Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.6.12

Keine Rechtsunsicherheit beim Leistungsschutzrecht?

Weil in der aktuellen Diskussion über ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse auch immer wieder davon die Rede ist, dass die Einführung eines Leistungsschutzrechts zu Rechtsunsicherheit führen wird, hat Springer-Cheflobbyist Christoph Keese bei seiner Haus- und Hof-Anwaltskanzlei ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das genau diese Folge in Abrede stellt.

Die Ausführungen von Rechtsanwalt Dr. Robert Heine sind stellenweise durchaus bemerkenswert. Besonders hervorzuheben ist m.E. folgende Passage:

Das Leistungsschutzrecht verletzt daher, wer zum Beispiel den elektronischen Scan einer Zeitung oder die technische Kopie einer Nachrichten-Website im Internet verfügbar macht. Keine Verletzung des Leistungsschutzrecht bewirkt, wer nur den Inhalt eines Presseartikels übernimmt – sei es in einem Blog, einem Tweet oder auf Facebook.

Die Springer-Lobby behautet also allen Ernstes, dass das vollständige Kopieren des Textes eines Presseartikels in ein Blog keine Verletzung des Leistungsschutzrechts sei, solange der Artikel nicht abgescannt wird.

Diese Auslegung hat der Kollege Heine exklusiv und sie ist auch nicht mit dem geplanten Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen.  Denn Teile eines Presseerzeugnisses liegen ja nicht nur dann vor, wenn man ein Presseerzeugnis 1:1 scannt, sondern auch dann, wenn man (kleine) Teile seines Inhalts übernimmt.

Wenn die Verlage tatsächlich nur die von Rechtsanwalt Heine dargestellte Lesart durchsetzen wollen, dann wäre eine Ergänzung des Gesetzeswortlauts sinnvoll und notwendig. Mein ergänzender Formulierungsvorschlag wäre in diesem Fall dann folgender:

Das Leistungsschutzrecht verletzt nur, wer eine technische Kopie (Scan) eines Presseerzeugnisses öffentlich zugänglich macht.

Ein solches Leistungsschutzrecht wäre zu verschmerzen, wenngleich es sachlich natürlich gänzlich überflüssig wäre. Also bitte lieber Herr Keese, wenn ich das ernst nehmen soll, was in Ihrem Blog steht, dann erwarte ich, dass Sie sich beim BMJ für eine entsprechende Klarstellung bei der Gesetzesformulierung einsetzen.

Wie die derzeitige Formulierung tatsächlich auszulegen ist, habe ich hier und hier ausführlich erläutert.

Update:
Die Kollegen Dosch und Vetter scheinen auch kein (juristisches) Verständnis für die Herren Keese und Heine zu haben, ebensowenig wie der Presseschauer.

posted by Stadler at 10:21  

13 Comments

  1. Nur um eines anzumerken auch gleich:
    WENN die Ausführungen von Herrn Heine so dargelegt werden „sollen“ das es nur Scanns betrifft.
    Wie bitte schön hatte Herr Keese sich denn dann vorgestellt das Blogger vom Leistungsschutzrecht profitieren sollen?
    Und wie viele Leute gibt es wirklich die
    1. Zeitungsartikel einscannen, und Online stellen.
    Ohne OCR ist das Ding letztendlich nur ein Bild, und damit kann selbst Google nicht viel anfangen.
    Also Zeitungsartikel+ Scanner + OCR = Echt viel Aufwand..

    2.Wer würde sich allen ernstes die Arbeit antun, einen Online Blog, auszudrucken um damit wieder die Arbeit aus Punkt 1 auf sich zu nehmen.

    3. Wäre dann das ganze Tohuwabohu rein logisch wegen Google News ein ausgemachter Schmarrn, weils ja nie um die physische Kopie sondern immer nur um „buhuu Google verdient mit unseren WEB Artikeln sicher einen Haufen Geld, und wir kriegen nur die Werbeeinnahmen die wir von den Usern bekommen die von Google zu uns kommen“

    4. Bei uns in Österreich nennt man sowas Gefälligkeitsgutachten. Und bei euch?

    5. Wie sollten dann die 4 Gründe aus Herrn Keeses „privat“ Blog (den ich nicht verlinken werde) zu verstehen sein. Vor allem Punkt 3
    wäre dann bei DER Auslegung völlig Gaga:
    ->Nur wer gewerblich aggregiert, ohne selbst zu schreiben, braucht eine Lizenz. <-
    Weil demnach müssten nur Leute die Punkt 1 wirklich durchführen eine Lizenz erwerben.

