OLG Köln: Keine einstweilige Verfügung gegen negative eBay-Bewertung
Das OLG Köln hat mit Urteil vom 08.03.2012 (Az.: 15 U 193/11) entschieden, dass ein eBay-Verkäufer nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen eine negative Bewertung eines Käufers vorgehen kann. Das OLG Köln ist vielmehr der Meinung, dass dem Verkäufer insoweit zugemutet werden kann, die Streitfrage in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Das Oberlandesgericht hat damit den sog. Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO verneint.
Die Begründung des OLG erscheint mir durchaus diskussionswürdig:
Wie aus dem im erstinstanzlichen Urteil in Bezug genommenen Screenshot ihres Bewertungsprofiles vom 05.05.2011 zu entnehmen und zwischen den Parteien auch unstreitig ist, hat sie auf die Bewertungen der Verfügungsbeklagten reagiert, indem sie jeweils Gegenkommentare verfasst und hierin ihre Sichtweise dargestellt hat. Diese Möglichkeit der Stellungnahme sieht das Bewertungssystem bei ebay, dem beide Parteien sich durch die Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterworfen haben, ausdrücklich vor. Die bewertete Partei erhält auf diese Weise Gelegenheit, ihre Rechte gegenüber einer für unzutreffend erachteten Bewertung vorläufig zu wahren, indem sie ihr für jeden Nutzer einsehbar durch einen Gegenkommentar entgegentritt. Vor diesem Hintergrund ist es der bewerteten Partei grundsätzlich möglich und zumutbar, den Ausgang eines etwaigen Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Einer einstweiligen Verfügung, die das Ziel hat, einen möglichen Anspruch vorläufig „in der Waage zu halten“ und der Gefahr vorzubeugen, dass durch die tatsächlichen Umstände die Durchsetzung eines solchen Anspruchs im Wege einer Hauptsacheklage vereitelt oder wesentlich erschwert würde, bedarf es in dieser Fallkonstellation grundsätzlich nicht.
Weil also eBay die Möglichkeit eröffnet, einen Gegenkommentar zur negativen Bewertung des Käufers zu verfassen, kann der Verkäufer seine Rechte vorläufig selbst wahren und ist nicht auf eine Eilentscheidung des Gerichts angewiesen.
Müsste man diese Schlussfolgerung dann aber nicht auf alle Onlineäußerungen erstrecken, bei denen man als Betroffener die Möglichkeit hat, an derselben Stelle zu erwidern? Wenn also in einem Meinungsforum oder im Kommentarbereich eines Blogs eine äußerungsrechtliche Verletzung stattfindet, wäre ein Verfügungsgrund immer dann ausgeschlossen, solange man als Betroffener dort unmittelbar erwidern kann.
Das erscheint mir, in der Allgemeinheit wie vom OLG Köln formuliert, dann doch eine eher gewagte These zu sein. Denn die Möglichkeit einer Stellungnahme ändert noch nichts daran, dass falsche oder gar ehrverletzende Äußerungen damit über Monate oder gar Jahre hinweg online bleiben würden. Abgesehen davon, dass es in vielen Fällen vermutlich sogar besser ist, sich als Betroffener nicht zu verteidigen, weil man damit vielfach eine ohnehin bereits hitzige Kommunikation noch zusätzlich befeuert. Die Entscheidung des OLG Köln mag in Einzelfällen durchaus zutreffend sein, die vom Gericht postulierte Regel, nach der es in solchen Fällen grundsätzlich keiner einstweiligen Verfügung bedarf, muss aber kritisch hinterfragt werden.
Genau die Frage hatte ich mir auch gestellt: Kann man die Argumentation des Senats nicht de facto auf das gesamte Web 2.0 übertragen? Soll mir Recht sein, aber ob das so gewollt war?
Comment by code — 21.05, 2012 @ 12:35
Afaik gibt es bei ebay zwei klare Rollen bei der Kommentarfunktion: Veräufer und Käufer. Und beide Seiten können je ein Kommentar (bzw. Gegenkommentar) abgeben. Beide sind für Dritte auch immer klar identifizierbar. Weitere öffentliche Diskussionen (mit Beteiligung von Dritten) sind bei ebay auch nicht möglich.
Die Gegenkommentare haben ja bei ebay auch diesen Zweck, auf negative Bewertungen zu antworten.
Social Networks, Foren usw. funktionieren ja etwas anders.
Vielleicht bezog sich das Gericht also auf diesen „speziellen Rahmen“ und nicht auf die grundsätzliche Möglichkeit, negative Aussagen kommentieren zu können.
Nur meine Spekulation.
Comment by bk — 21.05, 2012 @ 16:39
in einem öffentlichen Forum ist der Betroffene aber u.U. erstmal noch nicht registriert. somit muss er dort a) erstmal seine Daten preisgeben und b) ggfs. AGBs bzw. Nutzungsbedingungen annehmen, die er so nicht annehmen will. bei eBay sind ja beide Parteien schon angemeldet, wodurch diese ggfs. einseitige Hürde wegfällt
somit halte ich das Urteil garnicht für so verkehrt
btw: Käufer und Verkäufer sind im Artikel teilweise verdreht
Comment by mk — 21.05, 2012 @ 18:23