Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.8.12

Der Filesharing-Pranger

Die Regensburger Abmahnkanzlei Urmann & Collegen erregte vor einiger Zeit Aufsehen damit, dass sie Forderungen aus zweifelhaften Filesharingabmahnungen, die sie selbst nicht eintreiben konnte, durch das Inkassounternehmern Debcon geltend machen ließ.

Vor einigen Wochen hat die Kanzlei auf ihrer Website dann angekündigt, dass sie ab 01.09.2012 „Gegnerlisten“ im Netz veröffentlichen will. Das bedeutet, die Abgemahnten sollen namentlich genannt werden. Nach einem Bericht des Regensburger Wochenblatts wollen Urmann & Collegen mehr als 150.000 (!) Namen von Abgemahnten auf diese Weise öffentlich machen.

Dieses Vorhaben ist auch deshalb besonders pikant, weil die Betroffenen dadurch nicht nur öffentlich als Urheberrechtsverletzer an den Pranger gestellt werden, sondern in vielen Fällen auch als Konsumenten von Pornofilmen. Denn zahlreiche Abmahnungen der Regensburger Anwaltskanzlei betreffen den Erotiksektor und stammen u.a. von der Fa. DigiProtect.

Urmann & Collegen berurft sich zur Rechtfertigung auf eine Entscheidung des BVerfG, die die Veröffentlichung von (gewerblichen) Gegnern aus dem Bereich des Kapitalanlagerechts unter dem Aspekt der Berufsfreiheit für zulässig erachtet hat. Dass sich diese Rechtsprechung auf Privatpersonen übertragen lässt, deren vermeintlicher Pornokunsum dadurch öffentlich gemacht werden soll, darf bezweifelt werden. Denn die Ankündigung der Regensburger Massenabmahner betrifft das Persönlichkeitsrecht derartiger Gegner in ihrer Privat-, wenn nicht gar Intimsphäre. Damit ist allerdings dann eine ganz andere verfassungsrechtliche Abwägung verbunden, als bei Unternehmen. Die gezielte Erzeugung einer derartigen Prangerwirkung ist nicht nur zivilrechtlich unzulässig, sondern dürfte sich auch strafrechtlich zumindest im Grenzbereich zur Nötigung bewegen.

 

posted by Stadler at 22:21  

21 Comments

  1. Ein Punkt fehlt dabei aber ganz: Die Namen sind die Namen der Anschlussinhaber – wenn überhaupt-, nicht der Raubmordkinderschänderterroristenkopierer

    Comment by Andreas — 16.08, 2012 @ 22:42

  2. Es fehlt an rechtlichen Mitteln, solche Wichte in die Schranken zu weisen. Wo bleiben punitive damages, wo bleiben die Sammelklagen?

    Comment by Peter Hense — 16.08, 2012 @ 22:47

  3. Sollte die Ankündigung alleine nicht schon ausreichend sein, um eine Unterlassungsverfügung erwirken zu können? Die kosten von auch nur ein paar tausend. Verfügungen könnten ja schon recht eindrucksvoll sein ;)

    Comment by Johannes — 16.08, 2012 @ 23:17

  4. Schneiden sich die Collegen damit nicht ins eigene Fleisch? Wenn sie selbst zugeben, mehr als 150.000 angebliche Urheberrechtsverletzer abgemahnt zu haben, kann doch von individuellen Fällen, die eine Gebührenrechnung nach Einzelfall-Tarif rechtfertigen, nicht mehr die Rede sein.

    Comment by Hajo — 17.08, 2012 @ 00:19

  5. Das sind ja geniale Nachrichten. In 150’000 Fällen auf Unterlassungen klagen.

    Welche rechtliche Form hat Urmann & Collegen eigentlich? Hoffentlich dieselbe wie Schlecker… byebye, ihr Möchtegernraubkopierverbrechensbekämpfungshelden!

    Comment by turtle of doom — 17.08, 2012 @ 01:14

  6. Oh, nein.
    An den Pranger gestellt als
    * Konsument von Pornofilmen
    * Urheberrechtsverletzer

    Zwei verwerfliche, geradezu abstoßende Vergehen, die nur von einigen völlig degenerierten Individuen begangen werden.
    Vereinzelte, aus der zivilisierten Gesellschaft herausgefallene Unmenschen.