    6. Gewerblich war laut Aussagen diverser Blogs etc schon wer nen Flattr Button oder nen Google Adsense laufen hat. Womit wir wieder bei der definition "was ist privat was ist gewerblich" wären.

    Also die Logik mach verstehen wer mag.

    Comment by Vinc — 22.06, 2012 @ 10:41

  2. Selbst die Erzeugung einer Kopie auf die Festplatte meines Servers ist ein physikalischer Vorgang.

    Letztlich kommt es später nur auf den Willen und die Willkür der beteiligten Juristen an ob dem Blogger ein irgendwie geartet LSR das Genick bricht oder nicht …

    Mit Gerechtigkeit hat das ohnehin alles nur wenig zu tun.

    Mit pessimistischen Grüßen,
    yt

    Comment by yt — 22.06, 2012 @ 10:45

  3. Die Aussage von Springer ist nachvollziehbar. Denn den Text des Entwurfes „die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge“ kann man durchaus so lesen, dass nur das Layout(!) nicht der Text durch das Leistungsschutzrecht erfasst wird.

    Das wäre auch logisch: Der Text unterliegt schließlich dem Urheberrecht und ist damit dem Leistungschutzrecht entzogen. Außerdem genießt der Verleger das Leistungsschutzrecht und der bringt ja nur das Layout ein.

    Dass dann die Snippets von Google und Co durch das Leistungsschutzrecht gar nicht erfasst würden, was aber das erklärte Ziel der Initiative sein soll, steht dieser Auslegung natürlich entgegen. Deshalb sehe ich weiterhin große Fragen offen, aber völlig abwegig ist die Argumentation von Springer nicht.

    Comment by Marc B. — 22.06, 2012 @ 11:33

  4. Mit der Gewerblichkeit ist mir gestern ein neues Problem aufgetaucht. In dem Entwurf heisst es:

    „“(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen.”“

    Wenn ich mir zum Beispiel faz.net ansehe, kann ich keine Gewinnerzielungsabsicht erkennen. Es wird kein Geld für den Abruf verlangt. Das was unangemeldeten Lesern kostenlos zur Verfügung steht, ist auch für Suchmaschinen wie Google News zugänglich. Mit der einen kleinen Anzeige ist deutlich erkennbar das riesige redaktionelle Angebot nicht zu finanzieren.

    Es liegt also keine Gewinnerzielungsabsicht vor und somit ist das Angebot wohl auch steuerrechtlich als Liebhaberei zu werten. (Wäre interessant, ob die Aufwendungen vom Finanzamt dennoch als Betriebsausgaben gewertet werden :-)

    Kapitalgesellschaften wie Springer AG sind auch nicht den freien Berufen zuzuordnen. Wenn aber der gewerbliche Zweck nach GewO, EStG und AO nicht vorliegt, sondern Liehaberei vermutet werden muss, dann würde auch der gewerbliche Zweck nach dem Referentenentwurf des LexKees nicht vorhanden sein.

    Das hiesse, dass für jedes einzelne Presseerzeugnis der gewerbliche Zweck im Einzelfall geprüft werden müsste. Druckhersteller wie die FAZ betreiben seit vielen Jahren die Site, deren Teil für Google erreichbar ist, ohne gewerblichen Zweck. bei anderen müsste man im Einzelfall prüfen, ob Werbeeinnahmen einen gewerblichen Zweck begründen lassen.

