Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.8.12

Schutzfristen im Urheberrecht werden verlängert

Während in der aktuellen urheberrechtlichen Diskussion immer wieder eine deutliche Verkürzung der urheberrechtlichen Schutzfristen gefordert wird, geht der Gesetzgeber den umgekehrten Weg.

Nach dem Referentenentwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes sollen die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers (§ 85 UrhG) und der ausübenden Künstler (§§ 72 ff. UrhG) von 50 auf 70 Jahre verlängert werden. Der deutsche Gesetzgeber setzt damit allerdings (nur) die Richtlinie 2011/77/EU vom 27. September 2011 über die Änderung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte, um.

Die Schutzdauerverlängerung für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller gilt übrigens für alle Schutzrechte die am 1. November 2013 noch nicht erloschen waren.

Das ist ein schönes Geschenk an die Musikindustrie, denn damit werden die großen Labels in die Lage versetzt, die immer noch umsatzstarken Alben der Künstler der 60’er Jahre wie der Beatles, Rolling Stones, Doors, Who, Jimi Hendrix oder Bob Dylan weitere 20 Jahre zu vertreiben.

Ilja Braun weist zurecht darauf hin, dass die Aussage im Gesetzesentwurf wonach „mit quantifizierbaren Auswirkungen des Gesetzes auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau“ nicht zu rechnen sei, kritisch zu hinterfragen bzw. richtig zu lesen ist. Die Bundesregierung ist offenbar nur nicht in der Lage, die Auswirkungen auf das Preisniveau zu beziffern, dass es Auswirkungen geben wird, scheint man aber auch im BMJ anzunehmen.

posted by Stadler at 11:19  

16 Comments

  1. Nichts anderes war zu erwarten.

    Ich bin der Meinung es mangelt an Vorbildern. Aus den 08/15 Medien ist mir derzeit keiner der alten Stars bekannt der sich für die Piraten, oder deren Forderungen nach einer Reform des Urheberrechts stark macht. (Wie auch, die meisten sind ja Amis…)

    Warum Fans den wenigen deutschen Stars, die es besser wissen müssten, trotz der Abmahnungen, Gängelungen und Totalüberwachungspolitik immer noch die Stange halten ist mir ein Rätsel.

    Ich hab für die Helden aus meiner Jugend heute nicht mal mehr 3€ für einen Download übrig. Sie sind es mir nicht Wert, dass ich weiter ihren scheinheiligen Phrasen von einer freien Welt Gehör schenke, die sie propagierten – und sich und andere dabei „versklaven“.

    Rocker? Künstler? Visionäre? Anarchisten?

    Der blanke Hohn ist die Koketterie mit Creative Commons bei einigen alt gedienten „Acts“, bei dem nun „freie Downloads“ die Fans von deren Integrität überzeugt werden sollen. Dabei spielen die meisten immer noch das gleiche Lied und hängen seit Ewigkeiten an der selben Nadel.

    Zum Glück gibt es genügend Musiker die zu finanzieren es sich lohnt. Denen man ihre Musik ohne DRM und Major Label, der sonst den Löwenanteil schluckte, gerne abkauft. Weil sie sich nicht nur echt und ehrlich anhören sondern auch wie ein Original verhalten.

    Mit taktvollen Grüßen,
    yt

    Comment by yt — 8.08, 2012 @ 11:40

  2. Nun gut, da haben wir alle, von Netzaktivisten bis Piraten, eben mal wieder eine EU-Richtlinie verpennt. Das kommt davon, dass sich keine Sau für das intransparente Gefrickel in Brüssel interessiert. Ansonsten kann ich dem Kommentator yt nur zustimmen. Solange die Schwarmintelligenz (das unbeliebte Wort dafür ist übrigens „Markt“) weiter fröhlich GEMA-Produkte kaufen, wird sich nichts ändern. Zu Recht.

    Comment by Daniel — 8.08, 2012 @ 12:02

  3. Ich frag mich ob sich diese immer weiter ausufernden Urheberrechte mit einer Grundrechtsargumentation kippen lassen.

    Bei bands wie den Beatles und Rolling Stones kann man ja ohne Probleme argumentieren das sie Kulturgut sind. Und um sein Recht auf Meinungsfreiheit auszuüben haben wir eben so die Informationsfreiheit. Den man braucht Informationen um sich eine Meinung Bilden zu können. Ebenso brauchen wir auch Kultur um ein Weltbild zu entwickeln das uns überhaupt erst eine Meinung entwickeln lässt. Ohne Kultur, Bücher Musik, Filme, Philosophie fällt es scher Sachverhalte in Gut und Schlecht aufteilen zu können. Urheberrecht und Leistungsschutzrecht Ja, aber in der jetzigen Form ist es nicht mehr Verfassungsmäßig und auch nicht mehr von der Gesellschaft anerkannt. Die Nazis haben ja nicht ohne Grund Bücher verbrannt und Künstler weggeschlossen. Man kann auch mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht argumentieren.