    Gehen wir mal an einen belebten Platz oder meinetwegen in ein Einkaufszentrum und bitten von den Anwesenden diejenigen, die noch nie einen Porno gesehen oder eine Urheberrechtsverletzung begangen haben, die Hand zu heben.
    Das wird wohl kaum was mit einer Laola-Welle.

    So abstoßend ich die Idee der „Gegnerlisten“ finde, so lächerlich finde ich, daß man im 21. Jhdt. wegen erwähnter „Vergehen“ an einen Pranger stellen kann.

    Oh nein, Mami, ein Pornogucker! Igitt!
    Und der hat auch noch nen Song von Lady Gaga runtergeladen!
    Die Sau!

    Comment by Stefan — 17.08, 2012 @ 01:39

  7. Und solange die Juristerei sich nicht von solchen Subjekten säubert (Gravenreuth war da ja etwas mutiger), wird sie ihren unterirdischen Ruf noch lange genießen. Von Buske et al möchte ich da gar nicht erst anfangen.

    Comment by Hardy — 17.08, 2012 @ 08:33

  8. Das ist ja witzig, die scheinen ja aufgepasst zu haben, was so im Welt(steuer)geschehn vor sich geht.

    Ich erinnere hie mal an die sogenannten Steuersünder (Cd`s), auweia, als das publik wurde haben sich sofor x-Steuersünder selbst angezeigt.

    Ich würde mir darüber als Abgemahnter von U&c keine Gedanken machen, dass werden die ungestraft nicht durchziehen können (wollen).

    Es ist immer das selbe Spiel; Das Spiel mit der Angst.

    Comment by Anyone — 17.08, 2012 @ 10:38

  9. funktioniert das mit den abmahnungen nicht sowieso nur deswegen, weil das alles im gewerblichen ausmaß stattfinden soll – weil „gewerblich“ so ein unfassbar kaputter begriff ist? vielleicht sollten wir der kanzlei danken, denn das mit dem pranger könnte ja auch einfach stein des anstoßes für den gesetzgeber sein, endlich ihre gesetze zu reparieren…

    Comment by agentorange — 17.08, 2012 @ 11:15

  10. hmm… stellt sich doch die Frage ob hier nicht steuerrechtlich schon eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt und somit Gewerbesteuer zu zahlen ist. Vielleicht sollten die FA bei solchen Büros mal eine Außenprüfung ansetzen…

    Comment by cko — 17.08, 2012 @ 12:58

  11. Was erwartet ihr denn? Eine Kanzlei von Abhmahnanwälten ist doch eine kriminelle Vereinigung, oder? Also handeln sie eindeutig im Rahmen ihres Geschäftsmodells, wenn sie zu Nötigung greifen.

    Comment by Siebengebirge — 17.08, 2012 @ 13:52

  12. Die wollen 150.000 Namen publizieren? Ich bin dafür! Und dann bitte 150.000 mal mit einer Klage durch die Betroffenen antworten. Einmal dürften die Herren dadurch in die verdiente Insolvenz gehen, und vielleicht wacht dann in Berlin ja endlich einmal das Parlament auf und sorgt dafür, dass die Abzocke durch solche Anwälte aufhört.

    Comment by M. Boettcher — 17.08, 2012 @ 15:48

  13. @agentorange (9) Den Gedanken hatte ich auch gerade. Wobei ich nicht glaube das die Gesetzgeber etwas reparieren müssen (naja gut die auch so ganz grundsätzlich), sondern die Rechtsauslegeung sich ändern muss, was den Begriff „gewerblich“ betrifft.

    Comment by iota — 17.08, 2012 @ 19:10

  14. Frage am Rande (und aus aktuellem Anlaß wegen BGH-Entscheidung):
    Wie kommen die „Porno-Abmahner“ eigentlich an die Namen der Anschlußinhaber?
    Wegen des möglichen/etwaigen Verstoßes gegen 148 StGB wohl kaum mittels 101 UrhG, oder!?
    Zumal neben Art. 10 GG auch Art. 2 GG eingeschränkt würde!?
    Darüber hinaus: Die sog. „Ermittlung“ wäre demnach ein vorsätzlicher Verstoß gegen 148 StGB („Testdownload“, download = upload…).
    Richtig?