    Ich denke auch hier, ist der Entwurf des LexKeese auch für die Druckhersteller, die ihre Druckerzeugnisse unentgeltlich im Internet ausdrucken voller rechtlicher Risiken. Dieser Entwurf ist nicht mal kabinettreif, geschweige denn reif fürs Parlament. Das scheint eher ein Komödie zu sein, mit der SLS die CDU vorführen will.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 22.06, 2012 @ 12:10

  5. Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen…

    Hier gibt es nicht zu sehen…

    Bitte gehen Sie weiter…

    Konzentrieren Sie sich lieber auf die Fussball-EM…

    Bald beginnt Olympia dann wird alles gut…

    Comment by stachel — 22.06, 2012 @ 12:17

  6. „. Keine Verletzung des Leistungsschutzrecht bewirkt, wer nur den Inhalt eines Presseartikels übernimmt – sei es in einem Blog, einem Tweet oder auf Facebook.“

    Es wird hier der Eindruck erweckt, als könne damit ein direkt zitierter Artikel gemeint sein, der nicht vom Leistungsschutzrecht betroffen ist. Könnte mit der Formulierung „den Inhalt übernehmen“ nicht auch nur der paraphrasierte Inhalt des Textes gemeint sein?

    Comment by carloz — 22.06, 2012 @ 12:17

  7. @Wolfgang Ksoll

    Da steht nicht, dass Presseerzeugnisse gewerblich genutzt sein müssen, nur, dass es ausschließlich ihren Herstellern [vulgo Verlegern] zugestanden ist, diese gewerblich zur Verfügung zu stellen.

    Das ist ja auch die perfide Verteidigungslinie der Keeses, Steingarts und Blomes: ‚Wir sind doch nette Kerle, mit uns kann man reden, wir wollen unser zugestandenes Recht auch gar nicht nutzen. Echt. Versprochen. Indianerehrenwort!‘

    Herr Heine setzt halt noch eine drauf, indem er nicht nur zugesteht, keine Ahnung der technischen Seite zu haben, sondern noch behauptet, dass Gesetz wäre überflüssig, nichtig, gar nicht anwendbar und überhaupt. Das ganze ist so durchsichtig, dass könnten sogar Justizexpereten wie Leutheuser-Schnarrenberger oder Zypries verstehen.*

    *Doch, ich bin Optimist.

    Comment by Dierk — 22.06, 2012 @ 14:19

  8. @Dierck
    Hier noch mal der ganze Entwurf des §87f aus dem LexKeese-E:
    㤠87f Presseverleger
    (1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.
    (2) Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer
    Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient.
    Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung,
    Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.“
    http://www.irights.info/userfiles/RefE%20LSR.pdf

    Ich lese das so, dass das öffentliche zugänglich machen der Druckerzeugnisse der FAZ im Internet unter http://FAZ.net einem gewerblichen Zweck dienen muss. Das heisst, es muss eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen. Die FAZ stellt das aber kostenlos für Nichtabonnenten ist Netz. Damit kann man keine Gewinne erzielen, ist also Liebhaberei. Die Eigenwerbung, dass man mit dem kostenlosen öffentlich machen Werbung machen will, für den Abonnenten-Teil oder das klassische Druckerzeugnis auf Papier (Presse), wird expressis verbis vom Leistungsrecht ausgeschlossen. Damit sind Google-Snippletts nicht von Leistungschutzrecht (nach Entwurf LexKeese-E) betroffen. Dann bleibt die Frage, ja wer soll denn dann für was dem Verlag Gebühren bezahlen? Damit ist der ganze Sinn des Gesetzes eine einzige rechtliche Unsicherheit.

    Absatz 1, Satz 2 hat noch eine Skurrilität: nicht die Axel Springer AG gilt als Hersteller sondern die Aktionäre der Axel Springer Ag sind danach Hersteller. Will also die Axel Springer AG die von ihr hergestellten Pressererzeugnisse zweitverwenden, muss sie sich bei den Aktionären (urheberrechtlich dem Hersteller) eine Lizenzgeben lassen, da das Produkt ja dann unter dem Leistungsschutzrecht der Inhaber der Axel Springer AG steht.

    Ich habe noch nie einen schlampigeren Gesetzentwurf gesehen. Christoph Keese macht sich immer unseriöser ob seines Mantras, das das alles schön und rechtssicher sei.