    Ein Recht auf Kultur besteht, Urheber und Hersteller haben auch ein Recht Ihre Leistungen zu verwerten aber die Verhältnismäßigkeit ist bei einer Firma ist bei so langen Schutzfristen nicht mehr gegeben.

    Comment by Mojo — 8.08, 2012 @ 12:25

  4. Wie kann man denn gegen eine Verlängerung der Schutzfristen sein? Warum bitteschön sollte denn zukünftig jeder Hinz und Kunz bspw. die Musikaufnahmen der Beatles kommerziell auswerten dürfen, obwohl er im Gegensatz zu den Inhabern der Tonträgerherstellungsrechte die betreffenden Musikproduktionen weder organisiert noch finanziert hat?

    Comment by abbey road — 8.08, 2012 @ 14:20

  5. Ich hab vor 20 Jahren mal eine Steckdose gesetzt (eingebaut und angeschlossen für Fachfremde) für 10DM. Die wird heute noch jeden Tag benutzt. Sogar von Fremden! Wieso kann ich da nicht auch 10 Cent pro Benutzung verlangen, bei der vorhandenen Verkabelung war sehr viel kreative Energie von Nöten :D

    Nein, ich untersütze das. Vollen Urheberrechtsschutz für 10000000 Jahre. Oder mehr. Kauf ich eh nicht, den Schmonzes. Keine CDs mehr seit 10 Jahren, DVDs ca. 20 in der gleichen Zeit. Austrocknen muss der Sumpf. Ich mein, die Verleger spielen quasi die Mutter Theresa der Unterhaltungsindustrie und dann kriegen die Künstler 0,01 bis 0,1 Euro pro verkauftem Lied. Letzteres sind dann aber schon die Top-Seller. Von den Grabbeltischversionen nicht zu reden. Das Meiste stecken sich doch Verleger und Handel in die Tasche.

    Ich kaufe CDs wenn überhaupt noch auf Konzerten von Bands im Direktvertrieb. Dann bleibt auch was hängen bei den Kreativen.

    Gruß

    Comment by Frank Schenk — 8.08, 2012 @ 16:36

  6. Ein absolut ehrliches Urteil und fern von allen Lobbyeinflüssen. Was liegt näher, als einem 40-jährigen Künstler Einnahmen bis zu seinem 110 Geburtstag zu sichern?

    Comment by Mark — 8.08, 2012 @ 16:39

  7. @abbey road (4):

    Also, wenn es das Studio nicht schafft, die Kosten für die Musikproduktion in 50 Jahren (!!!) wieder einzuspielen, dann schaffen die das auch nicht in 70 Jahren.

    Mal ganz davon abgesehen: bei den Beatles ist das mit Sicherheit der Fall. Und die Sache mit den „Kulturgütern“ wurde oben schon erläutert.

    Comment by Alex — 8.08, 2012 @ 16:52

  8. Als nächstes werden noch Urheberrechtsansprüche an Mozart, Beethoven und co. gestellt. Hmm soweit ich weiß, hatte Micheal Jackson sich die Rechte der Beatles-Songs gesichert gehabt. Nun lebt Jackson aber auch nicht mehr. Wieso etwas schützen wenn jmd nicht mehr lebt? Der Absatz der CD und DVD / BlueRay käuft stockt meines Wissens (muß nich korrekt sein) doch schon sehr. Die Industrie versucht doch nur durch diese Verlängerung die eigenen Fehler zu kaschieren. Die sollten sich lieber ein Vorbild an Maxdome, Simfy und iTunes nehmen. Und wenn man sich mal überlegt dass des ganze kopiere schon vor 30 Jahren lief, hat die Industrie gepennt.
    Wie schon wer sagte, vor 70 Jahren wurden Bücher verbrannte, Künstler weggesperrt. Ist es heute groß anders? Gibt es noch unabhängige Bildung? Gibt es noch eine freiwählbare Kultur?
    Urhebergesetz ja, aber 70 Jahre etwas zu verlängern mit der Option es weiter verlängern zu können ist in meinen Augen dreist und wir stehen doch schon wieder mit einem Fuß in den 1930er / 1940ern wo in ähnlicher Form mit Kultur umgegangen wurde. Traurig aber wahr.

