Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.8.12

Der Koordinator Softwarentwicklung beim BKA sollte Beamter sein!

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 26.06.2012 (Az.: 13 Sa 51/12) entschieden, dass für den Posten eines Koordinators Softwarentwicklung beim BKA eine Beschränkung des Bewerberkreises auf Beamte zulässig ist, weil die Stelle unter den sogenannten Funktionsvorbehalt des Artikel 33 Abs. 4 GG fällt. Nach dieser Vorschrift des Grundgesetzes ist die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beschäftigten zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehem, sprich Beamten.

Diese Einschätzung finde ich insofern bemerkenswert, weil man ansonsten keine Probleme damit hat, die Entwicklung eingriffsintensiver Software, wie beispielsweise beim sog. Behördentrojaner geschehen, vollständig privaten Softwareklitschen zu überlassen, die dann auch noch Programme von eher zweifelhafter Qualität abliefern.

posted by Stadler at 18:15  

4 Comments

  1. Äpfel/Birnen: Letztlich geht es darum, dass derjenige, welcher über hoheitliche Befugnisse verfügt (und somit ggf. auch über den Einsatz o.a. Software bestimmt) und Entscheidungen verantwortet, den Beschränkungen und zusätzlichen Pflichten (z.B nach BeamtenG) unterliegt. Insofern scheint mir die Entscheidung sinnvoll zu sein.

    Comment by Harald Maedl — 30.08, 2012 @ 18:27

  2. Das ist ein Urteil, wo mit schönen Worten die Ämterpatronage legalisiert wird. Sachlich ist in dem Urteilstext grober Unfug, wie wir am Scheitern der INPOL-neu Entwicklung 2001 durch Beamte sehen konnten (oder auch bei Fiscus, wo 250 Millionen DM durch Beamte in den Teich gesetzt wurden, wo man sich auch auf hoheitliche Aufgaben berief, aber dann mit der komplexen Softwareentwicklung für Bund und Länder nicht zurecht kam, da Softwarenentwicklung kein Ausbildungsgegenstand beamtenrechtlicher Ausbildung ist).

    Auch der Hinweis auf Programm- und Projektmanagement ist sachfremd. Projektmanagement-Skills sind auch nicht Teil beamtenrechtlicher Ausbildung. Anders als in UK z.B. sind nicht mal Zertifikate nach PRINCE2 oder von mir aus PMI notwendig. Den Unterschied sieht man z.B. beim Queen-Dienstjubliäum und den olympischen Spielen auf der einen Seite mit PRINCE2-geschulten Mitarbeiter und dem Berliner Flughafen auf der anderen Seite, wo es Beamte in BMVBS, Land Berlin und Land Brandenburg verkackt haben.

    Auch bei INPOL-neu ist es zynischerweise so, dass zur Sanierung der durch Beamte verkackten Entwicklung der Harald Lemke geholt wurde, der nach seinem Job im BKA als INPOL-Sanierer als Staatssekretär nach Hessen ging (und dann zu McKinsey und Post).
    http://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Lemke

    Der Kläger war seit fast 30 Jahren öffentlich Beschäftigter (und nicht externer privater Beschäftigter wie bei der Trojaner-Firma).
    Hier von Privatrecht zu sprechen ist leicht skurril.

    Würde man das Urteil nicht für lediglich eine Legalisierung der Ämterpatronage und des Mobbing halten, würde es zum Beispiel für Lehrer eng. Da haben wir Beamte und Angestellte nebeneinander mit identischen Aufgaben, auch hoheitlichen.

    Der Urteilstext zeigt in weiten Bereich, dass die Richter sachunkundig sind und auch sich nicht mit der Geschichte von INPOL befasst haben. In weiten Teilen wurden auch sachunkundig einfach vorgelegter Text der beklagten Partei sachunkundig übernommen.

    Beispiel:
    „Die betroffenen IT-Systeme bestünden aus komplexen Rechenanlagen mit hochredundanten Einrichtungen zur gegenseitigen Absicherung“

    Ja, so steht es in den Prospekten der Beamten. Als 2001 INPOL-neu in Wirkbetrieb ging, hatten die Beamten vier Wochen vor going-live noch nicht entschieden, ob die Ausfallsicherheit schon durch redundante Rechner an zwei Standorten über die Netzwerkschicht erzeugt werden sollte, oder durch Ausfallsicherheit an einem Standort mit redundanten Rechnern (zum Beispiel gespiegelte High-Availability-Systeme) oder auf der Ebene der Datenbank oder auf der Ebene wenigstens der Festplatten RAID1 z.B.).