    Comment by Behaarte Uhse — 17.08, 2012 @ 19:39

  15. Nachtrag im Bezug auf die BGH-Entscheidung:
    Wie ist das „gewerbliche Ausmaß“ bei der etwaigen Verbreitung jugendgefährdendem Materials zu bewerten?
    Hat der BGH nicht nur deshalb zu kurz bzw. schlicht falsch gedacht?
    Weshalb ermittelt die StaA nicht gegen Urmann & Collegen?
    150.000 sollten ja wohl ein öffentliches Interesse rechtfertigen!
    Die wahren Täter sind nämlich diese Abzockabmahner!

    Comment by Behaarte Uhse — 17.08, 2012 @ 19:49

  16. Nach den sog. „IT-Dienstleistern“ (diese dubiosen log-Firmen) fragt nur leider nie jemand, weil die Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter scheinbar schlicht und einfach zu dämlich sind, diese Thematik zu raffen.
    Sorry, wenn ich das so scheinbar unsachlich formuliere, aber anders kann man das m.M.n. nicht mehr ausdrücken. Besonders hier im Fall Urmann & Collegen ist das Thema „IP-Addressen-Ermittlung“ extrem lachhaft und es könnte sooooo einfach sein!
    Tja… wat willste machen – wo kein Kläger, da kein Richter.

    Comment by Baxter — 17.08, 2012 @ 20:33

  17. Silbertablet:

    http://pdfcast.org/pdf/bunte-tuete-15-07-2011

    click & read

    Comment by Baxter — 17.08, 2012 @ 20:40

  18. Wohin hat sich dieses LAnd entwickelt? Der normale Bürger kann nicht im Internet sein, ohne mit einem Bein einer Abmahnung gegenüber zu stehen, gegen die er sich kaum wehren kann. Komisch gegen die automatische Erfassung aller Verkehrsteilnehmer bei TollCollect gab es eine breite Zustimmung. Gegen die automatische Erfassung des Datenverkehrs gibt es kaum Widerstand. Man muss sich glaube ich langsam gedanken machen, was mit der EDV möglich ist. Es scheint jetzt die Grenze erreicht zu sein, wo man diese auch „Negativ“ nutzen kann. Bloß weil man „etwas“ kann muss/sollte man es auch tun?

    Comment by Christian — 18.08, 2012 @ 12:17

  19. Konsument von Pornofilmen zu sein und diese über Filesharing zu beziehen ist doch nicht ehrenrührige und dies öffentlich zu machen kein Pranger. Gerade die Vielzahl der Fälle zeigt doch, dass es sich um ein gesellschaftlich etabliertes Verhalten handelt, um Mainstream-Kultur. Geht man nach Locke, Rousseau und Montesquieu, so müsste die Regierung handeln und es in den Kanon der legalen Handlungsweisen aufnehmen, sonst müsste sie mit Aufständen und Umsturz rechnen. War es teures Brot, das die französische Revolution auslöste, könnte es teurer Porno sein, der die Cyber-Revolution auslöst.

    Comment by Alexander Vollmer — 20.08, 2012 @ 18:29

  20. das nennt sich nun anwalt … einen scheiss kann man da auf privatpersonen ummünzen … da sollte mal jemand wieder studieren gehen bevor er solchen bullshit von sich gibt ;D aber macht mal … dann werdet ihr von klagen nur so überzogen und dann könnt ihr euren schuppen dicht machen ;D

    Comment by hans guck in die luft — 20.08, 2012 @ 19:00

  21. Ähäm. Ein Pranger funktioniert doch nur, wenn das Schamgefühl des an den Pranger gestellten angesprochen wird. Wir befinden uns aber nicht mehr in den 60er Jahren. Es hat mittlerweile doch niemand mehr ein Problem, zuzugeben, hin und wieder einen Porno zu sehen.

    Comment by Simon — 21.08, 2012 @ 00:10

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.