung bzw. der Abgeordneten ist ja quasi das Volk.

    Comment by Ein Mensch — 18.10, 2012 @ 10:16

  6. In der Schweiz haben wir ein anderes Problem. Es gibt in der Regel vier Sessionen von National- und Ständerat pro Jahr, die jeweils drei Wochen dauern – in der übrigen Zeit können Vorbereitungen, Kommissionssitzungen und andere Termine anfallen.

    Ist der Politiker kein Mitglied einer Kommission, erhält er etwa 100’000 € Entschädigung, plus rund 24’000 €, die für die Bezahlung eines persönlichen Assistenten gedacht sind.

    Und trotzdem haben die Politiker Mühe, ihren normalen Beruf mit dem Amt zu vereinen – sie geben nur selten ihren normalen Job auf, oder reduzieren das Pensum dort.

    Und was auch noch geschieht: Jeder Bundespolitiker hier ist Präsident oder Vorstandsmitglied einer Firma, eines Gewerbeverbandes und anderer Organisationen. Diese Ämter sind auch nicht schlecht bezahlt. Warum nicht jemanden in den Vorstand wählen, der Zugang hat zum politischen Geschäft?

    Ich finde, dass Politiker Nebeneinkünfte nicht offenlegen sollten – sondern dass bezahlte Nebenbeschäftigungen schlicht und einfach verboten sein sollten.

    Comment by turtle of doom — 18.10, 2012 @ 12:28

  7. In diesem Zusammenhang sei dann auch mal auf https://blog.fefe.de/?ts=ae800fe2 verwiesen.

    Comment by Drizzt — 18.10, 2012 @ 14:13

  8. Ja.

    Aber noch wichtiger wäre es, wenn sie wie im Beispiel Steinbrück auch einmal ihre Haupteinkünfte offenlegen würden.

    Comment by Volker Birk — 18.10, 2012 @ 15:20

  9. Haupteinkünfte?

    MdB auf Stundenbasis, mit Stechuhr und Präsenzkontrolle… :D

    Comment by turtle of doom — 18.10, 2012 @ 16:24

  10. Politiker sind Angestellte des Volkes. In diesem Sinne bin ich Arbeitgeber. Deswegen möchte ich schon wissen wo mein Angestellter noch seine Brötchen verdient und ob es da zu Interessenkonflikten kommt bzw. ob er noch genügend Zeit für seinen Hauptjob hat. Leider darf ich nicht entlassen.

    Comment by Martin — 19.10, 2012 @ 22:41

  11. Ein sehr bedeutendes Problem sehe ich im SPD-Vorschlag, nach dem der Auftraggeber des Einkommens genannt werden muss. Bei Anwälten würde das bedeuten, die Identität eines Mandaten offen zu legen, was natürlich nicht verlangt werden darf.

    Comment by Marc B. — 20.10, 2012 @ 16:48

  12. @Thomas @17.10.2012 @22:33: Just perfect, ’nuff said.
    ;)

    Comment by Josh@_[°|°]_ — 21.10, 2012 @ 06:05

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