    Das einzige Gute an der Aktion ist, dass danach nie wieder jemand versuchen wird, diesen deutschnationalen Sonderbehandlungsweg des „Leistungsschutzrechtes“ gehen wollen wird. Schon jetzt sind ja Regelungslücken drin: wenn Google die Snipplets weiter zieht und nur ausserhalb Deutschlands zur Anzeige bringt wie beim dem Terror der GEMA, dann ist das wegen Geltungsbereiches deutschnationaler Gesetze legal, aber die deutsche Presse wird schneller eliminiert.

    DeutschnationalKeese und Vermeidung von Gouda wegen Markenrecht oder so :-)

    Comment by Wolfgang Ksoll — 22.06, 2012 @ 15:17

  9. Ich erlaube mir höflich aber nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß Dr. Heine diese Auslegung keineswegs exklusiv hat. Bereits im Kommentar 14869 zur „Kurzanalyse“ hierzublog habe ich auf die Implikationen der „Metall-auf-Metall“-Analogie bzw. das LSR für Tonträgerhersteller im RefE hingewiesen.

    Die Folgerung von Dr. Heine, daß nur ein Screenshot oder eine technische Kopie des Presseerzeugnisses und – wie der „Metall-auf-Metall“-Hinweis im RefE schlußfolgern läßt – auch kleinste Fetzen von diesem Screenshot oder dieser technischen Kopie – vom LSR geschützt werden, ist völlig nachvollziehbar.

    Daß diese Folgerung angesichts der Zielrichtung eines LSR für Presseverleger, damit „Presseverlage im Online-Bereich nicht schlechtergestellt sind als andere Werkver-
    mittler“ und „zugleich […] der Schutz von Presseerzeugnissen im Internet verbessert
    werden“ soll, den Nonsens des LSR offenbart oder den Nonsens der Folgerung, muß ich höflicherweise offenlassen, mit irgendjemanden verderbe ich es mir in jedem Fall.

    Daß ein einschlägiger Fachjurist auf eine ähnliche Auslegung wie ein juristischer Laie kommen kann, spricht entweder für mich, den Laien oder gegen ihn, den Fachmann. Aber auch die Antwort möchte ich höflicherweise offenlassen.

    Comment by Joachim Losehand (Wien) — 22.06, 2012 @ 15:55

  10. @Marc B. Das ist einerseits mit Sicherheit nicht das, was Springer in Wirklich mit dem LSR erreichen möchte und andererseits genau das, was Rechtsunsicherheit erzeugt.

    Comment by Stadler — 22.06, 2012 @ 17:15

  11. @Stadler: Dafür kann ich doch nichts. So wie der Entwurf formuliert ist, kann das Leistungsschutzrecht gar nicht den Inhalt betreffen. Es kann sich nur auf das Layout beziehen. Dass es damit sinnlos wird, steht auf einem anderen Blatt.

    Comment by Marc B. — 22.06, 2012 @ 17:54

  12. „Das Leistungsschutzrecht verletzt nur, wer eine technische Kopie (Scan) eines Presseerzeugnisses öffentlich zugänglich macht.“

    In der Tat völlig überflüssig, weil Urheberrecht und DMCA hier längst greifen, wie auch in dem von Herrn Keese bejammerten Fall von YouKioske.

    Das Angebot ist nicht mehr zugänglich, die Verantwortlichen in Madrid festgenommen, ganz ohne LSR.

    Comment by Avantgarde — 23.06, 2012 @ 18:06

  13. Kann man solche „Gutachter“ im Falle eines explizit ausgeschlossen Falles eigentlich irgendwie in Anspruch nehmen? Vorausgesetzt natürlich, man hat nicht anderweitig ein Recht verletzt, worauf sich der „Schaden“ begründet…
    Man verlässt sich als Laie ja (manchmal) auf Gutachten oder der Aussagen der „in Auftrag Geber“ (bzw. Nutznießer) von Gesetzen…

    Darf ich mir zu der Thematik vielleicht sogar einen eigenen Blogeintrag wünschen?

    Comment by steda — 26.06, 2012 @ 22:00

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