Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.3.12

Zulässigkeit von Ehrverletzungen im Rahmen von Gerichts- und Strafverfahren

Mit Urteil vom 28. Februar 2012 (Az.: VI ZR 79/11) hat der BGH entschieden, dass für Klagen auf Zahlung einer Geldentschädigung, die auf ehrkränkende Äußerungen in einem Gerichtsverfahren bzw. gegenüber Strafverfolgungsbehörden gestützt werden, in der Regel kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn die Äußerungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gedient haben oder in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten gemacht wurden.

In den Urteilsgründen führt der Senat u.a. aus:

Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis (Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, VersR 2008, 357 Rn. 12 mwN; vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2007, 840 f. mwN; BGH, Urteil vom 9. April 1987 – I ZR 44/85, WRP 1987, 627, 628 – Gegenangriff). Das sogenannte Ausgangsverfahren soll nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 – VI ZR 169/91, VersR 1992, 443 mwN; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, VersR 2005, 277 f.). Vielmehr müssen die Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Der von der ehrkränkenden Äußerung Betroffene kann weder Unterlassungs- noch Widerrufsansprüche geltend machen (vgl. Senatsurteile vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503 mwN.; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, aaO, S. 278; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 13). Dies trägt dem Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung.

Der BGH macht dann ergänzend Ausführungen, dazu, dass diese Grundsätze auch für Äußerungen im Rahmen eines Strafverfahrens bzw. für Äußerungen im Zusammenhang mit der Erstattung einer Strafanzeige gelten. Der Ehrschutz ist in diesen Fällen zugunsten der Rechtspflege eingeschränkt, weil der Staat bei der Aufklärung von Straftaten darauf angewiesen ist, dass Bürger ihm ihren Verdacht schildern. Gegen einen Bürger der eine Strafanzeige erstattet, bestehen deshalb nach Ansicht des BGH – solange noch keine falsche Verdächtigung im Sinne von § 164 StGB vorliegt – auch keine zivilrechtlichen Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche. Der BGH begründet diese Schlussfolgerung folgendermaßen:

Wer der Staatsanwaltschaft oder der Polizei seinen Verdacht mitteilt, dass ein anderer eine strafbare Handlung begangen habe, berührt zwangsläufig die Ehre des anderen. Das kann ihm nicht verwehrt werden; denn mit der Erstattung der Anzeige übt er ein jedem Staatsbürger zustehendes Recht aus. Die Strafanzeige eines Bürgers liegt darüber hinaus grundsätzlich im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; der Rechtsstaat kann darauf bei der Strafverfolgung nicht verzichten (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, aaO; BVerfGE 74, 257, 262). Aus diesen Gründen muss der Anzeigende im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren grundsätzlich das vorbringen dürfen, was er nach seinem Ermessen zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält. Den berechtigten Belangen des in seiner Ehre Betroffenen ist durch die Bestimmung des § 164 StGB (falsche Verdächtigung), die Kostenregelung in § 469 StPO für den Fall einer vorsätzlich oder leichtfertig erstatteten unwahren Anzeige sowie die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens hinreichend Rechnung getragen. Für zivilrechtliche Abwehransprüche ist dagegen in aller Regel kein Raum.

posted by Stadler at 10:48  

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