    So schlampig wie die Beamten geplant hatten, kam es dann auch: das System war nicht lauffähig. Schily hat es durch Lemke neu aufsetzen lassen.

    Zudem hatten sich die Beamten nicht einigen können, ob man ein System mit vielen Transaktionen haben wollte, wie die Polizisten in Thüringen dringend forderten für Verkehrskontrollen (gestohlene Autos und Führerscheine, viele kleine Transaktionen) oder ob man es als Datawarehouse zur forensischen Forschung und Sozialhygiene wie es Horst Herold schon als INPOL-neu konzipiert hatten und seine verbeamteten Adlati verbotswidrig weiter vorantrieben. Auch das führte zum Scheitern des Gesamtsystems. Aber es war ein kleinerer Schaden als bei der Finanzverwaltung mit FISCUS. Man setzte nur 150 Mio DM in den Teich.

    Das Urteil zeigt nur, dass die Richter mit der Materie völlig überfordert sind, abstrakte theoretische Postulate aufstellen, die sich mit Empirik nicht belegen lassen.

    Also nur ein Persilschein für Ämterpratonage und Mobbing. Das ist das, was das BKA zermürbt und versagen lässt. Der aktuelle BKA-Präsident macht auch lieber zusammen mit Ursula von der Leyen verbotene Kinderpornografievorführungen für Journalisten, um die Totalüberwachung des Internets zu begründen, anstatt ordentlich Mörder zu jagen. Das hat er von Horst Herold geerbt: der hat sich auch lieber mit seiner BS2000-Anlage der Sozialhygiene gewidmet, anstatt seinen Saustall so zu organisieren, dass primitive Meldungen wie der Aufenthaltsort der Schleyer-Entführer nicht zur Einsatzleitung gelangten und die Terroristen ungestört Hans-Martin Schleyer ermorden konnten. Herold mit seinem Opfer Schleyer und Ziercke mit seinen NSU-Toten sind beide Beamte und spielen beide gerne mit Computer ohne große Sachkunde. Und haben ihre Leichen nicht im Keller, sondern auf der Straße, wo sie tatenlos den Morden zuschauten.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 30.08, 2012 @ 19:25

  3. Willkommen im Internet, Wolfgang. Aber leider: tl;dr.

    Comment by Leser — 30.08, 2012 @ 20:00

  4. Auch wenn es zu lang werden könnte und Twitter-User damit potenziell überfordert sind, hier noch eine Ergänzung zum BKA:

    Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik, dass 1990 aus der Abteilung 6 des Bundesnachrichtendienstes (unter Protest der GRÜNEN) gegründet wurde, hatte bisher eine Doppelrolle. Einerseits sollte es die Bürgerschützen durch Zertifizierung sicherer Produkte, andererseits sollte es eine Sicherheitsbehörde sein und andere Sicherheitsbehörden unterstützen. Das führt zu einem Zielkonflikt: man kann nicht gleichzeitig die Bürger vor Trojanern schützen und dem BKA bei der Einschleusung von Trojaner helfen. Zumindest nicht seriös. Dieser bisher geduldet Zielkonflikt führt jetzt zunehmend zu Unmut:

    So berichtet der Behördenspiegel Online, dass die Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe in das Cyberanwehrzentrum (unter verdeckter Mitarbeit des Verfassungsschutzes) nicht performen. Deshalb soll jetzt die Aufgabe zum BKA verschoben werden.
    „Der Cyber-Sicherheit zuliebe“
    http://www.daten.behoerdenspiegel.eu/nl/nl563.pdf

    Und in allen drei Institutionen (BSI, BKA, BfV) sind es Beamte, die hoheitliche Aufgaben zugewiesen bekommen und nicht lesiten können. Bei INPOL nicht und beim Cyberabwerhzentrum nicht.

    Und wie bei der Bundeswehr, wo Massaker an Zivilisten mit hunderten von Toten wie in Kunduz mit Beförderung zum General belohnt werden, so bekommt Herr Ziercke nach seinem öffentlich eingestandenen Versagen bei der NSU-Fahndung eine Vertragsverlängerung statt ob der Toten durch sein Versagen gefeuert zu werden.

    Die arbeitsrechtliche Rechtssprechung des hessischen Landesarbeitsgerichtes ist daher nicht nur weltfremd, sondern auch für die Bürger lebensgefährlich. Wenn weiter nicht nach Leistung und Qualität sondern nach unevaluiertem Status bestallt wird, werden wir uns weiter an Tote durch Beamte gewöhnen müssen wie in Kunduz und Versagen in Wiesbaden.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 31.08, 2012 @ 15:12

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