    Comment by JD — 8.08, 2012 @ 17:13

  9. Michael Jackson hatte sich einen Teil der Verlagsrechte gesichert. Das hat mit den Masterrechten, also den Rechten an der Tonaufnahme,um die es hier geht, überhaupt nichts zu tun. Der Verleger hält Rechte an Komposition und Text. Die Urheberrechte sollen hier aber gar nicht verlängert werden, sondern das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers, also das Recht an der konkreten Tonaufnahme.

    Und was haben die vermeintlich sinkenden Absatzzahlen mit den Schutzfristen zu tun? Bei sinkendem Absatz sollen die Rechte an den Aufnahmen früher auslaufen, was ist das denn für eine Logik? Kürzerer Schutz für Nischenprodukte, mit denen man ohnehin weniger einspielt, längerer Schutz für Mainstreamkram á la Dieter Bohlen? Damit willst Du die unabhängige Kultur fördern?

    Und wieso Vorbild an Simfy und i-Tunes nehmen? Die sind doch keine Konkurrenten der Tonträgerhersteller, im Gegenteil nutzen sie doch genau das Produkt, an dem die Tonträgerhersteller (noch) die Rechte haben, nämlich die Tonaufnahmen. Und zahlen auch dafür. Aber natürlich nur so lange, wie die Tonträgerhersteller auch die Rechte hieran haben.

    Comment by abbey road — 8.08, 2012 @ 17:35

  10. 70 Jahre sind in den allermeisten Fällen soo lang dass der produzierende Künstler längst tot ist und neben den Labels folglich höchstens seine Erben noch davon profitieren.

    Comment by irgendeiner — 8.08, 2012 @ 17:46

  11. Sry liebe Industrie, ich zahle meinen Kulturkonsum mit meiner begrenzten Aufmerksamkeit. Da haben jetzt eine Menge Youtuber gewonnen und die Gema hat ihre Kunden zu Loosern gemacht. Ob die nun 50 Jahre zu den Loosern zählen oder 70 Jahre, egal!

    Comment by Christian — 8.08, 2012 @ 19:48

  12. Benutzer sputnik1969 hat es im Forum bei heise.de auf den Punkt gebracht — und dafür zu Recht fleissig „grün“ bekommen –, ich darf der Bequemlichkeit halber einen Link setzen:
    http://www.heise.de/newsticker/foren/S-Verlaengerung-der-Rentenbezugszeit-bis-70-Jahre-nach-dem-Tod/forum-234958/msg-22245466/read/

    Comment by Josh@_[°|°]_ — 8.08, 2012 @ 21:46

  13. @12: Na ja, ganz treffend ist es nicht, weil es hier *nicht* um das Urheberrecht der Komponisten und Textdichter geht (Geltung: Tod plus 70 Jahre), sondern um das Leistungsschutzrecht an Tonaufnahmen (Geltung: Aufnahme/Erstveröffentlichung plus 50, künftig 70 Jahre). Man muß also fairerweise zugestehen, daß ein Sänger den Ablauf seines Leistungsschutzrechts durchaus noch erleben kann. Wenn auch künftig deutlich seltener.

    Comment by chi — 9.08, 2012 @ 16:44

  14. Ist es nicht intuitiv einsichtig (oder war das Wort „bezeichnend“), dass unsere Gesetzgeber einem Auftritt/einer Aufnahme von Atze Schröder oder Micky Krause dreieinhalb Mal mehr „Wert“ zugestehen als einem Medikament gegen die Pocken oder Krebs?

    Comment by _Flin_ — 9.08, 2012 @ 16:46

  15. exactly the same words as in the Referententwurf can be read in a Report of the European Commission http://derechomercantilespana.blogspot.com.es/2011/11/viene-de-esta-otra-entrada-y-para-que.html

    Comment by jesus alfaro — 9.08, 2012 @ 18:19

  16. Mick Jagger war „Berater“ des Ausschusses…. War klar, was dabei ‚rauskommen musste. Ein Mitglied schrieb mir, dass dadurch zuküftig ja auch Studiomusiker besser gestellt wären. Das war nur ein Beispiel für die Ahnungslosigkeit derjenigen,
    die für Deutschland mit diesem Thema beschäftigt waren. Aber ein Handybild „Mick Jagger und ich“ ist natürlich mehr wert als Einwände von Leuten aus der Branche, die nicht zur Industrie gehören….
    Ich habe noch eine Frage: wie kommt das Datum 1.11.13 zustande ?

    Comment by Pete Matthias — 27.01, 2014 @ 16:02

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